Zu häufiges Boostern schwächt das Immunsystem Europäische Arzneimittelagentur warnt vor zu häufigen Auffrischungsimpfungen

Von Daniel Weinmann

Wissenschaftler ändern ihre Aussagen bisweilen schneller, als das Narrativ der Maßnahmen-Hardliner verträgt. „Die derzeit verfügbaren Daten sprechen für eine sichere und wirksame Auffrischungsdosis bereits drei Monate nach Abschluss der Grundimmunisierung.“ So lautete die Auffassung des EMA-Direktors für Impfstrategie, Marco Cavaleri, noch am 9. Dezember.

Die Booster-Impfkampagne in Deutschland läuft seitdem auf Hochtouren – und die damit verbundene Frage lautete nur: Wie viele Auffrischungsimpfungen sind nach Meinung von Karl Lauterbach & Co. notwendig? Und: Wird es das Dreimonats-Impfabo geben?

Vergangene Woche hat der Gesundheitsminister einen wichtigen Unterstützer seiner Booster-Mania verloren. Denn die Europäische Arzneimittelagentur schlug auf ihrer Online-Pressekonferenz in Amsterdam gänzlich andere Töne an als noch im Dezember. Zu viele Booster könnten zu einer Überlastung des Immunsystems führen, postulierte die Behörde. „Wir sollten vorsichtig sein, das Immunsystem nicht mit immer neuen Impfungen zu überfordern“, mahnte Impfstratege Marco Cavaleri.

Von der Pandemie zur Endemie

Die Verwendung zusätzlicher Auffrischungsimpfungen könne zwar Teil von Notfallplänen sein – wiederholte Impfungen in kurzen Abständen stellten aber keine nachhaltige Langzeitstrategie dar. „Vorläufige Ergebnisse aus kürzlich veröffentlichten Studien zeigen, dass die Wirksamkeit des Impfstoffs gegen die symptomatische Krankheit bei Omikron deutlich reduziert ist und mit der Zeit abnimmt“, fügte Cavaleri hinzu.

Zudem bestehe die Gefahr, dass die Bevölkerung irgendwann „ermüde“ und die kontinuierlichen Auffrischungsimpfungen nicht mehr mitmachen wolle.

Im Gegensatz zu vor nicht einmal fünf Wochen empfiehlt die Europäische Arzneimittelagentur den Ländern, die Intervalle zwischen den Auffrischungsimpfungen zu verlängern und ihre Programme mit dem Beginn der Erkältungssaison zu koordinieren – ähnlich wie bei der Grippeimpfung. „Wir müssen darüber nachdenken, wie wir von der derzeitigen Pandemie zu einer endemischen Situation übergehen können“, unterstrich EMA-Abteilungsleiter Cavaleri.

Omikron als natürlicher Booster

Dabei fügte er etwas Hoffnungsvolles hinzu, das von Dauermahner Karl Lauterbach so wohl nie zu hören sein wird: Die rasante Ausbreitung der Omikron-Variante könne bald zu einer endemischen Lage führen. Und: Omikron würde wie ein „natürlicher Booster“ wirken.

Während die Bundesregierung also weiterhin im möglichst häufigen Impfen den einzigen Weg aus der Pandemie zu sehen scheint, erhält die EMA Schützenhilfe von der Weltgesundheitsorganisation.

Deren technische Beratergruppe für die Zusammensetzung des COVID-19-Impfstoffs (TAG-CO-VAC) warnte kürzlich, dass eine Impfstrategie, die auf wiederholten Auffrischungsimpfungen der ursprünglichen Impfstoffzusammensetzung aufbaut, „kaum geeignet noch nachhaltig ist“. Die Bereitstellung neuer Dosen bereits vorhandener Vakzine beim Auftreten neuer Virusstämme sei nicht der beste Weg zur Bekämpfung einer Pandemie.

Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine. Ich schätze meine Leser als erwachsene Menschen und will ihnen unterschiedliche Blickwinkel bieten, damit sie sich selbst eine Meinung bilden können.

Daniel Weinmann arbeitete viele Jahre als Redakteur bei einem der bekanntesten deutschen Medien. Er schreibt hier unter Pseudonym.

Bild: angellodeco/Shutterstock
Text: dw

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