Weil er seine schwangere Lebensgefährtin im Flugzeug vor Beschimpfungen und Tritten schützen wollte, wurde ein Rechtsanwalt als Nazi beschimpft – und die Aggressoren danach von Mitreisenden «um Verzeihung» gebeten – für das «Verhalten» des Opfers.
Weil er einen lauten Sitznachbar höflich bat, etwas ruhiger zu sein, wurde ein 77-jähriger Professor in Berlin von einer „Meute“ heftig angepöbelt und als „Schwein, Wichser, Arschloch“ beschimpft – und der Ruhestörer gleich mit, weil er verständnisvoll auf die Bitte des „alten weißen Mannes“ reagiert hat. Der Professor verstand danach die Welt nicht mehr.
Nachdem ich in meinem „Frontbericht aus Charlottengrad» vor wenigen Wochen das Erlebnis des Wissenschaftlers schilderte, erreichte mich diese Zuschrift eines Rechtsanwaltes. Ich weiß nicht,
was mich mehr schockiert hat – was der Jurist beschreibt, oder die Tatsache, dass er mich bat, seinen Namen und seinen Wohnort nicht zu nennen: «Ich bin mir sicher, dass mir die Kammer direkt eine Nähe zur rechtsextremen Szene andichten würde. Und das ist mit meiner wirtschaftlichen Existenz nicht vereinbar.»
Hier der Brief des Anwaltes:
„Sehr geehrter Herr Reitschuster, ich habe mit einem sehr unguten Gefühl Ihren Artikel „Berlin: Ich kann es nicht fassen“ gelesen. Ungut, weil mich Ihre Darstellung an etwas erinnerte, was ich lieber wieder vergessen würde. Aber Sie wollen eine Probe aufs Exempel. Hier ist meine Geschichte:
Es war am 08.08.2018, eigentlich sollte dies der langersehnte und mehr als verdiente Urlaubsbeginn für meine Lebensgefährtin, meinen Sohn (damals 7) und mich werden. Der Flug nach Teneriffa wurde von TUI-Fly durchgeführt und startete mit etwas Verspätung von Hannover.
Auch wenn es etwas unangenehm ist, ich nahm mit einem mulmigen Gefühl platz, da direkt hinter uns eine kleine (arabische) Familie saß. Frau, Kleinkind (mgl. 4 Jahre) und der Mann. Mulmig, nicht wegen der Angst vor Terror, sondern weil der Mann bereits beim Einsteigen in die Maschine lautstark zu hören war. Und so begab es sich, dass dieser Herr sodann ellenlange Monologe mit seiner Frau und seinem Kind führte. Ohne Punkt und Komma. Doch das konnte ich ausblenden. Es war ja nur ein recht kurzer Flug im Vergleich zu den ansonsten eher sehr langen Flügen in den asiatischen Raum.
Was sich nicht ausblenden ließ war das Kleinkind, das stets und ständig gelangweilt gegen den Sitz meiner (damals schwangeren!) Lebensgefährtin trat. Und 2 Stunden vor der Landung hielt sie es nicht mehr aus. Sie drehte sich um und vollendete ganz offensichtlich eine Todsünde. Sie sah das Kleinkind an und dann den Vater – mit fragendem Blick.
Das sollte eigentlich reichen, damit in einer zivilisierten Gesellschaft der Erziehungsberechtigte die angemessenen Maßnahmen ergreift, sein Kind zu erziehen und ihm derartiges Verhalten zumindest auszureden.Weit gefehlt. Was dann folgte werden wir drei nie mehr vergessen.
Der Mann beugte sich zu uns vor und sagte sehr laut in gutem deutsch: „Entschuldigung, aber sehen Sie mein Kind nicht an. Niemals mit den Augen. Gott gab uns in seiner Weisheit eine Sprache. Wenn Sie mein Kind ansehen, machen Sie die Seele kaputt. Also immer mit der Sprache.“
Ich erwiderte, dass er dann doch bitte seine Sprache nutzen sollte, um sein Kind zu erziehen. Das Treten gegen den Sitz geht einfach nicht auf Dauer, zumal meine Lebensgefährtin schwanger ist. (im 7. Monat also sichtbar). Da stand der Herr auf und schrie! uns an, wie wir es wagen könnten mit ihm zu reden. Er konnte es nicht lautstark genug betonen, dass Gott uns diese friedliche Welt geschenkt hat und wir nur Unfrieden stiften wollen.
Er spuckte meiner Lebensgefährtin dann auf den Kopf und schrie, dass wir das Recht verloren haben, auf dieser schönen Welt Gottes zu leben. Sie können sich vorstellen, dass nicht nur ich, sondern vor allem auch mein Sohn mehr als schockiert waren.
Nachdem er mich und meine Familie als Nazis beschimpft hat (Passagiere aus den vorderen Reihen, die sich bei dem Herren wegen der Lautstärke beschwerten gleich mit) eilten uns die emsigen Flugbegleiterinnen endlich zur Hilfe. Dachte ich.
Sie wiesen den Herren nur darauf hin, dass er doch bitte Platz nehmen und sich beruhigen solle. Da schrie er auch die Flugbegleiterinnen an, dass diese ihn diskriminieren würden und ebenfalls Nazis seien.
Wir haben in der ganzen Zeit überhaupt nichts mehr gesagt. Dann wurden wir von den Flugbegleiterinnen darauf hingewiesen, dass wir doch bitteschön etwas Verständnis haben sollen. Wofür konnte man mir bis heute nicht beantworten.
Da ich mich doch sehr bedroht fühlte, verlangte ich von der Flugbegleitung, der Kapitän möge die Polizei vor Ort über den Zwischenfall informieren, da ich Anzeige erstatten wollte. Dieser Wunsch wurde selbstverständlich ignoriert!
Aber die kleine nunmehr noch lautere Familie von hinten bekam als Entschuldigung ein kostenloses Menü-Upgrade, für die erlittene Diskriminierung nehme ich an.
Am Ende des Fluges kamen dann sehr aufopfernde und besorgte Menschen, um den Herren hinter uns zu umarmen! und sich für unser Fehlverhalten zu entschuldigen.
Zum Glück wünschte die Crew uns persönlich „dennoch“ einen schönen Urlaub. Den hatten wir, was aber nicht an TUI oder der kleinen Familie hinter uns lag. Mein Sohn entwickelte erstmals Vorbehalte gegen Gäste, die sich einfach nicht benehmen können. Und auch wenn ich es wollen würde, mir fällt nichts ein, um meinem Sohn seine Vorbehalte zu nehmen.»
In dem anschließenden weiteren Briefwechsel schrieb mir der Anwalt:
„Es ist unglaublich, aber als Organ der Rechtspflege traut man sich nicht einmal mehr, Kritik zu üben. Die meisten meiner Kollegen sehen die Dinge (mittlerweile) wie sie sind. Aber nur hinter vorgehaltener Hand. Ich bin gerne in der Welt unterwegs und Ausländerfeindlichkeit ist eine Eigenschaft, die ich mir nicht zuschreiben würde. Ich lerne so gerne fremde Kulturen und Menschen aus den anderen Kulturkreisen kennen und pflege Kontakte zu Freunden und Bekannte aus aller Welt. Aber wenn ich die Zustände in unserem Land betrachte, dann kann ich diese nicht gutheißen. Wer zu Gast ist, benimmt sich auch so.»
Der Briefwechsel zeigt, wie tief es verfängt, wenn Menschen aus der Mitte als «rechtspopulistisch» verunglimpft werden, wie etwa in der neuen Studie der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung, die einen «Rechts-Kurs»-in Deutschland beklagt (Mitte-Studie, Teil I: Wie die SPD ihre verlorenen Wähler rechtsextrem schimpft) Die Studie unterstellt den Bundesbürgern tendenzielle Fremdenfeindlichkeit. Liest man hinein, kommt Absurdes zu Tage: Fremdenfeindlichkeit ist es demnach schon , wenn jemand kulturelle Andersartigkeiten etwa bei Zuwanderern sieht.
Die Studie weckt den Verdacht, die SPD wolle nach ihrem massivem Linkskurs unter der Führung ihrer Funktionärsriege und dem Verlust der Wähler in der Mitte nun genau diese Mitte, die vor ihr geflohen ist, beschimpfen und brandmarken: Statt den eigenen Linksruck einzusehen, beschimpft sie ihre Anhänger und wirft diesen einen Rechtsruck vor.
In einem Interview mit dem ZDF wurde eine der Autorinnen der Studie von Claus Kleber kritisch befragt – die beiden kritischsten Fragen waren dann aber nicht auf dem Bildschirm zu sehen, was selbst Kleber verwunderte. In dem Interview entlarvt die Autorin, wie weit linksaußen sie selbst steht: Sie behauptet, das Grundgesetz würde die «Gleichheit“ der Menschen als Aufgabe vorschreiben. Genau das tut es eben nicht! Das wäre Sozialismus! Das Grundgesetz schreibt gleiche Rechte vor, verbietet Diskriminierung, verbürgt die Freiheit – aber jede Form der Gleichmacherei liegt im fern. Wie pikant, dass ausgerechnet die Autoren der Studie, die anderen Grundgesetzfeindlichkeit vorwerfen, selbst eine völlige Fehlinterpretation des Grundgesetzes zeigen.
Wünschenswert wäre eine Studie auf Steuerzahlerkosten nicht darüber, wie die Mitte angeblich nach Rechts rückt – sondern darüber, wie von der Realität abgehobene Politik-Funktionäre und mit ihnen zusammenarbeitende Wissenschaftler nach links gerückt sind und nun die Mitte der Gesellschaft zu diffamieren und brandmarken versuchen. Und welche Folgen das hat – etwa dass ein Rechtsanwalt aus der Mitte der Gesellschaft sich nicht mehr traut, unter Nennung seine Namens ein erschütterndes Erlebnis zu berichten – weil er Angst vor Stigmatisierung hat und um seine Existenz fürchtet.
In seiner Kolumne «Berlin extrem – Frontberichte aus Charlottengrad» lüftet Boris Reitschuster ironisch den Blick hinter die Kulissen der russisch-ukrainisch-jüdischen Diaspora an der Spree, deren Außeneinsichten oft ungewöhnliche Perspektiven eröffnen. Darüber hinaus spießt der Autor den Alltags-Wahnsinn in der Hauptstadt auf – ebenso wie die Absurditäten in der Parallelwelt des Berliner Politikbetriebs und deren Auswirkungen auf den bodenhaftenden Rest der Republik. Weitere Beiträge aus der Kolumne finden sie hier.
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