Ein Gastbeitrag von Roland Wiesendanger.
Die gegenwärtige Pandemie hat uns gelehrt, welche verheerenden Auswirkungen es haben kann, wenn Krankheitserreger extrem leicht von Mensch zu Mensch übertragbar werden, selbst wenn die Sterblichkeitsrate bedingt durch das Virus lediglich im Bereich von einem Prozent oder darunter liegt. Im Rahmen der sogenannten „Gain-of-function“-Forschung werden seit mindestens zehn Jahren gefährliche Krankheitserreger wie Vogelgrippe-Viren oder SARS-artige Viren an menschliche Zellen angepasst, womit ein enorm hohes Risiko für den Ausbruch weltweiter Pandemien verbunden ist. Solche Forschungsvorhaben werden weiterhin – zum Teil mit öffentlichen Geldern – finanziert und dies noch mit sehr viel gefährlicheren Viren, teilweise mit Tödlichkeitsraten oberhalb von 50 Prozent! Ein Virologe eines angesehenen US-amerikanischen Forschungsinstituts hat das Gefahrenpotential jüngst wie folgt in einem Satz prägnant zusammengefasst:
„This pandemic is nothing compared to what comes when we get Nipah or Ebola on air.”
Es liegt in der Verantwortung der Wissenschaftler und der Medien weltweit, auf dieses riesige Gefahrenpotential hinzuweisen und Politiker wie auch die Gesellschaft als Ganzes zu sensibilisieren. Eine Gruppe von Wissenschaftlern aus den verschiedensten Fachdisziplinen sowie aus zahlreichen Ländern Europas, Amerikas, Asiens und aus Neuseeland wendet sich daher nun mit der nachfolgenden „Hamburger Erklärung 2022“ an die Weltgemeinschaft, mit dem Ziel der sofortigen Beendigung der „Gain-of-function“-Experimente mit für Menschen gefährlichen Krankheitserregern. Diese Erklärung ist im Geiste der Göttinger Erklärung von 1957 entstanden, welche auf das Gefahrenpotential durch atomare Waffensysteme aufmerksam machte.
Hamburger Erklärung 2022
Im Bewusstsein des Auftrags und der Verantwortung von Wissenschaft und Forschung, dem Wohle der Menschheit zu dienen, nach Wahrheit zu streben und die gewonnenen Erkenntnisse der breiten Bevölkerung zu vermitteln, möchten die Unterzeichner dieser Erklärung auf eine große Bedrohung für das menschliche Dasein aufmerksam machen, welche sich in den vergangenen Jahren durch neuartige biotechnische Verfahren zur Veränderung gefährlicher Krankheitserreger ergeben hat.
Durch die sogenannte „Gain-of-function“-Forschung werden natürlich vorkommende Viren durch Veränderungen der Gensequenz so angepasst, dass ihr Andocken an und Eindringen in menschliche Zellen erleichtert wird. Dadurch entsteht ein enormes Potential einer Pandemie, auf welches verantwortungsvolle Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen in den vergangenen zehn Jahren immer wieder hingewiesen haben. Solche Forschungsarbeiten wurden in den letzten Jahren an verschiedenen hochgefährlichen Krankheitserregern wie Vogelgrippeviren und SARS-artigen Coronaviren durchgeführt, was in der Fachliteratur dokumentiert ist. Viele dieser Arbeiten entstanden auch im Rahmen öffentlich geförderter Forschungsprojekte.
Die gegenwärtige Corona-Pandemie zeigt klar, was es heißt, wenn Krankheitserreger extrem leicht von Mensch zu Mensch übertragbar sind. Wir haben weltweit Millionen von Verstorbenen zu beklagen und Milliarden von Menschen sind in ihrer Existenz bedroht oder haben diese gänzlich verloren. Der enorme Schaden für die Menschheit entstand, obwohl die Sterblichkeitsrate des SARS-CoV-2-Virus lediglich im Prozentbereich liegt. Es gibt Hinweise darauf, dass in diversen Biotechnologielaboren der Welt sehr viel gefährlichere Viren wie MERS-, Ebola- oder Nipah-Viren gentechnisch manipuliert werden. Der Ausgang solcher Experimente ist oftmals schwer oder gar nicht vorhersagbar. Kein Biotechnologielabor der Welt ist jedoch sicher genug, um einen Austritt solch gentechnisch veränderter Viren garantiert ausschließen zu können. Ein Katastrophenfall könnte für einen substanziellen Anteil der Weltbevölkerung tödlich enden, insbesondere, wenn eine Übertragbarkeit hochgefährlicher Viren über die menschlichen Atemwege durch gentechnische Veränderungen erleichtert wird.
Wir als Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen sind uns der Bedeutung der Freiheit von Wissenschaft und Forschung bewusst. Dennoch appellieren wir an alle Politiker und Politikerinnen der Welt, dafür Sorge zu tragen, diese „Gain-of-function“-Forschung an Krankheitserregern mit weltweitem Pandemie-Potential umgehend zu beenden. Das mit dieser Forschung einhergehende Risiko und das Potential der Auslöschung großer Teile der Weltbevölkerung sind nicht weiter verantwortbar. Wir fordern, dass der Stopp durch eine unabhängige internationale Aufsichtsbehörde kontrolliert und kontinuierlich überwacht wird.
Unabhängig von der Staats- und Regierungsform der Länder dieser Erde muss es das Anliegen jeder verantwortungsvoll handelnden Führungspersönlichkeit sein, zum Wohle der Bevölkerung des eigenen Landes, aber auch der Menschheit als Ganzes beizutragen. Der Mensch hat gelernt, in die molekularen Grundbausteine des Lebens einzugreifen. Daraus ergeben sich viele Chancen zur Verbesserung menschlichen Lebens, aber auch eine große Verantwortung zum Erhalt der Schöpfung. Nehmen wir diese Verantwortung ernst, bevor es zu spät ist.
