Ein Gastbeitrag von Dr. A. Weber
Unterhält man sich mit Menschen in seiner Umgebung, mit Kollegen, Freunden, Verwandten, merkt man wie verunsichert und verängstigt viele Menschen sind. Verängstigt durch die täglichen Horrormeldungen über die immer weiter ansteigenden Todeszahlen und die angeblich deutlich gestiegene Übersterblichkeit. Alles wegen Corona. Diese Zahlen werden benutzt, um den Lockdown und die weiteren Corona-Maßnahmen zu rechtfertigen.
Aber sind die Zahlen wirklich so schrecklich, wie sie kommuniziert werden?
Was den kritischen Zuhörer irritiert und stört, ist, dass auf die Jahre zuvor entweder gar nicht oder nicht korrekt Bezug genommen wird. Z. B. im ZDF am Freitag: „Übersterblichkeit im November erkennbar. In der zweiten Novemberwoche sind rund acht Prozent mehr Menschen gestorben als im Durchschnitt der Jahre 2016 bis 2019.“
Echt jetzt? In einer Woche mehr als im ganzen Jahr? So werden es viele verstehen.
Man meint, es ginge Ebola oder Pest um.
Wäre dem tatsächlich so, würde man eine deutliche Übersterblichkeit im Vergleich zu den Vorjahren sehen, gleich ob mit oder ohne Maßnahmen, denn das Killervirus würde „on top“ zusätzliche Todeszahlen verursachen. Geht aber ein jahrestypisches Erkältungs- oder Grippevirus um, würden die Corona-Maßnahmen nur leicht die Sterblichkeit reduzieren. Es sterben nun mal fast eine Million Menschen jedes Jahr in Deutschland. Wenn die Grippewelle die Todkranken oder sehr alte Menschen in einem Monat nicht erwischt, sterben sie Monate später an anderen Ursachen.
Im Falle von Ebola oder Pest wäre ein Lockdown zu rechtfertigen, im Falle einer Erkältungswelle/typischen Grippewelle eher nicht; zumindest haben wir es bisher nie so gemacht. Auch kann man sich auf die Erkältungs- und Grippewellen viel besser vorbereiten, sei es durch eine Aufstockung von Betten in Krankenhäusern oder durch bessere Versorgung der Bedürftigen und Risikogruppen.
Womit also kann man nun die aktuelle Situation vergleichen? Die Maßnahmen und ihre Kommunikation zeugen von einem „Killervirus“ von der Art Ebola/Pest. Doch was sagen die tatsächlichen Daten zur Sterblichkeit aus? Untertreibt man, um die Bevölkerung zu beruhigen und um die Wirtschaft zu schützen oder übertreibt man, um die Bevölkerung einzuschüchtern und um aus der Sicht der Übertreiber potenziell Schlimmeres zu verhindern? In diesem Artikel formulieren wir auf Basis öffentlich zugängiger Daten eine realistische Lageeinschätzung. Sachliche Analysen helfen in einer demokratischen Gesellschaft mit mündigen Bürgern, die besten Lösungen zu finden.
In diesem Artikel wird die Sterblichkeit in 2020 analysiert und ihr Verlauf in Bezug zu den vergangenen Jahren gesetzt, an sich die Aufgabe des RKI, die wir aber gerne übernehmen.
Was ist an Aussagen wie diesen dran, die wir seit April hören? „Wir sehen, dass die Übersterblichkeit steigt in Deutschland„.
Sterbezahlen, Prognose 2020
Vom Statistischen Bundesamt kann man die Sterbedaten bekommen (Quelle hier).
Die Daten sehen so aus:
Nach kurzer Analyse zunächst eines: Von Jahr zur Jahr sterben immer mehr Menschen im Mittel in Deutschland. Dieser Trend existiert schon seit ca. 2006, ganz unabhängig von Corona.
Woran liegt das? Es gibt verschiedene Gründe
- Die Bevölkerung wächst durch Zuwanderung – auch diese Menschen können sterben.
- Die Bevölkerungsstruktur verändert sich langsam – der Anteil der alten Menschen an der Gesamtbevölkerung wird immer größer.
- An der medizinischen Versorgung wird seit Jahren gespart oder sie wird nicht an die sich ändernde Bevölkerungsstruktur adäquat angepasst.
