Die Bauernhöfe und die traditionelle Landwirtschaft würden gezielt zerstört, „sie sterben weg wie die Fliegen“, klagte Anthony Lee, Landwirt und Sprecher des Vereins „Landwirtschaft verbindet Deutschland e.V.“, im Dezember im Interview mit mir. Allein in der Schweinemast mussten demnach im vergangenen Jahr 2.000 Betriebe schließen: „Sie legen pro Schwein, das Sie abliefern als Landwirt, 45 bis 50 Euro dazu. Da geht es nicht mehr ums Geldverdienen, sondern nur noch ums Überleben.“
An dieses Interview musste ich denken, als mir heute ein Freund einen Link auf folgenden Artikel in der „Welt“ zuschickte: „Fleisch: So erhöht Özdemir Deutschlands Import-Abhängigkeit“. Weiter heißt es in dem Bericht: „Die Fleischwirtschaft läuft Sturm gegen die Pläne des Landwirtschaftsministers. Er will die Schweinehaltung in Deutschland umbauen. Befürchtet werden ein Hofsterben und neue Abhängigkeiten vom Ausland. Am Ende werde Fleisch produziert, das im Supermarkt kaum jemand kauft.“
Und vor allem Fleisch, bei dessen Herstellung auf die im Inland immer strengeren Regeln gepfiffen werden kann. In meinen Augen ist das die gleiche Schizophrenie wie beim Thema Atom: Bei uns werden die sichersten Atommeiler der Welt abgeschaltet, dafür importieren wir Atomstrom aus weniger sicheren Kernkraftwerken etwa in Belgien und Frankreich. Wo zudem neue Atommeiler gebaut werden, um den wachsenden Exportbedarf nach Deutschland zu decken. Eine Quadratur des (Logik-)Kreises.
Fernab der Realität
Jetzt scheint also der gleiche Wahnsinn, die gleiche Quadratur des (Logik-)Kreises beim Thema Schwein Einzug zu halten. Offiziell klingt alles wunderbar, wie beim Atomstrom. „Minister Özdemir will die Branche zu mehr Tierwohl drängen und dafür bis 2026 eine Milliarde Euro als Anschubfinanzierung zur Verfügung stellen“, schreibt die „Welt“. Die geplanten Mittel sind allerdings an Bedingungen geknüpft, die laut Bauernpräsident Joachim Rukwied im Widerspruch zur ökonomischen Realität stehen.
„Das, was die Höfe betriebswirtschaftlich brauchen, wird ausgeschlossen“, beklagt der Verbandschef laut „Welt“ und rechnet vor: „Wer eine Schweinemast ökonomisch sinnvoll betreiben will, benötigt rund 1500 Liegeplätze, um einen Mitarbeiter finanzieren zu können. Bei ungefähr 2,7 Mastdurchgängen pro Jahr ist man dann bei mehr als 4000 erzeugten Schweinen.“ Das sei unrealistisch.
„Wir werden überhaupt nicht mitgenommen“, schimpft ein betroffener Landwirt, Wilhelm Hellmanns, Ferkelzüchter in der vierten Generation, den die „Welt“ zitiert, ganz im Gleichklang mit Bauern-Aktivisten Lee, den ich interviewt habe: Längst gebe es nur noch eine ideologisch geprägte Sichtweise auf die Schweinehaltung. Die entspreche aber weder der Lebenswirklichkeit noch dem Konsumverhalten in Deutschland.
„Es gibt gar keinen Markt für die Art von Fleisch, die bei diesen Plänen am Ende rauskommt“, sagt Bauer Hellmanns laut „Welt“. Es sei völlig unstrittig, dass sich die Landwirtschaft weiterentwickeln muss. „Dazu sind wir auch bereit. Aber die Frage ist, wie radikal der Schritt am Ende ist. Und ich verwehre mich gegen den Vorwurf, dass alle Schweinehalter Tierquäler sind.“ Das aber schwinge mittlerweile in jedem Satz mit.
