Auf Pro7: Bild-Chef bezichtigt deutsche Medien der Propaganda Eine hasserfüllte Reportage darüber, „wie Hass unsere Gesellschaft spaltet“

Von Alexander Wallasch

Bild- und Bild-TV-Chef Julian Reichelt bewirbt sich bei Reitschuster.de, möchte man ironisch schreiben. Jedenfalls sorgt der Cleaner im Hause Springer gerade für viel Wirbel, weil er einiges so erfolgreich macht wie die Alternativen Medien. Weil sein Blatt berichtet, was ist, und nicht, was sein soll.

Reichelt wurde jetzt für eine große Pro7-Reportage interviewt und hat dort kundgetan, was die Laufrichtung seiner Zeitung ist. Die Frage von Thilo Mischke, Macher der Reportage und SPD-Mitglied, an Reichelt ging so:

„Was macht Ihr Leser mit der Information? Versuchen Sie sich mal in die Situation ihrer Leser zu versetzen.“

Reichelt: „Was der Leser mit der Information macht – über sie erfahren hinaus – ist mir egal.“

Mischke: „Echt?“

Reichelt: „Ich möchte, dass der Leser erfährt. Ich möchte, dass der Leser Erkenntnis hat, wie Dinge sind. Und den ganzen erzieherischen Anspruch, was er dann damit zu tun hat, überlasse ich ARD und ZDF.“

Der Bild-Chef hätte an der Stelle aus aktuellem Anlass noch erweitern können auf Pro7, denn genau da befindet er sich in dem Moment: In einem politischen Erziehungs- und Bildungsprogramm im Privatfernsehen auf Pro7, dazu aber gleich mehr.

Bleiben wir bei Reichelt, denn der war gegenüber Mischke so richtig in Fahrt, irgendwas am Fragesteller muss den Blattmacher so richtig getriggert haben, was weit über die bunten Motivsocken und die dampfmaschinenartige E-Zigarette von Mischke noch hinausging.

Julian Reichelt, zunächst noch mit den Lorbeeren von Reitschuster im Mund: „Ich glaube, dass tatsächlich sehr viele relevante Entwicklungen in der Coronakrise tatsächlich nur noch bei Bild stattgefunden haben.

Um dann auszuholen: „Es haben halt große Teile der deutschen Medien einfach sich während der Corona-Krise dem Bereich Propaganda zugewandt.“

Eine regelrechte Wahrheitsexplosion. Aber auch mit Vergesslichkeit gepaart. Denn es waren Reichelts Vorgänger wie Kai Dieckmann, die der Bild 2015 Aufkleber wie „Refugees Welcome“ beigelegt hatten. Mehr Propaganda mit einfachen Mitteln geht kaum: Bild als Helfershelfer der Bundeskanzlerin bei der Umsetzung der europäischen und UN-Flucht- und Migrationspläne.

Um was für eine Sendung handelte es sich auf Pro7?

Der in Spielfilmlänge angelegte Beitrag lief unter dem Titel „Deutschland radikal – Wie Hass unsere Gesellschaft spaltet“.

Thilo Mischke, der sich selbst in einem Vorspann „Investigativ-Reporter“ nennt, führt persönlich durch seinen Beitrag und fragt beispielsweise: „Warum ist Deutschland so gespalten?“ und „Woher kommt dieser Hass?“

Das ist – wir greifen es hier vorweg – deshalb auf besondere Weise zynisch, weil sich bei Mischkes Produktion für Pro7 unmittelbar der Eindruck einstellt, da bekommen Protagonisten Schläge und der Schläger fragt noch andauernd, warum diese denn bloß so schreien und bluten würden.

Entsprechend fragt Mischke immer wieder nach, woher denn bloß der Hass käme, während er seinen Hass und seine Hetze ausgießt. So funktioniert das System Mischke. Unterm Tisch zutreten, über dem Tisch die Hände gefaltet.

Nach Selbstbekunden will Mischke seit März 2020 zum Thema „Hass“ recherchiert haben. Bezeichnend seine Aussage, er sei beeindruckt gewesen, „wie aggressiv manche Menschen reagieren, wenn man mit ihnen darüber redet“.