Was zeigen die Daten noch? Sterben in einem bestimmten, milden (in grün), Jahr (wie z.B. auch 2019) weniger Menschen als erwartet, werden die Sterbezahlen im nächsten Jahr „nachgeholt“. Die Sterbezahl im Folgejahr liegt dann ganz natürlicherweise also über der Trendlinie. Das geht auf die Todkranken und die Alten zurück, die der Grippewelle „entkommen sind“, und dann an anderen Ursachen Monate später versterben.
Man sieht, dass die Sterbezahlen seit 2006 mit ca. 9000 (9T) von Jahr zu Jahr durchschnittlich ansteigen. So sind 2006 ca. 820T Menschen gestorben, 2019 waren es ca. 940T.
Seit ca. 2012 hat sich die Rate sogar erhöht. Die Anzahl der Gestorbenen wächst jetzt um ca. 12.4T pro Jahr. Nun war die Anzahl der Gestorbenen im Jahr 2019 (wie in den Jahren 2006, 2011, 2014 und 2016) jeweils kleiner als im Jahr davor. Wie man am Verlauf der Daten sieht, sterben im Folgejahr dann stets mehr Menschen als in diesen „milden“ Jahren.
Im Jahr 2020 werden also schon rein statistisch, ohne Corona, deutlich mehr Menschen sterben als im Jahr 2019.
Hier nun drei Schätzungen für die Sterbezahl 2020
Um die Zahl der Toten in 2020 (wie sie bereits ohne Corona wäre) zu prognostizieren, müssen wir die Jahre mit fallender Sterblichkeit anschauen und dann bestimmen, um wieviel Prozent höher das nächste Jahr jeweils ausfällt.
Dazu müssen wir uns den Zeitraum ab 2006 anschauen. Hier gibt es einen Strukturbruch in den Daten. Davor fielen die Zahlen, ab da steigen die Zahlen im Schnitt an. Die zu 2019 analogen Jahre sind: 2006, 2011, 2014, 2016. Der Sprung auf 2007, 2012, 2015 und 2017 ist im Schnitt Faktor 1.029. Wenn man sich den mittleren absoluten Sprung anschaut, so ist er ca. 25T. Das ist deutlich mehr als der zweifache Trend von 9T Menschen mehr pro Jahr in diesem Zeitraum. Die Sterbezahlen für die Jahre 2007, 2012, 2015 und 2017 liegen im Schnitt um 4T höher als die jeweilige Trendlinie. Will man das anschaulich verstehen, funktioniert eine Analogie mit der Rundfunkgebühr: Verpasst man eine monatliche Zahlung, muss beim nächsten Mal nicht nur die doppelte Rate gezahlt werden, sondern auch die Mahngebühr. Hier ist es genauso. Gründe für die „Mahngebühr“ sind möglicherweise die Überlastung des Gesundheitswesens in einem Jahr mit höheren Sterbezahlen. Daher hier ein Appell an die Verantwortlichen in der Politik und im Gesundheitswesen, auf solche Jahre zu achten und sie besser vorzubereiten.
Nach dem Gedanken oben mit den verpassten Zahlungen und der Mahngebühr, läge die erwartete Sterbezahl für das Jahr 2020 ohne Corona deutlich über der von 2019, und zwar ist es statistisch gesprochen die Zahl aus 2019 (939520) multipliziert mit 1.029. Das ergibt 966766 Jahrestote (Forecast FC1, siehe Graphik unten). Das bedeutet ca. 27.250 mehr gestorbene Menschen im Vergleich zu 2019.
Eine zweite Möglichkeit, die Sterbezahlen für 2020 zu schätzen, wäre einfach den letzten Datentrend in die Zukunft fortzuschreiben. Der Trend seit 2016 sind ca. 12.66 T mehr Tote jedes Jahr. Die erwartete Sterbezahl für das Jahr 2020 wäre dann ca. 970.700 (Forecast FC2). Das wären ca. 31200 mehr verstorbene Menschen als im Vorjahr.
Eine dritte, sehr zurückhaltende, Annahme wäre, dass sich die Sterbezahlen im Jahr 2020 plötzlich stabilisieren und nicht mehr wachsen würden. Dann würden wir für 2020 die Zahl von 2018 (und nicht die von 2019, sonst würden sie ab 2018 im Schnitt fallen) heranziehen, also 954874 (Forecast FC3). Das entspräche einem Plus von ca.15350 Verstorbenen im Vergleich zu 2019.