Unzuverlässige Politik
Die in den vergangenen Jahren von der sogenannten Borchert-Kommission entwickelten Zukunftsperspektiven für die Tierhaltung in Deutschland würden über den Haufen geschmissen, obwohl dies uns von der Politik anders versichert wurde, so der Bauer Hellmanns: Die Kriterien seien einfach wieder verändert worden. Damit fehle „jegliche politische Verlässlichkeit“.
Stand jetzt hat sich die Zahl der Betriebe auf knapp 17.000 reduziert, so die „Welt“: „Das aber ist gefährlich, warnt Bauer Hellmanns. Denn mit jedem verlorenen Hof sinke die Selbstversorgerquote. ‚Schweinefleisch kommt dann in Zukunft aus dem Ausland. Und keiner weiß, wie es dort produziert wird. Denn die Regeln, die uns die Politik vorgibt, haben für Importware keine Gültigkeit.‘“
Womit wir beim Atom-Phänomen sind. Die Befürchtung von Hellmanns teilt auch der Verband der Fleischwirtschaft (VDF). „Deutschland verabschiedet sich aus der Eigenversorgung“, sagt der VDF-Vorsitzende Heiner Manten im Gespräch mit der „Welt“: „Denn die Gesetzentwürfe des Landwirtschaftsministeriums würden nichts anderes bedeuten als eine von der Bundesregierung offenbar beabsichtigte Stilllegung der Schweinehaltung.“
Zerstörer Özdemir?
Manten geht so weit, die Özdemir-Pläne als „Abrissbirne für die Tierhaltung“ zu bezeichnen. Die „Welt“ zitiert den Landwirt Tobias Göckeritz aus Steimbke im Landkreis Nienburg/Weser: „Ich sage voraus, dass in einigen Jahren die Ferkel alle aus dem Ausland kommen“. Das bestätigt dem Bericht zufolge auch Agrarexperte Christian Janze. „Wir sehen sehr deutliche Verbraucherreaktionen beim Thema Zahlungsbereitschaft“, sagt der Partner bei der Beratungsgesellschaft EY der „Welt“: „Das gesamte Marktumfeld sei dementsprechend von großer Unsicherheit geprägt, zumal Investitionen in neue Ställe langfristig angelegt sein müssen.“
Der Selbstversorgungsgrad bei Schweinefleisch werde von aktuell schon nur noch 70 Prozent allein 2023 auf 65 Prozent sinken, schätzt der Verband der Fleischwirtschaft (VDF). „Wir sehen ein Abwandern der Produktion ins Ausland“, beklagt Verbandschef Manten gegenüber der „Welt“: „Ausländisches Fleisch ist nicht kennzeichnungspflichtig und entzieht sich damit dem gewünschten Vergleich der Haltungsformen.“
Ochsen statt Trecker
Die Landwirte seien heute die Prügelknaben der Nation; an allem seien sie schuld, selbst am Bienensterben, hatte Bauernaktivist Lee im Interview mit mir geklagt: „Es kann nicht sein, dass unsere Kinder heute in der Schule gemobbt werden, dass man ihnen sagt: Du kommst ja von den bösen Bauern!“, so Lee: „Ich habe die ganze Welt bereist. Das gibt es nur in Deutschland! Aber das machen wir jetzt nicht mehr mit!“ Er kenne kein anderes Land, in dem „das so irre ist“. Dabei seien die Folgen des Bauernhof-Sterbens dramatisch: „Stirbt der Bauer, stirbt das Dorf.“
Der Grund für den Krieg gegen die Landwirtschaft sei „ideologischer Wahnsinn“, glaubt der eloquente Landwirt: „Man will hier ein Bullerbü schaffen, man will sich ein Märchenland schaffen und wo Produkte herkommen, ist den politischen Akteuren völlig egal.“ Die Grünen wollten uns um hundert Jahre zurückwerfen und wünschten sich offenbar, dass die Landwirte „statt mit dem Trecker mit dem Ochsen“ pflügen würden. Es werde gezielt gelogen. Er verstehe nicht, warum die „nicht-grünen“ Parteien all das mitmachen.
Hier geht es direkt zu dem Interview mit Anthony Lee auf Youtube.
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