Willkommen in der Kakistokratie Außenpolitik für Fortgeschrittene im Realitätsverlust

Ein Gastbeitrag von Thomas Rießinger

Der Begriff der Kakistokratie gehört eher nicht zu denen, die man allzu häufig hört, vermutlich eher aus klanglichen als aus inhaltlichen Gründen. Tatsächlich handelt es sich um einen politikwissenschaftlichen Fachbegriff griechischen Ursprungs, der die „Herrschaft der Schlechtesten“ bezeichnet – ganz im Gegensatz zur bekannteren Aristokratie, die dem Wortsinn nach die Herrschaft der Besten meint. Während es aber in der Realität eher selten vorkam, dass eine aristokratische Herrschaft wirklich die Besten an der Macht sah, erfreut sich die echte und wörtliche Kakistokratie eines blühenden Lebens.

Denn die erleben wir Tag für Tag und erlebten sie schon früher. Ich darf an die Altkanzlerin Merkel erinnern, bei der Logik und Vernunft in einem Schwarzen Loch der Alternativlosigkeit verschwanden, während die Presse eben dieses Schwarze Loch umtanzte, als wäre es das biblische goldene Kalb. Auch ihr Amtsnachfolger Olaf Scholz ist zu nennen, jene personifizierte Leere im Kanzleramt, die Martin Heidegger vielleicht im Sinn hatte, als er den Satz „Das Nichts nichtet“ formulierte. Und selbstverständlich verdient auch Friedrich Merz eine Erwähnung, die Verkörperung des logischen Widerspruchs und des Verdrängens der Realität, der sich in seinem Kabinett mit derart subalternen Gestalten umgibt, dass sich die Frage aufdrängt, wie die Mitarbeiter in den Ministerien ihre obersten Vorgesetzten ertragen sollen.

Denkt man nun aber, es könnte nicht mehr schlimmer kommen, so muss man nur einen Blick auf die Riege der Außenminister werfen, die Deutschland in der Welt so würdig vertreten haben und noch immer vertreten. Erinnert sich noch jemand an Heiko Maas, den letzten Außenminister der bleiernen Merkelzeit, der wohl Schwierigkeiten mit der Idee hatte, dass ein Außenminister nicht nur für die Wahl seiner Kleidung zuständig ist? Seine Nachfolgerin Annalena Baerbock wird uns dagegen noch lange im Gedächtnis bleiben – wann sonst hätte ein Außenminister Russland gewissermaßen im Vorbeigehen den Krieg erklärt und ständig mit der eigenen sprachlichen Kompetenz geglänzt, vom bekannten Rohstoff „Kobold“ bis hin zur Kreation der „präsidenzlosen“ Angriffe?

Kopp Vertreibung 2

Doch nun, so dachten wir uns, wird alles besser. Schließlich ist Johann Wadephul nun Chef im Auswärtigen Amt, das ließ Hoffnung aufkommen, zumal ihn zum Amtsantritt kaum jemand kannte. Die Hoffnung schwand schnell, sobald man ihn besser kennenlernte, und mit seinen letzten Äußerungen hat er sich als passgenauer Nachfolger für Maas und Baerbock erwiesen. Man könne nicht erwarten, so meinte er, dass Syrer nach Syrien zurückkehrten, denn dort könnten „wirklich kaum Menschen richtig würdig leben“. Die Zerstörung in Syrien sei schlimmer als in Deutschland im Jahre 1945, berichtete er seiner Fraktion, eine Rückführung könne „allenfalls in Einzelfällen“ stattfinden, beispielsweise bei straffällig gewordenen Personen. Nur der Ordnung halber will ich erwähnen, dass er kürzlich zum Besten gab, man habe das deutsche Wirtschaftswunder den Türken zu verdanken, und dass er im Zusammenhang mit Sanktionen gegen Russland den staunenden Zuschauern mitteilte, es werde nicht vermeidbar sein, dass ein Sanktionspaket auch uns weh tue: „Auf deutsche Ansprüche muss da jetzt keine Rücksicht genommen werden.“

Man sollte nicht zu kleinlich sein. Muss man den Minister darauf aufmerksam machen, wie stark Deutschland 1945 zerstört war? Muss man ihm erklären, dass sich damals niemand Gedanken darüber gemacht hat, ob jemand in den Trümmern „richtig würdig leben“ könne? Muss man ihm vor Augen führen, dass ihn seine syrischen Gesprächspartner wohl kaum in die angenehmsten Wohngegenden von Damaskus geführt, sondern ihm die passenden Viertel gezeigt haben, um ihm die Tränen in die Augen und uns das Geld aus der Tasche zu treiben? Muss man ihm erläutern, dass die Frage, wer wohl Syrien aufbauen soll, wenn nicht die Syrer selbst und insbesondere die jungen Syrer, die zuhauf in Deutschland leben, einer Antwort harrt? Muss man schließlich erwähnen, dass nach seiner Argumentation jeder beliebige Bewohner von Slums in Mumbai oder Kalkutta deutschen Boden betreten dürfte und nie wieder verlassen müsste, weil man in den Slums sicher nicht „richtig würdig leben“ kann?

