Von Christian Euler
Der immer wieder verlängerte Lockdown trifft die Gastronomie mit aller Wucht. Hilfe kommt, wenn überhaupt, oft zu spät. Frank und Sabine Goller haben schon vor dem zweiten Lockdown sämtliche Hygieneverordnungen umgesetzt. „Der Staat hat uns trotzdem über die Klinge springen lassen“, wettern die Betreiber der Gaststätte „Päusken“ in der Nähe von Gütersloh. Am 1. November durften sie letztmals ihre Gäste bewirten. „Wir können überhaupt nicht planen, seit Monaten stecken wir in einem Tunnel und sehen kein Licht am Ende. Das Jahr ist für uns schon gelaufen.“
Um ein Zeichen zu setzen, dass die Maßnahmen der Politik nicht verhältnismäßig sind, beschließt das Gastronomen-Paar: „Wir machen auf.“ Just am 1. April. Was an diesem Tag folgt, klingt wie ein Aprilscherz, ist aber im Land des gefühlt ewigen Lockdowns Realität.
Während die Stadt Rietberg mit Kaffee, Kuchen, Bier und Snacks in den Kletterpark einlädt, öffnen die Gollers um Punkt 11 Uhr den Außenbereich ihres Restaurants – unter Wahrung sämtlicher Corona-Auflagen. „Wir haben alles desinfiziert, Abstände eingehalten und die Kontaktverfolgung angewendet. Natürlich hatte unsere Servicekraft eine Maske“, betont die 54 Jahre alte Chefin. Allein die Desinfizierung der Kaffeemaschine und der Bierleitungen ließ sie sich 500 Euro kosten.
„Die Resonanz war großartig“, blickt Goller zurück. Etwa 60 Gäste besuchen das „Päusken“ in den darauffolgenden Stunden. Es ist nicht nur das schöne Wetter, dass sie von früher träumen lässt, als die Gastronomie-Welt noch in Ordnung war. Doch das gesellige Treiben stieß nicht uneingeschränkt auf Gegenliebe. Schon um 14 Uhr gibt es erstmals unangemeldeten Besuch vom Ordnungsamt. Dessen Mission: die Schließung des Biergartens. Als sich die Betreiber weigern, ziehen die Beamten wieder ab – um zwei Stunden später erneut zurückzukehren. Doch Sabine und Frank Goller geben sich einmal mehr kämpferisch und zeigen erneut die gelbe Karte. Wieder ein Punktsieg, die Kontrolleure verlassen den Biergarten.
Kein Vorschlag zur Güte
Nur 30 Minuten später wendet sich das Blatt. Eine Armada aus 14 bewaffneten Polizisten, vier Beamten des Ordnungsamts, dem Rechtsbeistand der Stadt und dem Bürgermeister lassen keine Zweifel, wer die Macht im Staate hat. Der Ton ist wenig freundlich, teils primitiv: „Ihr seid eh gegen mich und ihr seid mir Latte“, zitiert Sabine Goller den Bürgermeister, der es immerhin „bedauert, dass wir dazu gezwungen wurden.“ Einer der Ordnungshüter behauptet, dass er nie wieder im „Päusken“ essen gehen wird. Außerdem entziehe er den Wirten die Konzession.
Es kommt zu Handgreiflichkeiten. Sohn Benjamin kommt hinzu und will die surreale Szene filmen – ein Dorn im Auge der Polizisten, die nachdrücklich darauf hinweisen, dies zu unterlassen. Als der 29-jährige Junior das Smartphone in die Tasche steckt, stürzen vier bewaffnete Polizisten auf ihn, stellen ihn an die Wand und entreißen es ihm mit Gewalt. Wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt ist ein Verfahren gegen ihn eingeleitet worden.
Einen Vorschlag zur Güte gibt es nicht – im Gegenteil: Um eine nochmalige Öffnung unmöglich zu machen, holt das Ordnungsamt den örtlichen Bauhof ins Boot. Dort, wo sonst Baumaterial und -maschinen der Baubetriebe und Verwaltungen untergebracht sind, lagern nun die Tische und Stühle des Biergartens.
Der aberwitzige Aprilscherz wird ein Nachspiel haben. Bei Verstößen gegen die Corona-Verordnungen könnte laut Bußgeldkatalog eine Strafe von 5000 Euro fällig werden. Auch ein Entzug der Lizenz ist nicht ausgeschlossen. Nach dem Infektionsschutzgesetz wäre bei einer erwiesenen Ansteckung durch die Öffnung selbst eine Freiheitsstrafe möglich. Doch dies scheint wenig realistisch.
„Wir werden mit Sicherheit keine Strafe zahlen, im Zweifel ziehen wir bis zum Europäischen Gerichtshof“, gibt sich das Betreiber-Paar Goller siegessicher. Ihre kurzzeitige Wiedereröffnung mit Folgen bereuen sie nicht: „Sonst hört uns doch keiner zu.“
Bilder: Shutterstock (Symbolbilder)
Text: ce
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