Dass Thilo Mischke mit seiner toxischen Mischung aus Eitelkeit, Arroganz, Ideologie, seiner Anstiftung zu Hass und Hetze selbst direkte Ursache für diese Ablehnung ist, darauf kommt er überhaupt nicht und schreibt stattdessen in seiner Vorankündigung: „Mit Fakten kommt man nicht weit, daher bin ich mit ihnen in einen Dialog getreten.“

Ein amüsanter Satz. Denn dass Mischke hier tatsächlich keine Fakten präsentieren will, weiß man ja schon nach wenigen Minuten. Leider auch, was er unter Dialog versteht.

Thilo Mischke kann seine Häme kaum verbergen, er verachtet offensichtlich die Subjekte seiner Betrachtung. Seinen Hass spürt man in jedem Satz, in jedem versucht freundlichen Blick, in jeder Betonung – Mischke ein denkbar schlechter Schauspieler.

Aber was der Journalist da macht, ist nicht einmal neu, daran hat sich auch schon einmal Jochen Breyer versucht, der war zuletzt Moderator der Fußball-WM und hat eine Vorgeschichte als Widerling: Breyer ging wie Mischke – nur vor der Bundestagswahl 2017 – auf die Straße, um Menschen vorzuführen und so dem Wahlvolk vor den Bildschirmen klarzumachen, zu welchem Schmutz sie gehören, wenn sie keine der ehemaligen Volksparteien und ihre linken oder grünen Wurmfortsätze wählen würden.

Breyers Sendung hieß damals „Am Puls Deutschlands“ und Breyer besuchte mit seinem Kamerateam eine Frau in Ostdeutschland, die machte extra eine opulente Sahnetorte für die Fernsehleute, serviert in ihrer hübsch gemachten Gartenlaube, da wurde extra noch alles für das Fernsehen fesch gemacht, man kann sich die Aufregung vorstellen. Die Dame schüttet bei gutem Bohnenkaffee und Kuchen also ihr Herz aus, sagt, was sie drückt, und Breyer freute sich schon während des Gesprächs diebisch, dass er sein Gegenüber so vorführen konnte.

Der Focus schrieb später, ganz in Breyers Sinne: „Auf die Frage: ‘Was stört sie an Deutschland?‘ hatte eine Brandenburgerin viele Antworten. Umgekehrt ist sie ein gutes Beispiel, welche Leute in Deutschland stören. Leute wie diese Dame, die zusammen mit ihrer Tochter sehr viel Sahnetorte und sehr viel Facebook konsumieren.“

Exakt in diesem abstoßenden Duktus mit derselben Scheinheiligkeit agiert Mischke vier Jahre später auf Pro7 und wieder wenige Wochen vor der Bundestagswahl und wieder unterwegs bei den „Leuten“.

Malte, Ursula und Jürgen

Mischke hat sich scheinbar willkürlich drei Opfer aus Freiburg ausgesucht: Drei Corona-Maßnahmenkritiker kommen zu Wort. Malte, Ursula und Jürgen heißen die Gesprächspartner vom Thilo Mischke.

Mischke fragt beispielsweise Jürgen: „Warst Du vor Corona schon so?“ Aber das geht ja kaum doofer. Wie soll er vor Corona ein Corona-Maßnahmenkritiker gewesen sein? Seine Frage zielt also von Anbeginn an auf eine Pathologisierung. Wer diese beste Regierung aller Zeiten kritisiert, muss ja irgendwie pathologisch sein. Und Thilo Mischke hat diese passive Aggressivität perfektioniert. Hinterfotzig nennt man so etwas wohl landläufig, hier noch gepaart mit einer pseudo-elitären Form der Verachtung für das Gegenüber.

Auffällig dabei u.a. der mehr schlampige als lässige Bekleidungsstil Mischkes, der wohl so etwas wie Volksnähe ausdrücken soll und dabei noch aufgesetzter wirkt. Thilo Mischke gibt sich interessiert, erscheint aber in seinem Gefängnis bald noch eingezwängter als die von ihm beobachteten Freiburger:

„Auf dem Platz in Freiburg kann ich von einer herannahenden Gefahr für die Demokratie nicht viel spüren. Aber ich weiß auch, welche Wucht diese Überzeugungen entfalten können, wenn sie von tausenden Demonstrierenden in meiner Heimatstadt Berlin verbreitet werden.“

Reden will Mischke im Land mit „Querdenkenden und so genannten Verschwörungsgläubigen“. Er hätte mit den Menschen gesprochen, „warum sie so große Zweifel an unserer Demokratie haben“. Wirklich so unsinnig beginnt die Reportage. Denn hier geht es ja nicht um Zweifel an der Demokratie, sondern darum, dass viele richtig Angst um eben diese Demokratie haben.