Es ist zu befürchten, dass das alles nichts nützen würde, wie ja überhaupt der Kontakt mit der Realität unter kakistokratisch Regierenden nur selten Früchte trägt. Sehen wir also zu, wie wir das Problem des Ministers lösen können und wenden uns zu diesem Zweck zwei großen Denkern zu: Marcel Fratzscher und Salma Naddaf. Fratzscher, der Christian Drosten unter den Ökonomen, hat kürzlich gefordert, „dass die ältere Generation ihrer Solidarität gegenüber der jungen Generation wieder gerechter werden muss“, und meinte dabei: „Ich bin für ein verpflichtendes soziales Jahr oder Wehrpflicht für Rentnerinnen und Rentner; wo jeder frei wählen kann, was er machen möchte, um sich ein Jahr noch mal für die Gesellschaft nach Renteneintritt zu engagieren.“ Das zeigt in die richtige Richtung. Wenn sich aber die ältere Generation solidarisch gegenüber der jüngeren zeigen soll, dann darf das keine nationalistisch oder gar rassistisch eingeschränkte Solidarität sein. Der verpflichtende Rentnerdienst kann und soll auch im Ausland geleistet werden, warum denn nicht in Syrien? Das Prinzip der freien Auswahl darf man nicht so ernst nehmen, Soldaten können sich auch nicht aussuchen, ob sie nach Castrop-Rauxel oder an die Riviera geschickt werden.

Was liegt also näher, als die ältere Generation zum Aufbau nach Syrien zu schicken? Immerhin leben in Deutschland mehr als acht Millionen Menschen im Alter zwischen 63 und 70 Jahren, das ist ein gewaltiges Reservoir. Ihre Solidarität – vielleicht nicht in allen Fällen eine freiwillige – mit der internationalen Jugend wäre damit in jedem Fall unter Beweis gestellt, und da sie in der Regel über eine abgeschlossene Ausbildung und Berufserfahrung verfügen, wären dem syrischen Aufschwung keine Grenzen gesetzt. Ist erst einmal wieder alles aufgebaut, können die Syrer ja zurückkommen und dort „richtig würdig leben“. Bis dahin aber könnten sie sich für die Dienstleistungen der älteren Generation bedanken, indem sie in ihre unbenutzten Häuser und Wohnungen ziehen und sie treuhänderisch verwalten. Die Rentner werden das zu schätzen wissen.

Die zweite Idee ist etwas anders geartet und lässt die Rentner in Frieden. Salam Naddaf ist das, was man einen TikTok-Star nennt. Vor elf Jahren kam sie aus Syrien nach Dänemark und gilt dort „als eine der erfolgreichsten Influencerinnen, auf Instagram, TikTok und YouTube hat sie zusammen mehr als 10 Millionen Follower. Auf den Plattformen postet sie arabischsprachige Do-It-Yourself und Bastel-Videos – oft mit religiösem Bezug.“ Den sieht man auch sofort, denn in ihren Videos ist sie stets islamisch korrekt gekleidet, um nicht zu sagen: verhüllt, wenn ihr auch der Gesichtsschleier fehlt. Doch hat es ihr in Dänemark und überhaupt im Westen nicht mehr so recht gefallen: Sie ist nach Syrien zurückgekehrt, was insofern nicht weiter tragisch ist, als sie zumindest ihre Kleidungsgewohnheiten nicht ändern muss. Aber warum musste sie gehen? Nicht, weil man sie ausgewiesen hätte. Auch nicht, weil sie unter zunehmendem Rassismus keinen anderen Ausweg mehr hätte erkennen können. Nein: An den Schulen ihrer Kinder hatte man so genannte Pride-Flaggen gezeigt, Regenbogenflaggen, die gern als Symbol der überaus rührigen LGBTQ-Bewegung betrachtet werden. Sie könne es „absolut nicht ertragen, dass meine Kinder in dieser Umgebung aufwachsen“, meinte sie. Sie habe zwar „gelernt, tolerant zu sein – gegenüber allen Menschen, egal welcher Religion oder Herkunft“, aber für die Zukunft ihrer Kinder sei die Rückkehr nach Syrien eben wichtig.

