Zeitreisen mit Plumpsklo „Wir verstehen diese Toiletten als ein Portal in die Zukunft“

Von Ekaterina Quehl
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Über den russischen Zaren Peter der Große ist immer noch der Spruch geläufig, dass er mit der Gründung von St. Petersburg ein Fenster nach Europa geschaffen hat. Für den Bau der Stadt hat er Architekten, Künstler und Baumeister aus ganz Europa eingeladen, damit sie eine moderne und entwickelte Stadt bauen.

Neben seinen zahlreichen wirtschaftlichen, politischen und militärischen Reformen hat er auch eine Reihe kultureller Änderungen eingeführt. Er hat das europäische Kalendersystem eingeführt, Bildungspflicht für den Adel und eine erste, einfache, bürgerliche Schriftsprache. Adlige Männer mussten ihre Bärte abrasieren und sich an Verhaltensregeln gewöhnen – zum Beispiel beim Essen nicht in der Nase zu bohren und nicht in die Tischdecke zu schneuzen.

In der Sowjetzeit ließ sich der Fortschritt in meinem Heimatland nicht aufhalten.

„Kommunismus – das ist die sowjetische Macht plus Elektrifizierung des ganzen Landes“,
„Spinnerinnen und Weberinnen! – Nach der Arbeit – Duschen!“,
„Schmutzige Hände führen zu Krankheit!“

Plakate mit solchen Parolen waren überall in der Öffentlichkeit zu sehen. Auch wenn der Fortschritt in der Sowjetunion auf allen Ebenen und mit allen Mitteln vorangetrieben wurde, so war es schlicht nicht möglich, unter damaligen Bedingungen all diesen Parolen zu folgen.

Strohmehl statt Spülung

So hatte meine Oma auf ihrem kleinen Grundstück in der Nähe von dem damaligen Leningrad immer noch keine Wasserleitung, ein Garten-Toilettenhäuschen mit Strohmehl statt Spülung und zum Händewaschen einen urigen Wasserspender.

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Als ich sie als Kind vor 30 bis 40 Jahren in den Ferien besucht habe, war es immer ein besonderer Spaß, diese Toilette zu besuchen. Da meine Oma auch keine Dusche hatte, musste ich damals meine täglichen Hygiene-Rituale in einem emaillierten Becken erledigen und einmal in der Woche mit ihr in die Banja gehen – heute der Begriff für russische Sauna, damals der Waschort wahrscheinlich für 90 Prozent aller sowjetischen Menschen.

Für 20 Kopeken und ein, zwei Stunden Wartezeit in einer riesigen Schlange konnte man in den Genuss von all den fortschrittlichen Entwicklungen, wie etwa heißes Wasser aus dem Hahn oder einer kalten Dusche, kommen. Trotz Trennung in Männer-Frauen-Säle bzw. -Tage und Verleih von „sauberen“ Tüchern konnte die Hygiene mit dem technologischen Fortschritt in der Sowjetunion nicht mithalten. Läuse, Hautentzündungen und Fußpilze waren nur ein kleiner Teil der Mitbringsel, die man sich „wieder aus der Banja“ – wie man damals überall das unhygienische Übel ironisierte – holen konnte.

Zukunftsreisen für Senioren

In meinen letzten 20 Jahren in Deutschland hatte ich natürlich solche Verhältnisse niemals erlebt. Zwar ertappte ich mich gelegentlich beim Gefühl der Ekel, wenn ich mal in Berlin eine öffentliche Toilette besuchen oder mich an einem Haltegriff in der Bahn halten muss. Aber vor dem Hintergrund all der Millionen-Ausgaben für Desinfektionsmittel, Mundschutz, 1,5-Meter-Abstand-Regel und sonstigen Hygiene-Vorschriften, die noch vor kurzer Zeit als das heilige Überlebensmantra an jeder öffentlichen Tür hingen, könnte ich doch bestimmt sicher sein, dass mein Bestreben nach einfacher Hygiene zuverlässig erfüllt wird. Der Fortschritt in Deutschland ist wirklich bemerkenswert und ist bestimmt von anderen Ländern nicht einfach aufzuholen.

So musste ich gestern beim Tagesspiegel lesen, dass in Berlin sogar ein „Portal in die Zukunft“ gebaut wurde. Genau genommen sogar 24 Portale. Unglaublich, dachte ich, der Traum der Menschheit geht in Erfüllung!

Die Portale in die Zukunft sind an öffentlichen Stellen verschiedener Berliner Bezirke aufgestellt und sind selbstverständlich klimafreundlich, barriererefrei und geschlechterneutral. Zwar kann man durch das Portal nur einen bestimmten Lebensbereich unserer Zukunft besuchen – nämlich den Toilettengang – aber für 1,7 Millionen Euro, die für das Projekt allein in diesem Jahr vorgesehen wurden, ist es doch schon sehr viel.

„Die Parktoiletten sind nicht nur barrierefrei und kostenlos, sondern auch ‚autark‘, kommen also ohne Wasseranschluss und Strom aus. ‚Gespült‘ wird in der Trockentoilette nicht mit Wasser, sondern mit Strohmehl, für Beleuchtung sorgen ein Solarpanel und ein Bewegungsmelder“, so der Tagesspiegel.

Die Portale seien in der ersten Linie für Senioren gedacht. Auf diese wunderbare Weise bekommen ältere Menschen eine einmalige Chance, schon heute einen Blick in unsere schöne neue Welt der Zukunft zu werfen.

„Die Trockentoilette der Eberswalder Firma Finizio beherbergt zwei Möglichkeiten, sich zu erleichtern. Die Sitztoilette trennt direkt Flüssiges von Festem. Durch Drehen an einem Rädchen rieselt Strohmehl aufs große Geschäft und neutralisiert damit unangenehme Gerüche oder Anblicke. Das eingebaute Urinal wiederum will geschlechtergerecht sein. Es ist niedriger als herkömmliche Pissoirs und schmaler, sodass auch Frauen es nutzen können“, berichtet das Blatt.

Synergien mit menschlichen Fäkalien

Doch die innovativen Toiletten bieten nicht nur Zukunftsreisen an. Sie sind dazu noch ein einmaliges Recycling-Projekt. Denn die Hinterlassenschaften bleiben in der Gegenwart und können somit verarbeitet werden: „Einmal täglich werden alle 24 Toiletten gesäubert und kontrolliert. Die menschlichen Fäkalien werden dann nach Eberswalde gebracht, wo man versucht, durch Kompostierung einen ‚Superdünger‘ herzustellen“, so der Tagesspiegel. Ist es nicht eine Win-Win-Situation für Zukunftsreisende und Klimafreund:innen?

Doch auch das ist noch nicht das gesamte Leistungsspektrum, welches dieses einzigartige Projekt anbietet. Die Standorte der 24 Toiletten kann man künftig in der App „Berliner Toilette“ finden – die besonders für Berliner Senioren, also die eigentliche Zielgruppe des Projekts – selbstverständlich ein zusätzlicher und sehr bequemer Service ist.

„Wir verstehen diese Toiletten als ein Portal in die Zukunft“, erklärte Finizio-Geschäftsführer Florian Augustin dem Tagesspiegel.

So sehe ich das natürlich auch. Da man aber mit dem Portal offensichtlich auch meine Oma und ihr wunderbares Garten-Klo besuchen kann, würde ich, was die Zeit angeht, hier eine kleine Korrektur vorschlagen. Es geht nicht in die Zukunft, sondern in die Vergangenheit.

Auch sehe ich bei dem Projekt eine Reihe von Synergien. Zum Beispiel im Bereich Gesundheit. Denn neben den 1,7 Millionen Euro Steuergeldern, die bereits für die Portale der Zukunft vorgesehen wurden, könnte man noch einige Millionen Euro in die Bewältigung von Nebeneffekten investieren, die mitreisende Passagiere wie Bakterien und sonstige Krankheits-Erreger bei so einer Zeitreise verursachen würden. Aber vielleicht haben wir noch einige Tonnen Desinfektionsmittel und sonstiger Hygiene-Produkte aus der Corona-Zeit irgendwo in Berliner Lagern. Dann käme noch ein Spar-Effekt hinzu. Was für ein vielseitiges, preiswertes und innovatives Projekt, liebes Berlin!

Meine Oma würde stolz sein!

Ausschreibung zur Fahndung durch die Polizei, Kontenkündigungen, Ausschluss aus der Bundespressekonferenz: Wer in Deutschland kritisch berichtet, sieht sich Psychoterror ausgesetzt. Und braucht für den Spott der rot-grünen Kultur-Krieger nicht zu sorgen. Ich mache trotzdem weiter. Auch, weil ich glaube, dass ich Ihnen das schuldig bin. Entscheidend fürs Weitermachen ist Ihre Unterstützung! Sie ist auch moralisch sehr, sehr wichtig für mich – sie zeigt mir, ich bin nicht allein und gibt mir die Kraft, trotz der ganzen Schikanen weiterzumachen! Ganz, ganz herzlichen Dank im Voraus für Ihre Unterstützung, und sei es nur eine symbolische!

Aktuell sind (wieder) Zuwendungen via Kreditkarte, Apple Pay etc. möglich – trotz der Paypal-Sperre: über diesen Link. Alternativ via Banküberweisung, IBAN: DE30 6805 1207 0000 3701 71. Diejenigen, die selbst wenig haben, bitte ich ausdrücklich darum, das Wenige zu behalten. Umso mehr freut mich Unterstützung von allen, denen sie nicht weh tut.

Mein aktuelles Video:

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Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine. Ich schätze meine Leser als erwachsene Menschen und will ihnen unterschiedliche Blickwinkel bieten, damit sie sich selbst eine Meinung bilden können.

Ekaterina Quehl ist gebürtige St. Petersburgerin, russische Jüdin, und lebt seit über 19 Jahren in Berlin. Pioniergruß, Schuluniform und Samisdat-Bücher gehörten zu ihrem Leben wie Perestroika und Lebensmittelmarken. Ihre Affinität zur deutschen Sprache hat sie bereits als Schulkind entwickelt. Aus dieser heraus weigert sie sich hartnäckig, zu gendern. Mit 27 kam sie nach einem abgeschlossenen Informatik-Studium nach Berlin und arbeitete nach ihrem zweiten Studienabschluss viele Jahre als Übersetzerin, aber auch als Grafikerin. Mittlerweile arbeitet sie für reitschuster.de.

Bild: Shutterstock

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