Demokratie ist kein steinernes Denkmal

Menschen, die an der Politik zweifeln, an den Medien und an einigen Mitbürgern, die zu bequem geworden sind zu verstehen, dass Demokratie kein steinernes Denkmal ist, sondern täglich neu erlebt und erstritten werden muss. Gedanken, die Thilo Mische trotz seiner Recherchen offensichtlich nicht einmal ansatzweise zu denken in der Lage ist. Stattdessen eine große Pathologisierung seiner Gesprächspartner von hinten durchs Auge.

Doch, einmal bekommt Mischke es wohl doch mit der Angst zu tun über seine Vorgehensweise. Da fällt auch ihm auf, dass etwas schiefläuft. Wo nämlich der Spitzenkandidat der FDP aus Halle seine Frau gewissermaßen von der Bildfläche verschwinden lässt und ihr eine medizinische Behandlung empfiehlt, weil die offensichtlich empfindsame Ärztin sich impfkritisch gibt und ihre Kritik ausgerechnet noch auf dem Marktplatz in Halle in ein Mikrofon spricht.

Der Dialog zwischen Mischke und dem Freidemokraten Andreas Silbersack verläuft dann so: Seine Frau hätte Raubbau an der eigenen Gesundheit betrieben, weil sie sich zu lange mit den sozialen Medien auseinandergesetzt und das in den Vordergrund ihre Handelns gestellt hätte, wie Silbersack in die Kameras in Abwesenheit der Frau erzählt.

„Dann ist es natürlich in der Diskussion so, dass man dann sagt: Na ja, was machst Du denn hier? Was soll’n das Ergebnis sein? Sie war übermüdet, sie könnte einfach kaum noch schlafen. Das waren wirklich auch furchtbare Nächte und Tage.“

Thilo Mischke wird es an der Stelle wohl mulmig, wo das hinführt und er fragt nach: „Hat sie denn zu Ihnen gesagt, ‘Ich brauche Hilfe?‘ Oder haben Sie gesagt, wir müssen jetzt etwas machen?“

Silbersack: „Wir müssen jetzt was machen, ja. Dann habe ich auch gesagt, ich will und kann das nicht mehr. Wir müssen jetzt schauen, dass das eben auch medizinisch betreut wird.“

Da bleibt man sprachlos zurück

Noch mehr, weil Mischke hier nicht etwa Aufklärendes im Schilde führte, er folgte ja nur seiner Masterthese vom krankhaften Querdenken. Mischke fragt, „warum Menschen bereit sind, ihre Freundeskreise zerbrechen zu lassen und warum sie ihre Familien zurücklassen“.

Mischke unterschlägt hier von Anfang an bereitwillig die Stigmatisierungen, die Diffamierungen und Ausgrenzungen bestimmter Meinungen – Haltungen, hinter denen Menschen stehen. Der Graben wird ja von der Politik und den Medien in die Familien getragen, nicht andersherum.

Thilo Mischke macht es nach bewährtem Muster (siehe Breyer): Er sucht sich ein paar nette Bürger aus, die ihm, frei von Misstrauen, in die Falle laufen und garniert diese – man könnte es eine naive nennen – garniert diese Offenheit mit ein paar echt üblen Erscheinungen der rechten und religiös-esoterischen Szene. Schon ist der Giftcocktail gemischt: „Ich begebe mich auf die Spur einer Sekte, die Verschwörungstheorien verbreitet und vom Systemsturz fantasiert.“

„Das Vertrauen in Institutionen, die zentral für die Demokratie sind, wird gezielt untergraben“, heißt es gleich zu Beginn. Auch hier muss man sich allerdings wieder die Frage nach der Henne und dem Ei, nach Ursache und Wirkung stellen.