Nun kann ich zwar jeden verstehen, der die aufdringlichen Zur-Schau-Stellungen der hauptberuflichen LGBTQ-Gemeinde lästig findet, aber viel wichtiger ist hier die Grundidee. Denn wenn wir nach Auffassung des Außenministers schon keine Syrer abschieben dürfen, dann kann man sie vielleicht auf sanftem Wege zur Rückkehr ins frisch-islamische Syrien bewegen, indem man alles und jedes mit Pride-Flaggen drapiert, indem man unablässig und überall Gay-Paraden zelebriert, kurz: indem man der entsprechenden Gemeinde zumindest für eine Weile die Möglichkeit gibt, sich ungehindert auszuleben. Drag-Queen-Lesungen in Grundschulen, vor allem in solchen mit hohem Migrantenanteil? Aber gern! Schulausflüge zu Gay-Paraden, wo immer sie auch stattfinden mögen? Ja, warum denn nicht? Pride-Flaggen in jedem Klassenzimmer, verbunden mit dem morgendlichen Ritual eines dreifachen „Hurra!!“ auf die Diversität? Man könnte es versuchen. Denn es wäre möglich, dass nicht nur eine syrische Influencerin, sondern noch viele andere zu dem Schluss kämen, es absolut nicht ertragen zu können, dass ihre Kinder in dieser Umgebung aufwachsen. Und dann sind sie weg. Der Vorteil dieser Variante besteht darin, dass sie die Rentner nicht behelligt, ihr Nachteil ist, dass man irgendwann, falls das Verfahren funktionieren sollte, die LGBTQ-Gemeinde wieder in ihre Schranken weisen muss. Nun ja, ich kann nicht alle Probleme auf einmal lösen.

Nehme ich diese Vorschläge ernst? Natürlich nicht. Ist es auszuschließen, dass irgendwelche Politiker dumm genug sind, um sich so etwas auszudenken? Auf keinen Fall! Kein Vorschlag ist zu dumm, um in der Riege der kakistokratischen Politik Anhänger zu finden. Denn für sie gilt, was ein anonym gebliebener Dichter des letzten Jahrhunderts einst geschrieben hatte:

„Er war beileibe kein Genie,

weshalb sein Denken nicht gedieh.

Und klüger wird er sicher nie

Als Teil der Kakistokratie.“

Das sehen wir jeden Tag.

HELFEN SIE MIT –
DAMIT DIESE STIMME HÖRBAR BLEIBT!

Im Dezember 2019 ging meine Seite an den Start. Heute erreicht sie Millionen Leser im Monat – mit Themen, die andere lieber unter den Teppich kehren.

Mein Ziel: 

Sie kritisch durch den Wahnsinn unserer Zeit zu lotsen.
Ideologiefrei, unabhängig, furchtlos.

Ohne Zwangsgebühren, ohne Steuergelder oder Abo‑Zwang. Ohne irgendjemanden zur Kasse zu bitten. Nur mit Herzblut – und mit Ihnen an meiner Seite. Jede Geste, ob groß oder klein, trägt mich weiter. Sie zeigt: Mein Engagement – mit all seinen Risiken und schlaflosen Nächten – ist nicht vergeblich.

Der direkteste Weg (ohne Abzüge) ist die Banküberweisung:
IBAN: DE30 6805 1207 0000 3701 71.

Alternativ sind (wieder) Zuwendungen via Kreditkarte, Apple Pay etc. möglich – allerdings werden dabei Gebühren fällig. Über diesen Link

Auch PayPal ist wieder möglich.
Nicht direkt – aber über Bande, dank Ko-fi: Über diesen Link

(BITCOIN-Empfängerschlüssel: bc1qmdlseela8w4d7uykg0lsgm3pjpqk78fc4w0vlx)

Wenn Ihr Geld aktuell knapp ist – behalten Sie es bitte. Niemand muss zahlen, um kritisch informiert zu bleiben. Mir ist es wichtig, dass jeder hier mitlesen kann – ohne Ausnahme. Gleichzeitig bin ich umso dankbarer für jede Unterstützung, die keinen Verzicht abverlangt. Jede Geste, ob groß oder klein, ist für mich ein wertvolles Geschenk und trägt mich weiter.

Dafür: Ein großes Dankeschön– von ganzem Herzen!

Meine neuesten Videos und Livestreams

Heute Bolz – morgen Sie? Warum diese Hausdurchsuchung ein gezieltes Warnsignal an uns alle ist

Real-Satire pur: Von der Leyen lobt Freiheit – und vor ihren Augen nimmt Polizei Kritiker fest

EXKLUSIV: Staatsanwaltschaft leugnet Tod einer 17-Jährigen – Regierung muss Verfahren einräumen

Gastbeiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine. Und ich bin der Ansicht, dass gerade Beiträge von streitbaren Autoren für die Diskussion und die Demokratie besonders wertvoll sind. Ich schätze meine Leser als erwachsene Menschen und will ihnen unterschiedliche Blickwinkel bieten, damit sie sich selbst eine Meinung bilden können.

Thomas Rießinger ist promovierter Mathematiker und war Professor für Mathematik und Informatik an der Fachhochschule Frankfurt am Main. Neben einigen Fachbüchern über Mathematik hat er auch Aufsätze zur Philosophie und Geschichte sowie ein Buch zur Unterhaltungsmathematik publiziert.

Bild: Screenshot Youtube

Bitte beachten Sie die aktualisierten Kommentar-Regeln – nachzulesen hier. Insbesondere bitte ich darum, sachlich und zum jeweiligen Thema zu schreiben, und die Kommentarfunktion nicht für Pöbeleien gegen die Kommentar-Regeln zu missbrauchen. Solche Kommentare müssen wir leider löschen – um die Kommentarfunktion für die 99,9 Prozent konstruktiven Kommentatoren offen zu halten.

Mehr von Thomas Rießinger auf reitschuster.de

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert