Klimaneutralität im Grundgesetz? Umweltminister verwechselt Wunschdenken mit Verfassungsrecht

Ein Gastbeitrag von Thomas Rießinger

Im Rahmen einer Veranstaltung mit dem klingenden Namen „Lesekompetenz im Sinkflug – Gefahr für den Wirtschaftsstandort Deutschland?“ war man sich einig: „25 % der Viertklässler können nicht mehr sinnentnehmend lesen, das ist aus unserer Sicht alarmierend“, so hieß es, und „44 % der Auszubildenden haben oft Mängel im mündlichen und schriftlichen Ausdrucksvermögen.“ Das seien katastrophale Befunde.

Was die Mängel im mündlichen Ausdrucksvermögen betrifft, so scheinen sie im politischen Bereich kein allzu starkes Hindernis darzustellen, wie das Beispiel des einstigen Gesundheitsministers Karl Lauterbach beweist. Und auch die Schwierigkeiten, den Inhalt eines Textes zu verstehen, werden im Hinblick auf Politiker und Journalisten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks vielleicht etwas überschätzt – nicht, weil sie nicht bestünden, ganz im Gegenteil: weil sie bei der Ausübung des eigenen Berufs äußerst hilfreich sein können, da man sich mit einer abweichenden Auffassung nicht auseinandersetzen muss, wenn man sie erst gar nicht versteht.

Werfen wir einen Blick auf ein kleines Beispiel, nämlich die Äußerungen des Ministers für Umwelt, Klimaschutz, Naturschutz und nukleare Sicherheit, Carsten Schneider mit Namen, zur Klimaneutralität. Zunächst aber mag es sich lohnen, seinen Lebenslauf ins Auge zu fassen, um sich ein Bild von seiner Qualifikation machen zu können. Bankkaufmann hat er gelernt, das ist nichts Schlimmes, obwohl Jens Spahn der gleichen Profession entstammt, und dann tatsächlich im Jahre 1998 in seinem Beruf gearbeitet. Danach nie wieder. Denn im Herbst 1998 wurde er im zarten Alter von 22 Jahren in den Bundestag gewählt, den er seither nicht mehr verlassen hat; mehr als die Hälfte seines bisherigen Lebens hat er als Bundestagsabgeordneter gefristet.

Das qualifiziert selbstverständlich für das Amt des Bundesministers für Umwelt, Klimaschutz, Naturschutz und nukleare Sicherheit, und in dieser Eigenschaft hat er dem rbb kürzlich seine Rechtsauffassung zum Thema Klimaneutralität mitgeteilt; Nius hat sie dankensweterweise dokumentiert. Auf die einleitenden Worte der Fragestellerin, man habe den Eindruck, dass der Rückhalt in der Bevölkerung und in der Politik für den Klimaschutz schmelze, was in Anbetracht der Lage von Unternehmen vielleicht verständlich sei, und auf die Frage, ob es tatsächlich richtig sei, „langsamer zu machen bei der Transformation“, antwortet der Minister: „Wir haben ein klares Ziel: In Deutschland gelten ja noch die Gesetze, und im Grundgesetz steht 2045 Klimaneutralität, in Europa 2050 – das sind 25 Jahre, die wir dann noch haben. Und das ist eine Zeit, die man gut darstellen kann.“

Ich will mich nicht darüber aufhalten, dass man den Zeitraum von 25 Jahren „gut darstellen kann“ – das ist nicht so schwer, man muss nur die Zahlen von 1 bis 25 an eine gerade Linie schreiben. Auch dass er sich an das Grundgesetz halten will, ist löblich, während der sonderbaren PCR-Pandemie war man da nicht so kleinlich. Das Problem ist nur: Im Grundgesetz steht das nicht. Offenbar bezieht er sich auf den recht neuen Artikel 143h des Grundgesetzes, in dem das vielgeliebte Sondervermögen eingeführt wurde. Dort heißt es: „Der Bund kann ein Sondervermögen mit eigener Kreditermächtigung für zusätzliche Investitionen in die Infrastruktur und für zusätzliche Investitionen zur Erreichung der Klimaneutralität bis zum Jahr 2045 mit einem Volumen von bis zu 500 Milliarden Euro errichten. …. Zuführungen aus dem Sondervermögen in den Klima- und Transformationsfonds werden in Höhe von 100 Milliarden Euro vorgenommen. Das Nähere regelt ein Bundesgesetz.“ Die ausgelassenen Stellen sind hier nicht relevant, sie beziehen sich nur auf die Frage, was „zusätzlich“ bedeuten soll, und stellen klar, dass die Schuldenbremse für diese Kreditaufnahme nicht gilt.

