Von reitschuster.de
Es ist zwar nur ein Tropfen auf den heißen Stein, aber immerhin besser als nichts. So oder ähnlich werden die meisten Verbraucher im Frühjahr gedacht haben, als die Bundesregierung in das sogenannte „Osterpaket“ unter anderem die Abschaffung der EEG-Umlage (Erneuerbare-Energien-Gesetz) gepackt hat. Das „Gesetz zur Absenkung der Kostenbelastung durch die EEG-Umlage und zur Weitergabe dieser Absenkung an die Letztverbraucher“ wurde am 28. April 2022 beschlossen und verpflichtet die Stromversorger dazu, ihren Kunden am Jahresende 3,72 Cent pro Kilowattstunde (kWh) zu erstatten, die ab dem 1. Juli 2022 verbraucht wird. Ab dem 1. Januar 2023 wird die EEG-Umlage dann dauerhaft abgeschafft. Praxistipp am Rande: Jetzt noch schnell den Zählerstand ablesen, damit am Jahresende auch nicht zu wenig erstattet wird.
Aber auch diese als „Entlastung“ verkaufte Maßnahme wird nichts daran ändern, dass Deutschland nach wie vor die höchsten Strompreise in ganz Europa hat. Im Jahr 2021 lag der Preis bei 31,9 Cent pro kWh. Unsere Nachbarn in Österreich (22,2), Frankreich (19,3) oder den Niederlanden (13,5) zahlen für denselben Strom deutlich weniger. Die EEG-Umlage war im Jahr 2000 eingeführt worden, um den Ausbau von Solar-, Wind-, Biomasse- und Wasserkraftwerken zu fördern. Nach mehr als 20 Jahren bleibt die bittere Erkenntnis, dass die Erneuerbaren nicht im Ansatz in der Lage sind, die flächendeckende Energieversorgung des Industriestandortes Deutschland sicherzustellen. Und es ist ja nicht so, dass die jeweils amtierenden Bundesregierungen über die Jahre hinweg nicht immer wieder auf ihre energiepolitische Irrfahrt hingewiesen worden wären.
Gaspreis-Umlage soll EEG-Umlage ersetzen
Anstatt den offensichtlich falschen Kurs zu korrigieren, greifen die Ampelkoalitionäre um Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) einmal mehr lieber auf Taschenspielertricks zurück. Die eben abgeschaffte EEG-Umlage soll schon bald durch eine Umlage auf den Gaspreis ersetzt werden. So sehen es zumindest die Pläne der Bundesregierung vor, über die aktuell mehrere Medien berichten. Grundlage für die Einführung des neuen „Instruments“ soll eine Änderung des Energiesicherungsgesetzes sein. Laut den Nachrichtenagenturen Reuters und dpa, denen der Entwurf vorliegt, sollen die drohenden Mehrbelastungen durch absehbar steigende Gaspreise dadurch „gleichmäßiger“ auf die gesamte Bevölkerung verteilt werden.
Die nächste Eskalationsstufe auf der Preisskala könnte schon im Laufe dieses Monats gezündet werden. Ab dem 11. Juli finden die alljährlich fälligen Wartungsarbeiten an der Gaspipeline Nord Stream 1 statt, die erfahrungsgemäß rund zehn Tage in Anspruch nehmen werden. Nicht wenige Experten, allen voran die Bundesnetzagentur, befürchten jedoch, dass Russland den Gashahn in diesem Jahr nach Abschluss der Wartungsarbeiten nicht wieder aufdrehen wird. Dann könnte ein Szenario drohen, in dem die Bundesnetzagentur die „erhebliche Reduzierung der Gasimportmengen nach Deutschland“ auch formal feststellt. Dieser Schritt wiederum ist die Voraussetzung, dass die Gasversorger in Deutschland die gestiegenen Preise trotz laufender Verträge an die Endverbraucher weitergeben dürfen.
Uniper und weitere Gasimporteure würden zwar bereits durch staatliche Kredite gestützt, wie Kanzler Scholz im ARD-Sommerinterview erklärte, jedoch wird man auch in diesem Fall nur noch vom berühmten Tropfen auf den heißen Stein sprechen können, falls aus Russland bald überhaupt kein Gas mehr in Deutschland ankommt. Es steht also zu befürchten, dass die Entlastungen durch die abgeschaffte EEG-Umlage durch die neue Gaspreis-Umlage nicht nur aufgefressen werden, sondern unter dem Strich sogar eine Mehrbelastung stehen wird. Und alles nur, um die selbstgerissenen Löcher in der Finanzierung der Energiesicherheit in Deutschland zu stopfen.
Bundesregierung exportiert weiter Gas
Wie Realsatire mutet vor diesem Hintergrund die Tatsache an, dass die Bundesregierung munter weiter Gas exportiert, ganz so als hätten wir selbst mehr als genug davon. Wie den Seiten des Bundesamts für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (Excel-Tabelle mit dem Titel „Entwicklung des deutschen Gasmarktes“) zu entnehmen ist, wurden die Exportmengen beim Gas auch nach dem Ausbruch des Ukraine-Krieges nur in homöopathischen Dosen reduziert. Noch im April wurden demnach 116.751 Terajoule (TJ) ins Ausland exportiert und damit nur unwesentlich weniger als in den Vormonaten März (117.088 TJ), Februar (128.812 TJ) und Januar (123.902).
Nun ist es natürlich aller Ehren wert, dass Deutschland seine bi- und multilateralen Lieferverträge offensichtlich einhalten und die internationalen Beziehungen nicht gefährden will. Die entscheidende Frage muss jedoch lauten, ob das um jeden Preis der Fall sein muss und wer diesen Preis letztendlich zu bezahlen hat. Wird der deutsche Endverbraucher mit einer Gaspreis-Umlage zur Kasse gebeten, während (oder vielleicht sogar damit) die Preise für die Gasexporte aus der Bundesrepublik ins Ausland stabil bleiben? Wer gegenüber den eigenen Bürgern eine weitere Umlage und damit zusätzliche Belastungen rechtfertigen will, sollte dazu umso mehr auch bei seinen ausländischen Kunden in der Lage sein. Andernfalls sind die Deutschen nicht nur beim Strompreis Europameister, sondern bald auch beim Gaspreis.
Bild: ShutterstockText: reitschuster.de
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