Wie Nancy Faeser sich bei Anne Will selbst entlarvt Intellektuelle und mediale Inzucht in der ARD

Wer glaubt, dass große Teile der Politik und der Medien in einer anderen Welt leben, der bekam gestern bei Anne Will in der ARD den Beweis geliefert: In der Talkshow war der „Operetten-Putsch“ das Thema. Und damit bloß nicht so etwas wie echte „Diversität“ aufkommt, also Meinungsvielfalt, waren ausschließlich Gäste geladen, von denen man vorab wissen konnte, dass sie sich brav an das Narrativ vom gefährlichen Umsturzversuch halten würden. Viele Medien wie etwa die „Welt“ kauen dann diesen Meinungs-Einheitsbrei mit minimalen Abstufungen bei der Narrativ-Treue unkommentiert wieder. So entsteht eine Meinungs-Monokultur im Elfenbein-Turm, die komisch wäre, wären die Folgen nicht so tragisch.

Richtig spannend war dabei nur ein Moment in der gestrigen Sendung, die man als Gebührenzahler zwangsfinanzieren muss (und bei der die wirtschaftliche Konstruktion dafür sorgt, dass Anne Will viel kräftiger verdient, als sie es als Angestellte der ARD könnte): Die zugeschaltete Innenministerin Nancy Faeser (SPD)  glaubt offenbar selbst nicht an die eigene Geschichte – denn anders ist ein Freudscher Versprecher, den sie sich leistete, kaum zu erklären.  Die „Vorbereitungen auf mögliche Umsturzphantasien“ seien „sehr konkret“ gewesen, sagte sie.

Was für eine Selbstentlarvung! „Mögliche Umsturzfantasien“! Wo sie doch gerade noch vom „größten Anti-Terroreinsatz unserer Geschichte“ und einem „verhinderten Staatsstreich“ sprach. Und jetzt sind es nur noch mögliche Phantasien. Also Herbeiphantasiertes. Dass Phantasien sehr konkret werden, mag vorkommen. Etwa, wenn ein Prinz ein paar Flaschen Wein intus hat. Aber eine Phantasie ist etwas ganz anderes als ein konkreter Plan. Umso beachtlicher ist die Aussage Faesers. 3000 Beamte bundesweit im Einsatz, Durchsuchungen in 130 Objekten, alles aufgrund von Phantasien? Dazu würde auch passen, dass bei dem Mega-Einsatz nur eine einzige Waffe gefunden wurde. Von der nicht einmal bekannt ist, ob sie legal oder illegal besessen wurde.

Bezeichnend ist auch, dass nicht etwa der Korruptions-Skandal im EU-Parlament das Thema der Woche bei Will war – sondern der „Kukident-Putsch“. Und natürlich durfte die Rolle der Medien bei der PR-Inszenierung des „Umsturzes“ in der Sendung allenfalls beiläufig gestreift und schon gar nicht wirklich kritisch hinterfragt werden.

Nach reiflicher Überlegung habe ich mich entschlossen, Ihnen die langweiligen Details aus der Meinungs-Monokultur-Sendung zu ersparen. Ich finde, diese Imitationen von Journalismus und Diskussion, bei der fast immer nur die gleichen Kräfte zu Wort kommen, ist so viel Aufmerksamkeit nicht wert. Weil sie zu langweilig und zu durchsichtig ist, zu sehr auf Dummheit und Oberflächlichkeit von Zuschauern konstruiert und damit eine Beleidigung der Intelligenz von mündigen, aufgeklärten Bürgern.

Netzfund

Wobei – vielleicht irre ich mich. Alexander Marguier, Chefredakteur des „Cicero“ und einer der Journalisten, die nicht zu „Haltungswärtern“ verkommen sind, kommt angesichts der Sendung zu einer bemerkenswerten Schlussfolgerung: „Aber es bleibt nicht ohne Grund die Dimension des Herbeiphantasierten im Gedächtnis hängen: Wie soll eine derart disparate Truppe eigentlich einen doch weitgehend gefestigten Staat wie den der Bundesrepublik zum Einsturz bringen können?“ Faeser, so der Mann vom Cicero, „tappte vor allem im Ungefähren herum und machte einen entsprechend unsouveränen Eindruck.“ Insofern ist die Sendung vielleicht doch sehenswert – wenn auch ganz anders, als es sich ihre Macher wünschen. Als große Entlarvung. Und da man sich immer selbst ein Bild machen sollte, hier der Link, unter dem Sie sich die Sendung selbst ansehen können.

