Von Kai Rebmann
Was ist gefährlicher – das Coronavirus oder die Impfung dagegen? Diese Frage, bei der es letztendlich um den entscheidenden Faktor der Mortalität geht, spaltet Wissenschaft, Politik und Gesellschaft seit nunmehr eineinhalb Jahren. Ein wichtiger Punkt, der bei dieser Diskussion häufig unbeachtet bleibt, ist die demografische Entwicklung der Bevölkerung. Am 22. Oktober 2021 berichtete der jeder Schwurbelei unverdächtige MDR darüber, dass es im Jahr 2020 in Deutschland keine Übersterblichkeit gegeben habe und beruft sich dabei auf eine Studie der Universität Duisburg-Essen. Zwar seien im Jahr 2020 rund 50.000 Menschen mehr gestorben als im Schnitt der Vorjahre (plus 5,5 Prozent), jedoch lasse diese Netto-Quote die demografische Entwicklung völlig außer Acht. Dr. Bernd Kowall von der Uniklinik Essen wies darauf hin, dass es im Jahr 2016 in Deutschland noch 4,8 Millionen über 80-jährige gegeben habe, im Jahr 2020 aber bereits 5,8 Millionen Bundesbürger dieser Altersgruppe angehörten. „Und dann erwarten Sie natürlich aufgrund dessen eine höhere Sterblichkeit, selbst wenn es keine Pandemie gegeben hätte. Und das müssen Sie natürlich mit rausrechnen“, so der Epidemiologe.
Während es im Jahr 2020 laut der vom MDR veröffentlichten Studie der Experten von der Universität Duisburg-Essen in Deutschland altersbereinigt also keine Übersterblichkeit gegeben hat, zeichnen die offiziellen Zahlen des Statistischen Bundesamtes für das Jahr 2021 ein völlig anderes Bild. Ein Twitter-Nutzer namens Ben, eigenen Angaben zufolge Software-Entwickler und Mitglied der FDP, hat auf Grundlage der bei Destatis veröffentlichten Zahlen die altersbereinigte Übersterblichkeit in Deutschland berechnet. Für das Jahr 2020 (ohne Impfungen) kommt er demnach auf eine leichte Übersterblichkeit von 1,9 Prozent, für das Jahr 2021 (mit Impfungen) wurde dagegen eine Quote von 5,7 Prozent ermittelt (siehe hier). Es sei an dieser Stelle ausdrücklich darauf hingewiesen, dass derartige Berechnungen natürlich noch keinen kausalen Zusammenhang zwischen der Impfung und der im Jahr 2021 ungewöhnlich hohen (altersbereinigten) Übersterblichkeit belegen. Aber Anlass zu weiterführenden Untersuchungen und Studien sollten sie dennoch sein, zumal inzwischen selbst Corona-Hardliner wie Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) vom lange Zeit verbreiteten Narrativ der „nebenwirkungsfreien Impfung“ abzurücken beginnen. Nicht zuletzt weist auch das Ärzteblatt in einem Bericht vom 19. Mai 2022 auf aktuelle Daten der WHO hin, die belegen, dass die Übersterblichkeit in Deutschland im zweiten Pandemiejahr (2021) „deutlich höher lag als 2020“.
Faktischer Zusammenhang zwischen Sterbefallzahlen und Impfkampagne
Die beim Statistischen Bundesamt öffentlich einsehbaren Daten zur Übersterblichkeit im Jahr 2021 geben aber noch weitaus mehr her. Sie sagen nicht nur aus, wie viele Menschen gestorben sind, sondern vor allem auch wann. Bei näherer Betrachtung dieser Daten fällt erstens auf, dass die signifikante Zunahme der Übersterblichkeit parallel zum Beginn der Impfkampagne einsetzte. Zweitens erfolgte die Annäherung an den Median der Vorjahre wiederum genau dann, als die Impfkampagne deutlich an Fahrt eingebüßt hat, sprich ab Anfang 2022. Das Statistische Bundesamt kommentiert diese Entwicklung so: „Ab Februar 2021 lagen die Sterbefallzahlen aufgrund der nahezu ausgebliebenen Grippewelle im Winter 2020/2021 zunächst unter dem mittleren Wert der Vorjahre. Im April und Mai stiegen sie wieder über den Vergleichswert. Erhöhte Sterbefallzahlen waren dann erneut von Anfang September 2021 bis Anfang Januar 2022 zu beobachten – in dieser Zeit stieg auch die Zahl der COVID-19-Todesfälle wieder deutlich an. Auch in der Wintersaison 2021/2022 ist eine Grippewelle weitestgehend ausgeblieben, während weiterhin COVID-19-Todesfälle auftraten. Die Sterbefallzahlen lagen ab Mitte Januar im Bereich des Vergleichswertes aus den Vorjahren oder leicht darüber.“