Mischke sagt, er wollte in seiner Reportage schauen, wie man den Graben überwinden kann, „damit wir uns am Ende wieder in die Augen sehen können“. Was dabei herausgekommen ist, hat den Graben tiefer gemacht.

„Wie Hass unsere Gesellschaft spaltet“ ist wieder nur weiterer Treibstoff für die Hassmaschine geworden, weil Mischke das so wollte. Thilo Mischke auf der Suche nach dem Hass. Und indem er Hass sät, erntet er ihn auch reichlich.

Mischke spricht von „Verbreitung durch Desinformationen durch sogenannte alternative Medien“. Aber dann kommt der eingangs schon erwähnte Julian Reichelt mit seinem Querschuss – der Bild-Chef will die Lorbeeren zwar für sich, spielt so aber den Ball der Alternativen Medien.

Pro7 besucht auch Verfassungsschutzpräsident Thomas Haldenwang. Der erzählt Mischke von der in seiner Behörde neu eingeführten Kategorie „Delegitimierung des Staates“. Haldenwang sagt es direkt: Da waren Leute unterwegs, die man nicht in die klassischen Extremismusbereiche einordnen konnte. Weil sie dann aber auch keine Extremisten sind, musste eine neue Kategorie erfunden werden, nicht um die Verfassung vor ihnen zu schützen, sondern die Regierung vor einer Opposition?

Häme, Hass und Hetze

Und damit sind die Highlights der Häme dieser Reportage noch nicht einmal zu Ende erzählt: Eine „Aussteigerin“ wird noch vorgeführt und auch so benannt. Die Frau des FDP-Mannes muss in medizinische Behandlung, die Aussteigerin aus der Querdenkerszene hatte da mehr Glück. Der Zuschauer, der bedrückt ist von der aktuellen politischen Lage, bekommt hier also erzählt, dass er aufpassen muss, dass er den Dingen besser nicht auf den Grund gehen soll, das würde krank machen – von der Regierungskritik direkt in die Sekte.

Die Antifa taucht auch mehrfach auf, als würde Mischke deren Nähe suchen. Aber als was? Als Legitimation? Als Kernseife gegen die von ihm so schmuddelig gemachten und dargestellten Gesprächspartner?

Diese Reportage auf Pro7 hat eine Reihe von Umfragen in Auftrag gegeben, die so etwas wie Seriosität einspielen sollen. Ein veritables Eigentor ist allerdings dabei, als gefragt wurde, welcher gesellschaftlichen Gruppe die Menschen im Zuge der Corona-Pandemie weniger vertrauen: Ganz vorn mit 66,1 Prozent die Politik, gefolgt von der Presse mit 45,2 Prozent.

Der so genannte politmediale Komplex hat also massiv an Vertrauen verloren. Und die Gründe dafür liefert „Deutschland radikal – Wie Hass unsere Gesellschaft spaltet“ auf Pro7 direkt frei Haus in die Wohnzimmer. Oder wie es Julian Reichelt gesagt hatte: Große Teile der deutschen Medien hätten sich während der Corona-Krise dem Bereich Propaganda zugewandt. Und sie tun es noch.

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Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine. Ich schätze meine Leser als erwachsene Menschen und will ihnen unterschiedliche Blickwinkel bieten, damit sie sich selbst eine Meinung bilden können.

Alexander Wallasch ist gebürtiger Braunschweiger und betreibt den Blog alexander-wallasch.de. Er schrieb schon früh und regelmäßig Kolumnen für Szene-Magazine. Wallasch war 14 Jahre als Texter für eine Agentur für Automotive tätig – zuletzt u. a. als Cheftexter für ein Volkswagen-Magazin. Über „Deutscher Sohn“, den Afghanistan-Heimkehrerroman von Alexander Wallasch (mit Ingo Niermann) schrieb die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung: „Das Ergebnis ist eine streng gefügte Prosa, die das kosmopolitische Erbe der Klassik neu durchdenkt. Ein glasklarer Antihysterisierungsroman, unterwegs im deutschen Verdrängten.“ Seit August ist Wallasch Mitglied im „Team Reitschuster“. Dieser Artikel erschien zuerst auf seiner Seite  alexander-wallasch.de

Bild: Screenshot Video Pro7
Text: wal

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