Das Ganze sieht so graphisch aus:
Welchen Wert sollen wir annehmen?
Wenn man einmal alle Prognosen als gleich wahrscheinlich annimmt, dann wäre es der Mittelwert aus 966766, 970700 und 954874, also 964113 Jahrestote. Das entspricht einem Plus von ca. 24.600 Verstorbenen in 2020 gegenüber 2019, allein rein statistisch und auch wenn es kein Corona gegeben hätte.
Wir überprüfen das Ergebnis mit den zwei Standardmodellen des forecast package aus R. Der Forecast für das auto.arima Modell ergibt die Zahl 971200. Der forecast für das ets Modell 955500. Im Schnitt also ca. 963400, sehr nah an unserer Zahl.
Eine Übersterblichkeit (!) aufgrund des neuen Corona-Virus läge dann vor, wenn im Jahr 2020 signifikant mehr als 964100 Menschen sterben, also mehr als 24600 im Vergleich zu 2019. Diese Aussage hilft im Folgenden sehr bei der Bewertung der aktuellen Lage.
Analyse tatsächliche Sterbezahlen für das Jahr 2020
Im letzten Abschnitt haben wir für das Jahr eine Zahl Verstorbener von 964113 prognostiziert, ohne Corona in Betracht zu ziehen. Da das Jahr noch läuft, können wir aus den Daten bis jetzt eine Prognose für das Jahresende ableiten und mit 964113 vergleichen. Ein Jahr hat 52 Kalenderwochen. Dazu muss man statistisch die Sterbezahl aus KW1 mit 52 „hochskalieren“, die Sterbezahl aus KW1+KW2 mit 52/2, die aus KW1+KW2+KW3 mit 52/3 etc. und dann schauen, gegen welchen Wert die hochskalierten Zahlen bis jetzt laufen. Wir haben die Daten bis KW47. Das Ganze sieht dann so aus:
Die Kurve startet hoch, weil die Wintermonate am Anfang eines Jahres immer überdurchschnittlich hohe Todeszahlen haben. Wenn man diese Zahlen auf das Jahr hochrechnet, bekommt man einen zu hohen Wert. Die Kurve fällt in der Jahresmitte, weil die Sommermonate unterdurchschnittlich in Bezug auf Sterbefälle sind. Im Herbst steigen die Todeszahlen zwar wieder. Da wir aber gegen Ende nur wenig hochskalieren, stabilisiert sich das Ganze mehr und mehr.
Momentan läuft das Jahr 2020 gegen einen Wert oberhalb von dem sehr milden Wert im Jahr 2019, jedoch noch unter der Zahl der Gestorbenen in 2018 und weit unter unserer Prognose aus dem letzten Abschnitt (und dies, obwohl wir hier auf die Daten MIT Corona blicken).
Der Verlauf von 2020 ist bis jetzt also als mild bis statistisch unauffällig einzustufen.
Um die Gesamtzahl von 2019 zu erreichen, müsste die Sterberate ab KW 47 bei 16842 liegen. Das ist sehr unwahrscheinlich. Um die Gesamtzahl von 2018 zu erreichen, müsste sie bei ca. 20T liegen, und um die Prognose aus dem letzten Abschnitt zu erreichen, müsste sie bei 21.8T liegen.
Die Daten sehen momentan so aus:
Es sieht so aus, dass wir den Gesamtwert des sehr milden 2019 überschreiten werden. Dies war aus statistischen Daten aber auch zu erwarten, überrascht also nicht.
Vielleicht werden wir sogar den Wert von 2018 überschreiten. Jedoch bleiben wir voraussichtlich noch unter der Prognose für die natürliche Sterbezahl, also unterhalb des Wertes, den man statistisch erwarten würde (folgend der Beobachtung stetig steigender Sterbezahlen über die Jahre).
Diese Beobachtung in leichten Worten: Corona hat bislang die natürlich ansteigenden Sterbezahlen statistisch nicht (!) beeinflusst.
Stellen wir noch eine weitere Frage: Gegen welchen Wert würde die Sterblichkeit in 2020 laufen, wenn wir von den bisherigen Toten die Corona-Toten abziehen? Denn der Lockdown und die Hygienemaßnahmen unterstellen, dass die Coronatoten „on top“, also zusätzlich (!) zu den statistisch natürlich zu sterbenden Zahlen hinzukommen. Der hochgerechnete Wert sieht dann so aus:
Man sieht, dass ohne Corona-Tote, das Jahr 2020 (natürlich) weniger Tote hätte – aber eben sogar noch weniger als das milde Jahr 2019 (!), und dies trotz des seit 14 Jahren anhaltenden und immer stärker werdenden Trends hin zu mehr Toten pro Jahr.
