Zunehmende Gewalt in Kitas: „Da geht es nur noch um Verwahrung“ Umfrage sieht Personalmangel als größten Risikofaktor

Von Daniel Weinmann

Kinder in Kitas, die festgebunden oder zum Essen gezwungen werden. Kinder, die von Stühlen gerissen oder hinter Tischen eingeklemmt werden, Kinder, die erniedrigt oder schlicht vernachlässigt werden. Eine Umfrage des Bayerischen Rundfunks unter Aufsichtsbehörden im Freistaat beunruhigt zutiefst: Der Sender hatte 76 Aufsichtsbehörden von Kindertagesstätten und Krippen befragt, 59 gaben Auskunft.

Bis Anfang Dezember zählten die Antwortenden 232 Verdachtsfälle von seelischer und körperlicher Gewalt – rund 100 mehr als im vergangenen Jahr. Die Zahl der Verdachtsfälle auf sexualisierte Gewalt, die von Küssen bis zum Missbrauch reicht, nahm von 14 im vergangenen auf 20 in diesem Jahr zu.

Verstöße gegen die Aufsichtspflicht haben sich seit 2021 von 24 auf 57 Fälle mehr als verdoppelt. Glatt um das Doppelte auf aktuell 32 gestiegen sind die Meldungen zu seelischer Gewalt, während die Fälle von körperlicher Gewalt von 43 auf 59 angestiegen sind. Der BR hat mit 61 Erzieherinnen und Kita-Leitungen gesprochen. Ihre Berichte klingen schockierend: „Ein Kind hat Sprachprobleme. Im Morgenkreis äfft die Erzieherin immer wieder das Stocken und Stottern nach. Die anderen Kinder lachen.“ Oder: „Meine Kollegin schiebt einem Kind Kartoffeln in den Mund. Dabei hält sie die Hände fest und die Nase zu, damit das Kind schluckt.“ Oder: „Ein Kind wird immer auf dem Klo eingesperrt, wenn es sich ’nicht benimmt‘.“

»An allen Ecken und Enden herrscht Personalmangel, der kompensiert werden muss«

Als Hauptrisikofaktor für die Gewalt in den Kitas gilt der von sämtlichen befragten Behörden gemeldete Personalmangel. „Das liegt auch an der ständigen Überlastung der Kollegen und an immer mehr Krankmeldungen, die wiederum mehr Stress für das übrige Personal zur Folge haben – und dann kann es zu mehr Grenzverletzungen kommen“, bringt Lisa Pfeiffer vom Verband Kita-Fachkräfte Bayern die prekäre Lage auf den Punkt.

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Die Dunkelziffer dürfte sehr hoch sein, da zehn Behörden gar keine Verdachtsmeldungen zählen. Zudem wird vieles überhaupt nicht gemeldet. Eigenen Angaben zufolge haben nur wenige Erzieherinnen die Kitaleitung, den Träger oder die Kita-Aufsicht über derartige Fälle informiert. Ebenfalls beunruhigend: Zwar gibt es keine deutschlandweiten Daten. Doch Bayern als zweitbevölkerungsreichstes Bundesland darf durchaus als repräsentativ betrachtet werden – zumal sich auch jenseits des südlichsten Staates Verbände und Gewerkschaften alarmiert zeigen.

„An allen Ecken und Enden herrscht Personalmangel, der kompensiert werden muss“, sagte etwa Markus Hanisch, Geschäftsführer der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft Berlin gegenüber der Deutschen Presseagentur. In Ganztagsschulen müssten sich Erzieher in der Nachmittagsbetreuung bisweilen um 50 Kinder kümmern, obwohl es laut Personalschlüssel höchstens 22 Kinder sein dürften. „Da geht es nur noch um Verwahrung“, so Hanisch.

Es fehlt an gut ausgebildetem Personal, das auch mit Stress-Situationen umgehen kann

Das bayerische Sozialministerium als oberste Kita-Aufsicht im Freistaat betrachtet sogenannte „einrichtungsbezogene Schutzkonzepte“, die nicht zuletzt Gewalt von Kita-Personal unterbinden sollen, als „notwendig und wichtig“. Die Crux – und typisch für den Zustand nicht nur dieses Bundeslandes: Es fehlt eine konkrete Frist, bis wann Kitas dieses Konzept haben müssen. Darüber hinaus mangelt es an Zuordnungen, welche Kontrollaufgaben der Kita-Aufsicht in Landkreisen und kreisfreien Städten zukommen. „Die Folge“, das schreibt sogar der in den meisten Fällen regierungstreu rapportierende BR: „Bayern ist in Sachen Schutzkonzept ein Flickenteppich an Regeln und Umsetzung.“

Kita-Verbandssprecherin Pfeiffer fordert „gutes und gut ausgebildetes Personal, das auch mit Stress-Situationen umgehen kann“. Doch dieses kostet – trotz der meist dürftigen Bezahlung – Geld, das der Staat lieber in die Alimentierung von Migranten oder den „Doppelwumms“ investiert.

Mehr noch: Hält man sich vor Augen, dass ein Land nicht zuletzt daran gemessen wird, wie es mit den Schwächsten und Schutzbedürftigsten umgeht, sendet die Bundesrepublik ein erbarmungswürdiges Signal.

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Daniel Weinmann arbeitete viele Jahre als Redakteur bei einem der bekanntesten deutschen Medien. Er schreibt hier unter Pseudonym.

Bild: Boris Reitschuster

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