Was sagt uns das? Es sagt uns, dass der Bund ein Sondervermögen „für zusätzliche Investitionen zur Erreichung der Klimaneutralität bis zum Jahr 2045“ errichten kann. Man könnte auch ein Sondervermögen für Investitionen zur Erreichung der Klingbeilneutralität bis 2030 beschließen, indem man den Bau einer Rakete fördert, mit der Lars Klingbeil problemlos den Mars erreichen kann – aber damit ist die Rakete noch nicht gebaut, sondern nur das Ausgeben von Geld beschlossen. Ebenso ist es möglich, ein Sondervermögen ins Grundgesetz aufzunehmen für zusätzliche Investitionen zur Erreichung gesteigerter Intelligenz unter Politikern – aber davon werden die Politiker nicht intelligenter, es wird nur mehr Geld verschleudert. Indem man das Grundgesetz mit Investitionen für ein bestimmtes Ziel belastet, hat man nicht beschlossen, dass dieses Ziel auch erreicht werden muss, sondern eben nur, dass man noch mehr Geld für noch mehr Unsinn zum Fenster hinauswirft. Man kann daraus nicht die Forderung tatsächlicher Klimaneutralität im Jahr 2045 begründen und auch nicht den Umzug von Lars Klingbeil auf den Mars oder die Intelligenzverbesserung unserer Politiker, sondern nur die Forderung nach Geld und noch mehr Geld. Ob das Ziel, unsinnig oder nicht, dann erreicht wird, bleibt offen.

Aber nicht überall, denn in dem nicht allzu bekannten Bundes-Klimaschutzgesetz werden in §3 die nationalen Klimaschutzziele beschrieben, und in Absatz 2 liest man: „Bis zum Jahr 2045 werden die Treibhausgasemissionen so weit gemindert, dass Netto-Treibhausgasneutralität erreicht wird. Nach dem Jahr 2050 sollen negative Treibhausgasemissionen erreicht werden.“ Das ist es, was der Bankkaufmann Schneider gesucht hat. „Netto-Treibhausgasneutralität“ dürfte bei aller sprachlichen Hässlichkeit des Ausdrucks wohl das gleiche bedeuten wie „Klimaneutralität“, und somit steht da, dass Deutschland bis 2045 klimaneutral sein muss. Es steht jedoch nur in einem nicht weiter ungewöhnlichen Gesetz und nicht im Grundgesetz. Da nun aber sogar Bill Gates verstanden hat, dass man es mit der Klimahysterie nicht übertreiben sollte, ließe sich das ändern. Nicht im Grundgesetz, weil man für solche Änderungen Zwei-Drittel-Mehrheiten braucht, die in diesem Bundestag nicht zu bekommen wären – aber das macht nichts, denn im Grundgesetz ist das Ziel der Klimaneutralität bis 2045 ohnehin nicht vermerkt, sondern nur die Ermächtigung für Investitionen erteilt.

Ein einfaches Gesetz dagegen kann man auch mit einfacher Mehrheit ändern. Sicher nicht mit Unterstützung der SPD oder gar der Grünen. Sollte sich aber in der CDU im allgemeinen und bei Friedrich Merz im Besonderen auf verschlungenen Pfaden ein Weg zur Vernunft öffnen, dann könnten sie ein entsprechendes Gesetz zur Änderung oder gar Abschaffung des Bundes-Klimaschutzgesetzes einbringen und abwarten, was geschieht. Die Koalition wäre am Ende, das schadet nichts und wäre nur die offizielle Bestätigung des bereits jetzt erreichten Zustands. Mit der AfD will keiner reden, das schadet auch nichts; sie kann dem eingebrachten Gesetz auch zustimmen, ohne dass man mit ihr geredet hat. Formal wäre nicht einmal die noch immer so beliebte Brandmauer eingerissen, da es keinerlei Absprachen mit der AfD braucht, sondern nur die Hoffnung, dass man dort vernünftig reagiert.

Das absurde Ziel der deutschen Klimaneutralität bis 2045, das dem Ziel der Selbstaufgabe Deutschlands gleichkommt, steht also nicht im Grundgesetz und könnte problemlos mit üblicher Mehrheit aus dem Klimaschutzgesetz entfernt werden. Der Preis wäre die Aufgabe einer verunglückten Koalition, die keiner vermissen wird, außer den Insassen der staatlichen Dienstwagen.

Selbstverständlich werden sie dennoch an ihren Albernheiten festhalten. Talleyrand, ein so kluger wie skrupelloser Politiker der Napoleon-Zeit, hat dieses Verhalten schon damals beschrieben: „Treu bis in den Tod sind nur die Dummköpfe. Die Treue hat ihre Grenze im Verstand.“ Und sie werden der Klimareligion treu bleiben bis zum Ruin des Landes, da Verstand und Politik nicht immer auf der gleichen Seite stehen. „Die Dummheit von Regierungen sollte niemals unterschätzt werden“, sagte einst Helmut Schmidt.

Wie recht er doch hatte!

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Thomas Rießinger ist promovierter Mathematiker und war Professor für Mathematik und Informatik an der Fachhochschule Frankfurt am Main. Neben einigen Fachbüchern über Mathematik hat er auch Aufsätze zur Philosophie und Geschichte sowie ein Buch zur Unterhaltungsmathematik publiziert.

Bild: Screenshot Youtube

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