Von Daniel Weinmann
Auch mehr als eine Woche nach der Erbebenkatastrophe in der Türkei und Syrien ist die Zahl der Toten weiter gestiegen. Die Bevölkerung befindet sich in einem Albtraum zwischen Verzweiflung und Fassungslosigkeit. Dass gerade wohlhabende Länder wie die Bundesrepublik Hilfe leisten, bedarf keiner Diskussion.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser war schnell zur Stelle und hat Betroffenen aus den Erdbebenregionen eine einfache Einreise nach Deutschland zugesagt. Die Menschen sollen „Obdach finden und medizinisch behandelt werden“. Die SPD-Politikerin versprach eine „unbürokratische“ Lösung, denn: „Es geht um Hilfe in der Not.“ Die Visa sollten schnell erteilt und für drei Monate gültig sein. Außenministerin Annalena Baerbock sprang ihr zur Seite. Um das Visaverfahren für Betroffene so unbürokratisch wie möglich zu machen, habe man in der Türkei Personal an Auslandsvertretungen und Visastellen verstärkt.
Angesichts des unermesslichen Leids im Katastrophengebiet ist es eine überaus lobenswerte Initiative. Aber nur auf den ersten Blick, denn der Faeser-Vorstoß ist nicht zu Ende gedacht. Deutschland ist mit Blick auf die Flüchtlingszahlen längst am Anschlag, viele Kommunen müssen bereits die Aufnahme von Tausenden Menschen aus der Ukraine verkraften und fühlen sich vom Bund allein gelassen. Alleine im vergangenen Jahr sind rund 1,3 Millionen Menschen zugewandert – mehr als in den Jahren der großen Flüchtlingskrise 2015/2016.
Ersten Prognosen zufolge könnten Faesers Einladung rund 700.000 Syrer und 300.000 Türken folgen
An immer mehr Orten wird die Situation als „unhaltbar“ beschrieben. Erst an diesem Dienstag sprach der grüne Landrat Jens Marco Scherf bei „Markus Lanz“ Klartext: Er fühle sich mit seinem Landkreis Miltenberg in Sachen Flüchtlingspolitik vom Bund alleine gelassen. „Die Flüchtlinge, die in den staatlichen Einrichtungen nicht untergebracht werden, die werden den Kommunen zugewiesen, und wir machen’s irgendwie.“ Man sprenge „sehenden Auges“ die „Leistungsgrenzen“, so Scherf.
Die Probleme reichten von der Unterbringung über Engpässe in der medizinischen Versorgung bis zum Mangel an Lehrerinnen und Lehrern. Zudem sei man mit den „ganzen Folgeaufgaben der Betreuung, der Integration“ konfrontiert. Neben dem Wohnraum fehle es auch an der kinderärztlichen Versorgung, Kindergartenplätzen und Lehrkräften.
Wird Faesers Vorstoß umgesetzt, dürfte sich die Situation nochmals drastisch verschärfen. Ersten Schätzungen zufolge könnten rund 700.000 Syrer und 300.000 Türken ihrer Einladung folgen. Zwar sollen die Visa, wie es normalerweise üblich ist, für einen Aufenthalt von bis zu drei Monaten befristet werden. Nötig dafür sind aber nur gültige Papiere, ein Einladungsschreiben sowie der Nachweis ausreichender finanzieller Mittel – die nach dem Erdbeben bei vielen nicht vorliegen dürften.
Da diese Dokumente in vielen Fällen unter Schutt liegen, kann ein verwandtschaftlicher Bezug kaum kontrolliert werden. Fragt sich, wie die Daten und Fakten überprüft werden sollen. Dies wird ebensowenig funktionieren wie bei vielen Asylsuchenden. Zudem dürfte die Versorgung nur in wenigen Fällen gesichert sein.
Faeser schafft eine neue Baustelle, die nicht in den Griff zu bekommen sein wird
Mehr noch: Was geschieht nach den drei Monaten, werden die Menschen dann wieder in ihre völlig zerstörte Heimat zurückgeschickt? Wie will die Innenministerin sicherstellen, dass diese Menschen überhaupt wieder ausreisen? Vor diesem Hintergrund ist es unschwer zu prognostizieren, dass der größte Teil der Neuankömmlinge nach dieser Zeit Asyl beantragen werden.
Wer außer Deutschland handelt so? Faesers Vorstoß ist vermutlich nicht mit den europäischen Partnern abgestimmt. Die Ministerin, die sich zum Sinnbild deutscher Willkommenskultur hochstilisiert, schafft eine neue Baustelle, die angesichts der jetzt schon prekären Lage nicht in den Griff zu bekommen sein wird.
Angesichts des unermesslichen Leids im Erdbebengebiet versteht sich sofortige Hilfe von selbst. Doch kommt es dabei nicht allein auf naives Gutmenschentum an. Vor lauter selbstbeweihräuchernder Verblendung kommt es der Ministerin offensichtlich nicht in den Sinn, den Menschen vor Ort zu helfen, was nicht nur erheblich effektiver, sondern darüber hinaus besser zu kontrollieren wäre.
So bleibt die Frage, wo bei Rot-Grün die Moral für das Wohlergehen der eigenen Bevölkerung geblieben ist und welchen Stellenwert diese in Bezug auf die fremden Kulturen überhaupt genießt? Der Umgang mit diesem Land, der Kultur, dem über Jahrzehnte erschaffenen Wohlstand und mit unseren Werten ist nicht mehr zu begreifen.
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Daniel Weinmann arbeitete viele Jahre als Redakteur bei einem der bekanntesten deutschen Medien. Er schreibt hier unter Pseudonym.
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