Der Verfassungsschutz als Repressionsinstrument Wie der Inlandsgeheimdienst zur Niederhaltung der Opposition missbraucht wird

Ein Gastbeitrag von Frank W. Haubold

Der kollektive Jubel beinahe sämtlicher Medien und Funktionsträger der etablierten Parteien über die offiziell noch gar nicht bekanntgegebene Einstufung der AfD als „Verdachtsfall“ durch das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) war verfrüht.

In einem in seiner Klarheit bemerkenswerten sogenannten „Hängebeschluss“ hat das Verwaltungsgericht Köln dem BfV untersagt, bis zu einer Entscheidung über den von der AfD gestellten Eilantrag die Partei als „Verdachtsfall“ einzustufen oder zu behandeln sowie eine Einstufung oder Behandlung als „Verdachtsfall“ erneut bekanntzugeben.

Dabei war bis dahin doch alles nach Plan gelaufen. Entgegen der eigenen gegenüber dem Gericht abgegebenen Versicherung, eventuelle Entscheidungen in dieser Sache nicht an die Öffentlichkeit zu tragen, informierten entweder das BfV selbst oder das zuständige Innenministerium sämtliche Medien von dpa bis „Spiegel“ über die nunmehr erfolgte Einstufung der AfD als rechtsextremen Verdachtsfall. Der Termin war kaum zufällig gewählt, denn zwei Wochen vor zwei wichtigen Landtagswahlen konnte nunmehr die Propagandatrommel gegen den missliebigen Konkurrenten mit neuer Vehemenz und freudiger Beteiligung „gesellschaftlich relevanter“ Gruppen bis zum Wahltag gerührt werden. Für Haltungsjournalisten existiert ja ohnehin nicht erst seit heute keine höhere Berufung, als der Schwefelpartei die „bürgerliche Maske“ vom Gesicht zu reißen.

Doch das propagandistische Trommelfeuer wurde durch die oben erwähnte Gerichtsentscheidung jäh gestoppt, zumindest vorläufig, und entsprechend groß war der Katzenjammer. Nun sollte sich jedoch niemand der Illusion hingeben, dass es sich bei diesem Vorgang, der, wie das Verwaltungsgericht Köln richtig feststellte, „in unvertretbarer Weise in die verfassungsrechtlich gewährleistete Chancengleichheit politischer Parteien“ eingegriffen hat, nur um eine Kommunikationspanne oder das Versagen einzelner Personen gehandelt hätte. Nein, die Instrumentierung des Verfassungsschutzes gegen die aktuell größte Oppositionspartei hat eine weitaus längere Geschichte und wird weiter mit Vehemenz vorangetrieben.

So gab der ehemalige Präsident des BfV, Hans-Georg Maaßen, erst unlängst in einem Interview zu Protokoll: „Danach musste ich allerdings feststellen, dass massiver persönlicher Druck auf mich ausgeübt wurde, endlich die AfD zu beobachten. Und das war ein ungebührlicher, ein ungewöhnlicher Druck, bei dem ich den Eindruck gewann, ich sollte hier für parteipolitische Zwecke instrumentalisiert werden. Ich fühlte mich teilweise sogar genötigt.“

Das Ende der Geschichte ist bekannt. Nachdem Maaßen eine Falschbehauptung von Kanzlerin Merkel bezüglich angeblicher „Hetzjagden“ in Chemnitz richtiggestellt hatte, wurde er zunächst medial sturmreif geschossen und in der Folge in den Ruhestand versetzt. Ersetzt wurde er durch einen willfährigen Befehlsempfänger namens Thomas Haldenwang, der dem Vernehmen nach fachlich keineswegs die erste Wahl war. Wie der Münchener „Merkur“ berichtet, hatten Innenministerium und SPD zunächst den CDU-Innenpolitiker Armin Schuster vorgeschlagen, der jedoch wegen seiner Kritik an Frau Merkels Flüchtlingspolitik am Veto der Kanzlerin scheiterte.

Dass die Führungspositionen in den Verfassungsschutzämtern eher nach politischer Willfährigkeit als nach fachlicher Eignung besetzt werden, ist allerdings kein Novum. So ernannten die in Thüringen regierenden SED-Erben bereits 2015 einen gewissen Stephan Kramer zum Verfassungsschutzpräsidenten, obwohl er die gesetzlich erforderliche volljuristische Ausbildung nicht einmal ansatzweise besitzt. Dafür ist der umtriebige Multifunktionär jedoch Mitglied des Stiftungsrates in der linkslastigen Amadeu Antonio Stiftung, die von einer ehemaligen Stasizuträgerin geleitet wird (!). Aus Sicht der SED-Nachfolgepartei ist es natürlich kein Problem, sondern eine Empfehlung, wenn alte und neue Tschekisten Seite an Seite den Klassenfeind bekämpfen. Auftragsgemäß erklärte Kramer bereits 2018 die AfD Thüringen zum „Prüffall“.