Es ist übrigens gar nicht so leicht, verlässliche Zahlen über die Corona-Toten zu bekommen. Anbei die Daten vom RKI vom 24.11.2020 und vom 18.12.2020 vom statistischen Bundesamt:
Die Diskrepanz ist nicht nur gegen Ende zu sehen, hier hatte das Bundesamt mehr Zeit, um die Daten zu sammeln, aber die Diskrepanz besteht auch ganz zu Beginn der Pandemie. Laut RKI begann die Coronasterblichkeit in Deutschland in KW 10 mit 12 Toten. Laut Bundesamt für Statistik fing das Sterben erst in der KW 11 mit 18 Toten an. Auch in der Mitte der Pandemie gibt es große Unterschiede. Offenbar ist es um die Digitalisierung nicht groß bestellt. Auch ist es unbefriedigend, dass in KW 50 nur bis KW 47 Daten zur Sterblichkeit vorliegen.
Analyse Sterbezahlen Verlauf für das Jahr 2020
In diesem letzten Abschnitt wollen wir den Verlauf der Sterbezahlen je Kalenderwoche mit den Vorjahren vergleichen. Wir haben die Daten ab dem Jahr 2016 verfügbar (Quelle hier).
Bevor aus den Jahresverläufen wie üblich die Durchschnitte gebildet werden, müssen wir die Jahre 2016-2019 auf das Niveau von 2020 heben, denn wie wir im ersten Abschnitt sehen, steigen die Jahreswerte von Jahr zu Jahr an. (Technische Details dazu: Die Steigung pro Jahr liegt irgendwo zwischen 12.4 T und 12.7 T. Rechnen wir also mit dem kleineren Wert. 2016 muss um 4*12.4T angehoben werden, 2017 um 3*12.4T etc.).
Dann erhalten wir folgende Verläufe:
Jahr 2020 (in hellblau) sieht hier sehr mild aus (im Vergleich zu 2018 z.B.). Wie bei den milden Jahren 2016 und 2019, sind die Sterberaten in 2020 gegen Jahresende höher als in den anderen Jahren, weil der große Wellenberg im Frühjahr ausgeblieben ist, und jetzt all die Todkranken und Alten sterben, die sonst im Frühjahr gestorben wären.
Das Jahr 2020 hat die Besonderheit, dass es auf das milde Jahr 2019 folgt, und die Grippe-Welle im Frühjahr ausgeblieben ist. Die Corona-Welle im Frühjahr war bei weitem nicht so stark wie die Welle im sehr milden Jahr 2016 (orange), von den Jahren 2017 (grau) und 2018 (gelb) ganz zu schweigen. Das heißt, die Sterbezahlen im Herbst/Winter müssten deutlich über denen der Jahre 2016-2019 sein, was aktuell in den letzten Kalenderwochen auch der Fall zu sein scheint (es gibt noch keine amtlichen Daten vom statistischen Bundesamt, in der KW 41-46 liegt sie noch unter den Werten für 2016).
Schaut man sich die Kurven genauer an, so fällt auf, dass das anfangs milde Jahr 2020 zu den milden Jahren 2016 und 2019 sehr ähnlich aussieht. Bilden wir aus 2016 und 2019 den Durchschnitt, und heben den auf unseren Prognosewert von 964113 Toten für 2020 an, um zu schätzen, welche Sterbezahlen wir gegen Ende 2020 rein statistisch zu erwarten hätten:
Man sieht, dass die Zahlen für 2020 (blau) im Winter in den restlichen Kalenderwochen wie die rote Kurve wohl noch ansteigen werden. Das hat noch nichts mit Corona zu tun, sondern entspricht dem normalen Verlauf, wenn die Grippewelle am Anfang des Jahres entweder ausgeblieben ist, oder sehr schwach war, entsprechend der schwachen Coronawelle im Frühjahr. Dass der Verlauf für 2020 in KW 47 leicht drüber liegt, soll nicht beunruhigen. Bis einschließlich KW 47 sind insgesamt noch ca. 10T Menschen weniger gestorben als es statistisch normal wäre.
