Wie ÖR-Fakten zu rechten Verschwörungstheorien geframt werden

„Publikum bezahlt und gecastet? Kubicki irritiert mit Talkshowkritik“ – so lautet heute eine Schlagzeile im „Redaktionsnetzwerk „Deutschland“ (RND). Darunter schreibt das RND, das nach Eigenangaben mehr als 50 deutsche Zeitungen mit Artikel beliefert und so mehr als sieben Millionen Leser erreicht (und zu dessen Eigentümern über eine Beteiligungsgesellschaft die SPD gehört):

  • „In einer Talkrunde verbreitet FDP-Politiker Wolfgang Kubicki den Mythos, in den deutschen Politik-Talkshows säße “bestelltes” Publikum.
  • Die Theorie ist auch in rechten Kreisen sehr beliebt.
  • Was ist dran?

In dem Text heißt es: „Dass mit den Politiktalkshows der öffentlich-rechtlichen Sender nicht alles ganz geheuer ist, das ist seit Langem eine beliebte Verschwörungstheorie – vor allem in rechten Kreisen. Seit dieser Woche hat der Mythos noch einen prominenten Vertreter dazugewonnen: den FDP-Politiker Wolfgang Kubicki.“

Dass Kritik an Missständen in linken Medien als „Verschwörungstheorie rechter Kreise“ diffamiert wird, ist leider Alltag. Auch dass dabei ein Bundestags-Vizepräsident gleich mit eingeschlossen wird, verwundert nicht (mehr) wirklich. Und wie schlampig der Artikel, der die angebliche „rechte Verschwörungstheorie“ widerlegen soll, recherchiert wird, ist leider auch keine Ausnahme: Denn hätten die Kollegen sauber gearbeitet, hätten sie darauf kommen müssen, wie die Produktionsfirma, die auch „Markus Lanz“ produziert, selbst das „Generieren“ von “Wunschpublikum“ anbietet. Also von wegen „rechte Verschwörungstheorie“ – es sind Fakten. Nachzulesen sind sie hier in meinem Beitrag vom 22. Dezember 2019. Unter anderem bietet die Lanz-Produktionsfirma FERNSEHMACHER auf ihrer Website unter „Dienstleistungen“ folgenden Service an:

„Unsere Zuschauerkoordination der FERNSEHMACHER deckt folgende Bereiche ab:

1) PromotionZusätzlich zu den aus unserer umfassenden Datenbank stammenden Kunden generieren wir durch unsere geschulten Promotionteams Ihr formatspezifisches Publikum auf öffentlichen Veranstaltungen oder einfach “von der Straße…

3) Outbound-Marketing

Wir haben die Möglichkeit innerhalb kurzer Zeit Ihr Wunschpublikum aus unserer Datenbank (über 130.000 Kunden) zu generieren und in Ihr Studio einzuladen. Unser System ermöglicht das Setzen von zielgruppenspezifischen Merkmalen (u. a. Alter, Einzugsgebiet…) für Ihr TV-Format…

6) Hostessenkoordination & Garderobenservice

Wir kümmern uns in Absprache mit Ihrer Produktionsleitung um das gesamte Zuschauerhandling an Ihrem Produktionsort. …Die Zuschauer werden in minutiöser Abstimmung mit Ihrer Set-Aufnahmeleitung ins Studio begleitet und nach ihren Prämissen platziert.“

In der Rubrik „Referenzen“ gibt die Produktionsfirma unter anderem mehrere TV-Talkshows an (siehe hier).

Sehr empfehlenswert in diesem Zusammenhang ist auch mein Beitrag „Bezahlfernsehen der anderen Art“ über Job-Anzeigen, mit denen die Lanz-Produktionsfirma bezahlte Studio-Gäste sucht (zu finden hier).

Bemerkenswert ist, dass die Kollegen von RND bei Lanz offenbar gar nicht erst nachfragten – zumindest steht dazu nichts in ihrem Bericht. Dafür wird dort die ARD zitiert: “Das Studiopublikum bei ‘Anne Will’, ‘Hart aber fair’ und ‘Maischberger’ wird weder gecastet noch honoriert.“ Weiter heißt es in dem Text: „Das Gerücht, im Publikum der TV-Talkshows säßen nur bezahlte Leute, hält sich bereits seit Jahren.“ Mir ist niemand bekannt, der sagt, da säßen „nur bezahlte Leute“. Der Vorwurf ist vielmehr, dass auch bezahltes und speziell ausgesuchtes Publikum dort sitzt.

RND stellt also eine völlig überzogene Behauptung auf, sie so niemand oder kaum jemand macht, und entkräftet diese dann. Bei vielen eiligen Lesern wird dabei wohl das hängen bleiben, was beabsichtigt scheint. Mit Journalismus hat das nichts zu tun – es hat eher etwas von Hütchenspielerei.


Bilder: Screenshots „Die Fernsehmacher

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