Eine ähnlich steile Karriere hat der oberste niedersächsische Verfassungsschützer Bernhard Witthaut hingelegt. Trotz kaum praktischer Erfahrungen im Polizeidienst (er war als Personalrat vom Dienst freigestellt) und ebenfalls fehlender juristischer Ausbildung (die aber in Niedersachsen nicht verpflichtend ist) wurde das SPD-Mitglied Witthaut 2019 zum Präsidenten des Verfassungsschutzamtes ernannt. Seine Fachkompetenz in Sachen Extremismusbekämpfung stellte er unlängst via Twitter unter Beweis, als er die (fiktive) Handlung eines volkspädagogischen Tatort-Krimis wie folgt kommentierte: „Der heutige #Tatort zeigt, dass #Extremismus & #Rassismus leider in der Mitte der Gesellschaft angekommen sind. Das Problem #Rechtsextremismus wird noch immer als ‚männl.‘ Problem wahrgenommen. Doch auch Frauen können extrem sein!“

Wie man sieht, ist man also auch in den Ländern bestens gerüstet, den rechtsextremen Horden rechtzeitig in den Arm zu fallen, bevor diese – angeführt von Alice Weidel und Jörg Meuthen in schimmernder Wehr – mit Sensen und Mistgabeln nach Berlin ziehen und der Königin der Herzen und ihren getreuen Knappen von Altmaier bis Spahn Böses antun können.

Mit Formalien kann man sich bei dieser verantwortungsvollen Aufgabe natürlich nicht lange aufhalten, weshalb Herr Haldenwang und seine behördlichen Mitstreiter auch gleich 7.000 angebliche Mitglieder des inzwischen aufgelösten „Flügels“ offiziell zu Rechtsextremen erklärten, vermutlich, um ein statistisches Gegengewicht zu der tatsächlich gestiegenen Zahl von Linksextremisten zu erreichen. Auf die naheliegenden Fragen, wie das BfV, das nur öffentliche Quellen auswerten darf, zu dieser Zahl kommt, da es gar kein Mitgliederverzeichnis gab, und wo sich diese angeblichen Rechtsextremisten vor Gründung des „Flügels“ aufgehalten haben, wird man kaum eine Antwort erhalten, weshalb sie vorsorglich medial gar nicht erst gestellt werden.

Doch so prächtig man sich auch über diese Beispiele von Dilettantismus und Unverfrorenheit amüsieren mag, so ernst ist das Thema tatsächlich. Wenn ein Inlandsgeheimdienst nicht mehr vorrangig die freiheitlich-demokratische Grundordnung schützt, sondern im Auftrag der Bundesregierung und der Altparteien, die um Macht und Pfründe fürchten, unter fragwürdigen Begründungen die Opposition kriminalisiert und stigmatisiert, wie es gegenwärtig den Anschein hat, dann ist die Demokratie in höchster Gefahr.

Ausgerechnet ein SPD-Politiker, Mathias Brodkorb, bringt im „Cicero“ eines der zentralen Probleme auf den Punkt: „Neutralitätsgebot des Staates hin, Neutralitätsgebot her: Auch Minister und Beamte sind nur Menschen und Erstere für die Beförderung Letzterer zuständig. Es ist nicht schön, aber wahr, dass angesichts dieser Abhängigkeiten die Beschädigung der Neutralitätspflicht des Staates durch parteipolitische Lenkung eintreten kann. Es ist daher eine Fehlkonstruktion unserer Verfassung, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz, zumindest soweit Artikel 21 des Grundgesetzes berührt ist, überhaupt in der Hand der Exekutive liegt.“

Angesichts des zuvor Dargelegten muss man leider davon ausgehen, dass diese „Beschädigung der Neutralitätspflicht“ längst eingetreten ist. Und das ist eine Entwicklung, der sich eigentlich jeder – unabhängig von seiner Haltung zur AfD – entgegenstellen müsste. Aber offenbar wissen viele Menschen hierzulande den Wert der Freiheit nicht mehr zu schätzen, weil sie – anders als der Autor dieser Zeilen – den Gegenentwurf nicht aus eigenem Erleben kennen. Das kann und wird sich bitter rächen. Die totalitären Anwandlungen nicht weniger Politiker im Umfeld der Coronakrise sind ein weiteres ernstzunehmendes Warnzeichen.

Diejenigen, die selbst wenig haben, bitte ich ausdrücklich darum, das Wenige zu behalten. Umso mehr freut mich Unterstützung von allen, denen sie nicht weh tut!

 

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Gastbeiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine. Ich schätze meine Leser als erwachsene Menschen und will ihnen unterschiedliche Blickwinkel bieten, damit sie sich selbst eine Meinung bilden können.

Autor Frank W. Haubold wurde 1955 in Frankenberg (Sachsen) geboren. Er studierte an der TU Dresden Informationstechnik und promovierte an der Humboldt-Universität zu Berlin. Seit 1989 schreibt er Romane und Erzählungen unterschiedlicher Genres (Science Fiction, Phantastik, Gegenwart) und gewann mehrere Literaturpreise. Seit einigen Jahren engagiert er sich auch publizistisch und gehörte zu den Erstunterzeichnern der „Gemeinsamen Erklärung 2018“. “ Lesen Sie mehr auf seiner Seite www.frank-haubold.de.
Bild: Stokkete/Shutterstock
Text: Gast

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