„Generieren“ von “Wunschpublikum“ Wie bei Talkshows manipuliert wird

Zufälle gibt´s, die gibt´s gar nicht: Das Publikum in der Lanz-Sendung mit Hans-Georg Maaßen am 17. Dezember war derart stramm auf der Linie des Moderators, dass es die Aussagen des Ex-Verfassungsschutzpräsidents fast durchwegs mit eiskaltem Schweigen quittierte – dafür aber immer wieder lautstark klatschte, wenn es gegen den Konservativen ging.

Hier auf reitschuster.de wurde aufgedeckt, dass die Sendung in Wirklichkeit nicht live ausgestrahlt wurde, und Teile aus der Sendung geschnitten, also gelöscht, worden sind. So ist etwa mit geschultem Auge zu sehen, wie Maaßen schon einmal mitten im Satz abgeschnitten wird (hier im Video der Sendung bei Zeitmarke 22.31). Auf den Bericht hin hat ein Leser sich die Mühe (bzw. die Qual) gemacht, die Homepage der privaten Produktionsfirma „Fernsehmacher“ zu durchforsten, die „Lanz“ für das gebührenfinanzierte ZDF produziert (gemeinsam mit einer anderen Firma, deren Mitgründer Lanz selbst ist).

Was der Leser fand, ist mehr als erstaunlich: Diskret in dem Bereich, den man im Schriftlichen das „Kleingedruckte“ nennen würde, ist auf einer Internetseite der „Fernsehmacher“ zu sehen, was sie neben „Lanz“ fürs ZDF noch anzubieten haben: „Zuschauerkoordination“.

Allein schon dieser Begriff in der Überschrift macht neugierig.

Darunter ist dann konkret beschrieben, worum es bei dieser „Zuschauerkoordination“ geht:

„1) Promotion

Zusätzlich zu den aus unserer umfassenden Datenbank stammenden Kunden generieren wir durch unsere geschulten Promotionteams Ihr formatspezifisches Publikum auf öffentlichen Veranstaltungen oder einfach „von der Straße“. Der persönliche Kontakt steigert gezielt die Bekanntheit Ihres Formates und bindet die Zuschauer.“

Und weiter unten:

3) Outbound-MarketingWir haben die Möglichkeit innerhalb kurzer Zeit Ihr Wunschpublikum aus unserer Datenbank (über 200.000 Kunden) zu generieren und in Ihr Studio einzuladen. Unser System ermöglicht das Setzen von zielgruppenspezifischen Merkmalen (u.a. Alter, Einzugsgebiet,…) für Ihr TV-Format. Wir erstellen in Abstimmung mit Ihnen Tickets, Einladungsschreiben und Anfahrtsskizzen und verschicken all dieses an die Zuschschauer. Ferner wickeln wir die Bareinnahme oder die Vorab-Banküberweisungen von Ticketgelden ab.“

6) Hostessenkoordination & Garderobenservice…Die Zuschauer werden in minutiöser Abstimmung mit Ihrer Set-Aufnahmeleitung ins Studio begleitet und nach ihren Prämissen platziert….

Generieren“ von “Wunschpublikum“ fürs Studio nach „zielgruppenspezifischen Merkmalen“. Unfassbar. Was sonst als Verschwörungstheorie abgetan wird oder als Horrorszenario, das besser in einem finsteren Orwell-Roman aufgehoben wäre, steht, quasi ganz offiziell, als Angebot auf der Homepage einer Firma, die fürs ZDF produziert. Man braucht nicht viel Phantasie, um sich unter den drei Punkten, die hinter den Beispielen für die möglichen „zielgruppenspezifischen Merkmale“ stehen, allerlei vorzustellen. Und sich auszumalen, wie man das Publikum vorab zusammenstellen bzw. filtern kann nach passenden „Merkmalen“ , die vorab die richtigen Reaktionen garantieren.

Die merkwürdige Unausgewogenheit in vielen Talkshows im Öffentlich-rechtlichen, wie gerade eben mit Maaßen, habe ich schon bisher sehr argwöhnisch betrachtet. Nach dem Fund auf der Homepage der Lanz-Produktionsfirma sehe ich sie nochmal mit ganz neuen Augen. Und ich werde jetzt immer an das „Generieren von Wunschpublikum“ nach „zielgruppenspezifischen Merkmalen“ denken, wenn an den richtigen Stellen brav geklatscht wird oder geschwiegen.

In der Psychologie ist bekannt, wie wichtig diese Reaktionen für die Meinungsbildung der Zuschauer sind. Vielleicht sollte sich die Lanz-Produktionsfirma von „Fernsehmacher“ in „Meinungsmacher“ umbenennen? Zur Anregung der Phantasie ist es besonders spannend, anzusehen, welche Kunden die Firma ein paar Mausklicks weiter als Referenzen angibt, unter anderem in Sachen „Zuschauerkoordination“:

Was mich am meisten verwundert: Dass für die „Fernsehmacher“ solche „Dienstleistungen“ offenbar derart selbstverständlich sind, dass sie nicht etwa hinter vorgehaltener Hand dafür werben – sondern ganz unverblümt im Internet. Offenbar ist diese Art der „Zuschauerkoordination“ für sie derart selbstverständlich, dass sie sich gar nicht mehr bewußt sind, wie problematisch es ist. Und was es für eine Außenwirkung hat. Für diese Selbst-Entlarvung muss man den „Fernsehmachern“ eigentlich dankbar sein. Sie erinnern anschaulich daran, dass uns im Fernsehen eine künstlich Realität vorgespiegelt wird. Leider recht erfolgreich.

PS: Als ich vor wenigen Tagen hier meinen ersten Artikel zu Lanz vorbereitete, warnte mich ein Kollege: „Bist Du verrückt? Wenn Du das schreibst, wirst Du nie mehr in eine Talkshow eingeladen.“ Ich finde: Zu schreiben was ist, ist für einen Journalisten viel wichtiger als Einladungen zu Talkshows. Aber ich habe jetzt einen Verdacht, warum Sie Artikel wie diesen anderswo so selten lesen können.

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Bilder: Screenshots ZDF

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