Von Kai Rebmann
Die in der aktuellen Fassung des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) verankerten Schutzmaßnahmen sind noch bis zum 23. September 2022 gültig. Aus objektiver Sicht besteht also kein Anlass, vorschnelle Entscheidungen über die Ausgestaltung künftiger Corona-Maßnahmen zu treffen, zumal die Evaluation der bisherigen und teilweise sehr weitreichenden Einschränkungen kurz vor dem Abschluss steht. Die Bundesregierung, allen voran Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD), ist da offenbar anderer Meinung und versucht, die Rückkehr zu den von ihr so liebgewonnenen Maßnahmen wie Maskenpflicht, 2G- und 3G-Regel sowie anlassloses Testen im Schweinsgalopp durchzupeitschen. Doch was ist der Grund für diese fast schon verzweifelt wirkende Eile?
Übereinstimmenden Medienberichten zufolge wird das von der Evaluationskommission erstellte Gutachten über Sinn und Unsinn der in Deutschland verhängten Corona-Maßnahmen bereits gegen Ende der nächsten Woche auf dem Tisch liegen und damit sogar einige Tage vor dem gesetzlich vorgeschriebenen Abgabetermin (30. Juni). Dem Vernehmen nach müssen die Maßnahmen-Hardliner mit einer schallenden Ohrfeige rechnen. Noch vor wenigen Wochen hatten Karl Lauterbach und der inzwischen aus dem Expertengremium ausgeschiedene Christian Drosten die Einhaltung dieser Frist für nicht machbar gehalten. Der Gesundheitsminister ließ seinen Allmachtsfantasien freien Lauf und verriet in einem Podcast, was er von der Arbeit der Evaluationskommission hält: „Die machen ihr Gutachten, das wird uns abgegeben, fertig ist.“ Gegenüber Stefan Huster, dem Vorsitzenden des Ausschusses, behauptete Lauterbach in einer E-Mail, dass die Evaluation nicht bis Ende Juni abgeschlossen sein müsse und es eine Verlängerung der Frist oder sogar eine ganz neue Ausschreibung geben werde. Was interessieren einen Karl Lauterbach schon irgendwelche Gesetzestexte oder die Meinungen von Experten, die er nicht selbst handverlesen hat?
Neue Maßnahmen? Ja, bitte! Fehler zugeben? Nein, danke!
Doch daraus wird nun leider nichts. Das Gutachten wird nicht nur fristgerecht vorliegen, es wird auch Wasser auf die Mühlen der sogenannten „Schwurbler“ sein, die seit nunmehr zwei Jahren vor den verheerenden Kollateralschäden von Schulschließungen, Lockdowns und ähnlichen Maßnahmen warnen. Wie die Süddeutsche Zeitung erfahren haben will, soll laut dem Gutachten lediglich das Tragen von Masken in Innenräumen etwas gebracht haben. Wohlwissend, dass eine Wiedereinführung der als nutzlos bewerteten Maßnahmen nach der Veröffentlichung des Berichts der Evaluierer nicht mehr durchgesetzt werden kann, wollen SPD und Grüne die Rückkehr zu eben diesen Einschränkungen so schnell wie möglich und so weitreichend wie möglich beschließen.
Völlig durch den Wind, ob der drohenden Verurteilung der bisherigen Maßnahmen, scheint Katrin Göring-Eckardt zu sein. Die Bundestagsvizepräsidentin äußerte sich in den vergangenen Tagen via Twitter zu diesem Thema und verwickelte sich dabei in Widersprüche. Am 9. Juni twitterte die Grüne: „Bewährte Maßnahmen müssen dann [ab Herbst] wieder möglich sein. Wir sollten noch vor der Sommerpause eine Verständigung über die Ziele beschließen.“ Darunter postete Göring-Eckardt einen Artikel der Zeit, in dem es heißt: „Der Bundestag müsse noch vor der Sommerpause die Ziele der künftigen Infektionspolitik beschließen, sagt Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt. Gesetze dürften nicht wieder im Hauruckverfahren zusammengebastelt werden.“ Bewährte Maßnahmen? Keine Gesetze im Hauruckverfahren, aber auf jeden Fall und ganz dringend noch vor der Sommerpause?
Wenig begeistert vom Vorgehen seiner beiden Partnerfraktionen in der Ampelkoalition scheint auch Marco Buschmann (FDP) zu sein. In der ARD sagte der Bundesjustizminister dazu: „Wir haben nach der Sommerpause zwei Sitzungswochen des Deutschen Bundestags, um ein ganz geordnetes, reguläres Gesetzgebungsverfahren zu durchlaufen.“ Der Gesundheitspolitiker Tino Sorge (CDU), der im Gegensatz zur FDP auch ganz offiziell der Opposition angehört, weist in der Welt darauf hin, dass der gesetzliche Auftrag gelte, auch wenn manche Erkenntnis unbequem sei. Man müsse Fehler auch mal eingestehen können, forderte Sorge.
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Kai Rebmann ist Publizist und Verleger. Er leitet einen Verlag und betreibt einen eigenen Blog.
Bild: ShutterstockText: kr
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