Der nordrhein-westfälische Innenminister Herbert Reul von der CDU betonte zwar, es habe „klare Planungen“ gegeben, die auf „mehr als Spinnereien“ hinausgelaufen wären. Welche, wollte er aber nicht verraten. Wurde er auch nicht gefragt aus der einstimmigen Runde. Dabei wäre diese Frage angesichts der Zahl von sage und schreibe einer sichergestellten Waffe geradezu zwingend gewesen. Zwingend wäre auch ein Nachhaken gewesen, warum die Aktionen an zahllose Journalisten durchgestochen wurden und diese bei den Festnahmen anwesend waren – wenn die Verdächtigen doch ach so gefährlich waren. In ihrem typischen Potemkin-Journalismus sprach Will dieses Thema zwar kurz an, um es abzuhaken – aber ließ die Runde ungeschoren davon kommen.

Eben damit böse Fragen nicht gestellt werden, oder nur als Alibi, und damit nicht nachgehakt wird, weil sonst ja jemand auffallen könnte, wie nackt die „Kaiser“ in der Runde sind, werden erst gar keine potentiell kritischen Geister eingeladen. Dafür darf aber Janine Wissler, Chefin der umbenannten SED, „sich bei Will als tapfere Vorkämpferin gegen verfassungsfeindliche Umtriebe im öffentlichen Dienst aufspielen“ (Cicero). Das ist an Absurdität kaum noch zu überbieten.

Bizarr auch der Auftritt des 90-jährigen Ex-Innenministers Gerhart Baum  (Cicero: „Alter Zirkusgaul der FDP“). Der machte schon beim Thema Corona den Eindruck, dass er sich ausschließlich in öffentlich-rechtlichen und staatstreuen Medien informiert und den medial-politischen Elfenbeinturm nicht mehr verlässt. Insofern schließt sich hier der GEZ-Kreis. Man könnte auch böse von intellektueller und medialer Inzucht sprechen.

PS: Ein Leser schrieb in einem Kommentar: „Im Vorfeld wird sicher der Fragenkatalog durchgekaut und „genehmigt“. Und es wird vereinbart, keine „überraschend kritischen Fragen“ zu stellen. Wetten?“
Meine Antwort: „Ich habe das ja selbst erlebt als Gast bei Will & Co. Da wird alles vorab bis ins Details abgeklärt. Wenn man im Vorgespräch Angaben macht, die nicht passen, und nicht kompromisswillig ist, kommt man erst gar nicht vor die Kamera. So einfach und primitiv läuft das.“

PS: „Für Deutschlands Qualitätsmedien war das erneut eine schwarze Woche. Ausgerechnet von jener Politikerin, der sie nach täglich neuen schweren Fehlern und Irrtümern nur noch mit maximaler Skepsis und Distanz begegnen sollten, deren Wirken für jede Redaktion Schutzhandschuhe, Maske und eine lange Beißzange erfordern sollte, ließen sie sich nach allen Regeln der korruptiven Kunst bestechen – und sie sind auch noch stolz darauf. Tausche Vorab-Info mit allen Namen, Orten und Uhrzeiten gegen eine gigantische Regierungs-PR-Nummer, wie sie das Land seit 1961 nicht gesehen hat – das war der Deal. Ekelhaft und gegen alle Regeln des journalistischen Handwerks, gegen Strafgesetzbuch und Verfassung. ‘Wer sich für die Verbreitung oder Unterdrückung von Nachrichten bestechen lässt, handelt unehrenhaft und berufswidrig‘, heißt es gleich eingangs im deutschen Pressekodex. Genau dies ist hier aber, siehe oben, geschehen.“
Jens Peter Paul im Cicero.

Mein Video-Tipp:

Graue Armee Fraktion: Die Razzien-Seifenoper um die Rollator-Gang und was wirklich dahinter steckt:

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Bild: Screenshot/ARD

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