Roland Wiesendanger, Prof. Dr. Dr. h.c., Nanoscientist, University of Hamburg, Germany (Organizer)
Hiroshi Arakawa, Dr., Institute of Molecular Oncology, IFOM, Milan, Italy
Ute Bergner, Dr., Physicist, Jena, Germany
Valentin Bruttel, Dr., Immunologist, University of Würzburg, Germany
Lounes Chikhi, Dr., Population Geneticist, CNRS, Toulouse University, Paul Sabatier, France
Jean-Michel Claverie, Prof. Dr., Dept. of Medicine, Aix-Marseille University, Marseille, France
Fabien Colombo, Communication and Sociology of Science, Université Bordeaux Montaigne, France
Malcolm Dando, Prof. Dr., Section of Peace Studies and International Development, University of Bradford, United Kingdom
Étienne Decroly, Prof. Dr., Member of the Board of Directors of the French Virology Society, CNRS Director of Research, AFMB lab, UMR7257, Aix Marseille Université, Marseille, France
Gilles Demaneuf, Engineer and Data Scientist, Auckland, New Zealand
Richard Dronskowski, Prof. Dr., Institute of Inorganic Chemistry, RWTH Aachen, Germany
Lucia Dunn, PhD, Professor of Economics, The Ohio State University, Columbus, USA
Frank Fehrenbach, Prof. Dr., Faculty of Humanities, University of Hamburg, Germany
André Goffinet, Prof. Dr., Neurobiology, University of Louvain, Belgium
Ingrid Gogolin, Prof. Dr. Dr. h.c. mult., Department of General, Intercultural and International Comparative Education & Educational Psychology, University of Hamburg, Germany
Mai He, Prof. Dr., School of Medicine, Washington University, St. Louis, USA
Martina Hentschel, Prof. Dr., Institute of Physics, TU Chemnitz, Germany
Michael Hietschold, Prof. Dr., Institute of Physics, TU Chemnitz, Germany
Burkard Hillebrands, Prof. Dr., Dept. of Physics, TU Kaiserslautern, Germany
Florence Janody, Dr., i3S-Institute for Research and Innovation in Health, University of Porto, Portugal
Bernd Kaina, Prof. Dr., Institute of Toxicology, University of Mainz, Germany
Hideki Kakeya, Prof. Dr., School of Science and Technology, University of Tsukuba, Japan
Bernd Kretschmer, Dr. h.c., Physicist, Freiburg i. Brsg., Germany
Franz Kreupl, Prof. Dr., Dept. of Electrical and Computer Engineering, TU Munich, Germany
Jonathan Latham, PhD, Executive Director, The Bioscience Resource Project, Ithaca, New York, USA
Milton Leitenberg, Senior Research Fellow, Center for International and Security Studies, University of Maryland, USA
Alexander Lerchl, Prof. Dr., Biology and Ethics of Science & Technology, Jacobs University Bremen, Germany
Steven Massey, Prof. Dr., Dept. of Biology, University of Puerto Rico, San Juan, Puerto Rico
Paul-Antoine Miquel, Prof. Dr., Contemporary Biology, Toulouse 2 University, France
Sven-Olaf Moch, Prof. Dr., II. Institute of Theoretical Physics, University of Hamburg, Germany
Michael Morrissey, Dr., Lecturer for English Studies, University of Kassel, Germany
Peter Oppeneer, Prof. Dr., Dept. of Physics and Astronomy, Uppsala University, Sweden
Anja Pistor-Hatam, Prof. Dr., Faculty of Arts and Humanities, University of Kiel, Germany
Steven Quay, MD, PhD, Former Facility, Stanford University School of Medicine, USA
Monali Rahalkar, Dr., Microbiologist, Agharkar Research Institute, Pune, India
Bahulikar Rahul, Dr., Plant Genetics and Taxonomy Expert, Development Research Foundation, Pune, India
Jürgen Schmitt, Prof. Dr., Dept. of Physics, University of Hamburg, Germany
Nariyoshi Shinomiya, Prof. Dr., President of the National Defense Medical College, Saitama, Japan
Michael Stuke, Prof. Dr., Max Planck Institute for Biophysical Chemistry, Göttingen, Germany
Günter Theißen, Prof. Dr., Geneticist, University of Jena, Germany
André Thess, Prof. Dr., Engineering Sciences, University of Stuttgart, Germany
Ronny Thomale, Prof. Dr., I. Institute of Theoretical Physics, University of Würzburg, Germany
Michael Thorwart, Prof. Dr., I. Institute of Theoretical Physics, University of Hamburg, Germany
Rémi Tournebize, Dr., Genetics and Human Evolutionary Biology, Instituto Gulbenkian de Ciência, Oeiras, Portugal
Frank Wilhelm, Prof. Dr., Clinical Psychology, University of Salzburg, Austria
Allison Wilson, PhD, Science Director, The Bioscience Resource Project, Ithaca, New York, USA
Michael Winklhofer, Prof. Dr., Institute for Biology and Environmental Sciences, University of Oldenburg, Germany
Gastbeiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine. Und ich bin der Ansicht, dass gerade Beiträge von streitbaren Autoren für die Diskussion und die Demokratie besonders wertvoll sind. Ich schätze meine Leser als erwachsene Menschen, und will ihnen unterschiedliche Blickwinkel bieten, damit sie sich selbst eine Meinung bilden können.
Prof. Dr. Roland Wiesendanger ist Physiker an der Universität Hamburg.
Bild: ShutterstockText: Gast