Ziehen wir die Coronatoten ab, sehen wir einen sehr untypischen Verlauf gegen Jahresende:
Viele der Coronatoten sind also vermutlich nicht „an“ sondern „mit“ Corona gestorben.
Um die Darstellung im Diagramm mit verschiedenen Jahresverläufen zu verbessern, glätten wir leicht die Sterbezahlen für 2020 und zeigen sie zusammen mit dem Mittelwert und den jeweiligen min-max Werten aus 2016-2019.
Man sieht, dass die Sterblichkeit 2020 (orange) am Anfang des Jahres 2020 lange sehr niedrig war, und sogar kleiner war als das Minimum der Jahre 2016-2019 (KW 1- 10). Ab KW 13 war die Sterblichkeit etwa auf dem selben niedrigen Niveau, ist aber nicht zurückgegangen, wie es für diesen Zeitraum typisch wäre. Statistisch war sie somit leicht unter dem Durchschnitt der letzten 4 Jahre (grau), dann KW 13 -14 leicht über dem Durchschnitt und in KW 15 – 17 war die Sterblichkeit knapp über dem Maximalwert der Jahre 2016-2019, das nur, weil alle Kurven für 2016-1019 in KW sehr eng verlaufen. In der KW 18 war die Sterblichkeit gleich dem Durchschnitt. Das vergleichen wir mit der Meldung des RKI vom 30.4 in der Welt (KW 18): „Wir sehen, dass die Übersterblichkeit steigt in Deutschland“ -> das ist also so nicht richtig!
Hier nochmal die geglättete (3m average) Sterblichkeit 2020 mit dem geglätteten Durchschnitt (3m average) der letzten 4 Jahre:
Damit können wir auch die Übersterblichkeit, als Differenz der tatsächlich Gestorbenen, relativ zum Mittelwert ermitteln.
Das Ganze sieht dann so aus:
In Blau sieht man die Übersterblichkeit, die am Anfang negativ war (linke Achse); das heißt, wir hatten am Anfang des Jahres eine Untersterblichkeit. Es sind weniger Menschen gestorben, als in den Vergleichsjahren im gleichen Zeitraum. Dann sieht man, dass sie im Corona-Frühling positiv war, dann wieder negativ und wieder positiv.
In Rot dann die aufsummierte Übersterblichkeit (rechte Achse (Achtung, negative Werte, also Untersterblichkeit)). Man sieht, dass die aufsummierte Übersterblichkeit in der KW 47 bei ca. -13.5T liegt, und die Übersterblichkeit selbst bei 965. Das heißt, im Jahr 2020 sind bis KW 47 ca. 13.5T Menschen weniger als erwartet gestorben.
Es bleiben noch 5 KW übrig. Wenn die Übersterblichkeit bei dem Wert 965 bleibt, hätte man 965*5=4825 Tote, die die gesamte Übersterblichkeit von -13.5T auf -8.6T erhöhen. Die Gesamtübersterblichkeit wäre für dieses Jahr aber noch immer negativ. Das heißt, das Corona-Jahr 2020 hätte ca. 9T Tote weniger als üblicherweise erwartet. Dass jetzt die Übersterblichkeit ansteigt, ist ein ganz normaler Vorgang: wie oben erklärt, hatte das Jahr 2020 keinen Wellenberg im Frühjahr und es folgt auf ein mildes Jahr 2019. Es versterben jetzt hauptsächlich diejenigen Todkranke und Alte, die sozusagen „das Glück hatten“, 2019 und den Anfang von 2020 zu überleben.
Hier das Ganze noch in Prozenten:
Die höchste Übersterblichkeit war mit 8% in der Kalenderwoche 15. Dazu muss man sagen, dass am Jahresanfang die Übersterblichkeit negativ war (bis zu -12%), und somit die Gesamtübersterblichkeit für 2020 bis KW15 bei -5% lag. In der Kalenderwoche KW15 ist die Übersterblichkeit zwar positiv, jedoch die Gesamtübersterblichkeit negativ.
Wie würde die Übersterblichkeit aussehen, wenn man die Coronatoten abziehen würde?
Wir hätten ein Wunderjahr mit fast durchgehender Untersterblichkeit. Das Jahr 2020 hätte bis zur KW 47 insgesamt 29T Tote weniger als erwartet.