Das Statistische Bundesamt nennt also April/Mai 2021 und September 2021 als zwei neuralgische Zeitpunkte für einen beginnenden Anstieg der Sterbefallzahlen in Deutschland. Der Blick auf den Verlauf der Impfkampagne offenbart dabei Bemerkenswertes: Am 7. April 2021 wurden laut Impf-Dashboard des RKI insgesamt 726.000 Dosen verimpft. Bis zu diesem Datum lag der Tageshöchstwert bei gerade einmal 375.000 Dosen (26. März 2021). Weitere „Meilensteine“ der Impfkampagne waren der 28. April 2021 (erstmals über eine Million Dosen) und der 12. Mai 2021 (erstmals über 1,5 Millionen). Und was geschah im September 2021? Richtig, die Booster-Kampagne wurde eingeläutet. Am 1. September 2021 wurden rund 24.000 Booster-Impfungen verabreicht, nachdem es bis dato nur wenige hundert pro Tag gewesen sind. Der traurige Höhepunkt wurde am 15. Dezember 2021 erreicht, als 1,3 Millionen Booster-Dosen gespritzt wurden. Um den Jahreswechsel herum verlor die Impfkampagne der Bundesregierung dann immer schneller an Fahrt, ehe sie schließlich vollständig zum Erliegen kam. Dazu nochmal der letzte Satz der Stellungnahme des Statistischen Bundesamts: „Die Sterbefallzahlen lagen ab Mitte Januar (2022) im Bereich des Vergleichswertes aus den Vorjahren oder leicht darüber.“
Coronabereinigte Übersterblichkeit im Jahr 2021
Nachdem nun deutlich geworden ist, dass es im Jahr 2021, warum auch immer, eine Übersterblichkeit gegeben hat und die Entwicklung der Sterbefallzahlen praktisch analog zu jener der Impfkampagne verlief, wirft auch der Blick auf die coronabereinigte Übersterblichkeit einige Fragen auf. Die Daten des Statistischen Bundesamts über das Sterbegeschehen im Jahr 2021 verraten nämlich noch mehr. Ab November 2021 ist sowohl bei den Sterbefallzahlen als auch bei den Booster-Impfungen ein rasanter Anstieg zu beobachten – und zwar völlig unabhängig von den „an und mit“ Corona verstorbenen Menschen.
Gegen Jahresende 2021 lag die coronabereinigte Übersterblichkeit (Todesfälle abzüglich an/mit Corona Gestorbener) im Vergleich zum Median der Vorjahre bei bis zu 16,25 Prozent. Selbst nach Herausrechnung des altersbedingt zu erwartenden Anstiegs, wie von Dr. Bernd Kowall angemahnt, verbleibt eine signifikante Übersterblichkeit, die weder durch die demografische Entwicklung noch mit den Corona-Toten zu erklären ist. In der Kalenderwoche 48 (29. November bis 5. Dezember 2021) sind in Deutschland insgesamt 24.110 Menschen verstorben. Der Median der Jahre 2017 bis 2020 liegt bei 18.336 Todesfällen. Rechnet man die vom Statistischen Bundesamt ausgewiesenen 2.794 Corona-Toten heraus, so verbleiben immer noch 21.316 Tote. Wie sind diese knapp 3.000 Toten (plus 16,25 Prozent) zu erklären?
Bitte sehen Sie, liebe Leser, sich die beiden relevanten Statistiken an. Hier wird nicht mit gezinkten Karten gespielt. Die oben aufgeführte Beispielrechnung zur coronabereinigten Übersterblichkeit ergibt für nahezu jede einzelne Kalenderwoche des Jahres 2021 (ab KW 26) eine Netto-Quote, die deutlich oberhalb der in der eingangs erwähnten Studie genannten 5,5 Prozent liegt. Eine Angleichung an den Median der Vorjahre findet erst ab dem Zeitpunkt (Anfang 2022) statt, zu dem die Anzahl der täglich verabreichten Impfdosen rapide zu fallen begann. Warum werden die drängenden Fragen zu diesen offensichtlichen faktischen und vielleicht sogar auch kausalen Zusammenhängen von den verantwortlichen Politkern nicht schon längst selbst gestellt? Will man es womöglich gar nicht so genau wissen?
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Kai Rebmann ist Publizist und Verleger. Er leitet einen Verlag und betreibt einen eigenen Blog.
Bild: ShutterstockText: kr
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