Von Daniel Weinmann
„Freedom Day“? Nein danke! Dass die Bundesbürger auch nur einen kleinen Teil ihrer Freiheiten zurückbekommen sollen, ist Karl Lauterbach ein Dorn im Auge.
Eigentlich sollen Impfnachweise, Masken am Arbeitsplatz und in den Schulen, Veranstaltungen in halber Stärke der Vergangenheit angehören. Doch nicht mit dem Gesundheitsminister. „Wir befinden uns in einer Situation, die ich als kritisch bezeichnen möchte“, mahnte Lauterbach am vergangenen Freitag in Berlin. Die Lage sei viel schlechter als die Stimmung im Land.
Der oberste Pandemie-Beauftragte der Nation sagt voraus, dass über die ganze Republik verteilt in einigen Regionen ein Infektionsgeschehen entsteht, das das Gesundheitssystem wieder an die Belastungsgrenze führt. „Ich sehe das an vielen Orten“, betonte der ewige Warner. Und für diese sollten scharfe Maßnahmen möglich sein.
Hotspot-Regelung nur unter hohen Hürden durchführbar
Die einzige Warnung, die in seinem Sammelsurium der Panikmache bislang fehlt, ist die Warnung vor sich selbst. Sein Kabinettskollege Marco Buschmann, mit dem er den neuen Entwurf des Infektionsschutzgesetzes verhandelte, geht zumindest einen Schritt in die richtige Richtung. Eine Studie seines Ministeriums kommt zu dem Fazit, dass der Gesetzentwurf die Verhängung von Maßnahmen – entgegen Lauterbachs Credo – nicht bei steigender Fallzahl, sondern nur bei drohender Überlastung der Krankenhäuser ermögliche. Diese „Hotspot“-Regelung habe „Ausnahmecharakter“ und sei nur „unter hohen Hürden“ durchführbar.
Hohe lokale Inzidenzwerte oder deren starker Anstieg allein genügen nicht für Maßnahmen, so die Analyse. Daher sei eine Formulierung von Schwellenwerten nicht zielführend und würde möglicherweise sogar den falschen Fokus setzen. Darüber hinaus muss nach Ansicht der Autoren vor einer Einstufung von Hotspots die Anwendung milderer Mittel geprüft werden. Dazu zählt beispielsweise der Zugriff auf Krankenhauskapazitäten außerhalb der betroffenen Region.
Dies dürfte selbst nach Einschätzung von Lauterbach kaum Realität werden: „Unter Berücksichtigung der stabilen Situation auf den Intensivstationen ist aktuell eine Überlastung des Gesundheitssystems nicht mehr zu erwarten“, hatte der Gesundheitsminister laut „Bild“ in einem Brief an Krankenhausvertreter eingestanden.
»Diesem Mann müssen endlich die Grenzen aufgezeigt werden«
Die Analyse des Justizministeriums geht indes noch weiter. Danach kommt die Hotspot-Regelung ohnehin nur für den Fall in Betracht, dass eine Virusvariante mit einer „signifikant höheren Pathogenität“ im Vergleich zur aktuellen Omikron-Variante auftritt. „Gedacht ist hierbei an einen ‚Gamechanger‘, der es erfordern würde, die aktuelle Bewertung der Pandemie zu revidieren“, zitiert die „Welt“ aus dem Papier.
Für die Experten ist das Auftreten einer solchen Variante in Deutschland derzeit aber nicht absehbar. Der gesundheitspolitische Sprecher der AfD-Fraktion im Bayerischen Landtag, Andreas Winhart, forderte die Staatsregierung angesichts Lauterbachs jüngster Volte auf, „sich auf Bundesebene gegen Lauterbachs Willkür und Corona-Besessenheit zu stellen. Diesem Mann müssen endlich die Grenzen aufgezeigt werden! Es darf nicht geduldet werden, dass er die Bürger für immer in Geiselhaft nimmt“.
An diesem Freitag wird der Bundestag – wie üblich, wenn es um Corona-Maßnahmen geht – im Schnellverfahren über den Gesetzesentwurf für mögliche Lockerungen abstimmen. Gut möglich, dass sich Karl Lauterbach rumpelstilzchengleich zerreißt.
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Daniel Weinmann arbeitete viele Jahre als Redakteur bei einem der bekanntesten deutschen Medien. Er schreibt hier unter Pseudonym.
Bild: NeydtStock/ShutterstockText: dw