Und das Ganze prozentual:
Fazit: Noch ist die Gesamtübersterblichkeit für 2020 leicht negativ. Das ist möglicherweise den Corona-Maßnahmen geschuldet. Ganz deutlich ist zu sehen, dass, wenn man Corona-Tote aus der Betrachtung herauslässt, man untypisch niedrige Sterbezahlen für dieses Jahr erhält.
Aus statistischer Sicht sind viele der Corona-Toten nicht „an“ sondern „mit“ Corona Gestorbene (denn die gemessene Anzahl der Toten war schon unter Normalbedingungen zu erwarten – Corona hat also darüber hinaus keine signifikant hohen „Zusatztoten“ verursacht).
Vielen gehen die Corona Maßnahmen nicht weit genug. Ich hoffe, dieser Beitrag hilft, die Lage realistisch einzuschätzen.
Anteil über 80-Jähriger an den Gestorbenen
Zum Schluß noch die Analyse der Verteilung der Gestorbenen nach Alter. Es heißt, dieses Jahr seien überproportional mehr alte Menschen gestorben, Corona wegen vermutlich.
Das Ganze sieht so aus:
In dunkel orange (für 2016-2019) und dunkel blau (für 2020) sind die tatsächlichen Sterbezahlen je KW (linke Achse). In hell orange und hell blau dagegen der prozentuale Anteil Gestorbener über 80 Jahre (rechte Achse).
Man sieht, dass die orangenen Kurven untereinander stark korrelieren, ebenso die blauen Kurven.
In den Grippe- und Hitze-Wellen sterben anteilmäßig mehr alte Menschen. Dagegen sterben sie nach solchen Wellen anteilmäßig weniger. Jedoch variiert der prozentuale Anteil nur um wenige Prozentpunkte.
Insgesamt starben/sterben 2020 also prozentual mehr alte Menschen als in den Jahren davor – die hell blaue Kurve liegt deutlich über der hell orangenen. Das war allerdings schon vor Corona so, in der ersten KW liegt die Kurve für 2020 über der für 2016-2019. Auch in den Jahren davor kann man diesen Trend beobachten. Am Anfang des Jahres lag der Anteil der über 80 gestorbenen bei 58.62% und der Mittelwert aus den Vorjahren bei 56.48%, also etwas mehr als 2 Prozentpunkte Unterschied. In der KW 47 liegt sind die Werte 60.64% bzw. 56.34%. Der Anteil ist also angestiegen. Wie sieht der Anstieg im Laufe des Jahres 2020 aus?
Man sieht, dass der allgemeine Trend positiv ist, es einen Anstieg vor Corona in KW 8 vor dem Corona Frühling gab. Dann ist der Anstieg wegen Corona stärker geworden (KW14). Nach KW 16 ging die Differenz zurück usw. Es gab einen starken Anstieg ohne Corona in KW 30, dann wieder einen Abfall in KW 34, und dann wieder einen Anstieg an KW 42. Insgesamt sieht man keine großen Ausreißer. Das Jahr 2020 folgt dem allgemeinen Trend, dass der Anteil alter Menschen an Gestorbenen zunimmt.
Zusammenfassung
- Die Sterbezahlen in Deutschland steigen seit 2006 von Jahr zu Jahr an.
- Auf ein mildes Jahr (zuletzt 2019) folgt stets ein heftiges Jahr, entsprechend müssen die Krankenhäuser vorbereitet sein.
- Jahr 2020 war auch im Frühjahr mild, wird also gegen Ende erwartungsgemäß umso schlimmer.
- Die Gesamtübersterblichkeit bis KW 46 ist noch negativ.
- Viele der Coronatoten sind aus statistischer Sicht nicht „an“ sondern „mit“ Corona gestorben.
- Im Jahr 2020 sind prozentual mehr alte Menschen gestorben. Der Anteil alter Menschen an den Gesamttoten steigt jedoch bereits seit Jahren.
Obiger Beitrag ist nach bestem Wissen und Gewissen anhand verfügbarer Daten erstellt. Die Folgerungen stammen allein aus den Daten und sind nicht anderweitig motiviert.
Gastbeiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine. Ich schätze meine Leser als erwachsene Menschen und will ihnen unterschiedliche Blickwinkel bieten, damit sie sich selbst eine Meinung bilden können.
Dr. A. Weber ist promovierter Physiker und arbeitet seit vielen Jahren als Data Scientist mit Schwerpunkt Zeitreihenanalyse und Forecasting in der Industrie.
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