Was für ein Abend! Was für eine Dramatik! Und was für eine Tragödie – wenn auch Gott sei Dank nur eine sportliche. Obwohl sie sich holprig und mit viel Mühe zu einem Sieg gegen Costa Rica rangelte, ist die Nationalmannschaft, die sich gar nicht mehr so nennen will, bei der Fußball-Weltmeisterschaft in Katar in der Vorrunde ausgeschieden. Zum zweiten Mal in Folge, genauso wie in Russland 2018. Der Sieg war wertlos, weil das DFB-Team nach der Niederlage gegen Japan und dem Unentschieden gegen Spanien das eigene Schicksal nicht mehr in der eigenen Hand hatte und auf Schützenhilfe der Spanier angewiesen war. Die aber nicht lieferten.
Deutschlands oberstes Fußball-Tribunal, die „Bild“, spricht ein vernichtendes Urteil: „Drei Turniere in Folge, bei denen wir nichts gerissen haben. Die Fußball-Welt hat früher vor uns gezittert. Als ‘Turnier-Mannschaft‘ wurden wir gelobt. Jetzt ist Deutschland nur noch ein Fußball-Zwerg.“
Doch leider trifft das nicht nur auf den Fußball zu. Sondern zunehmend auf unser Land und insbesondere seine früheren Stärken und seine Wirtschaft im Ganzen.
Moralischer Hochmut kommt vor dem Fall: Eine TV-Runde im Katar winkt den Deutschen hämisch hinterher – mit zugehaltenem Mund. Eine Anspielung auf die Geste, mit der die DFB-Elf ihre vermeintliche moralische Überlegenheit zur Schau stellte, und für die sie bei uns gefeiert wurde. pic.twitter.com/xM60bkBohn
— Boris Reitschuster (@reitschuster) December 2, 2022
In meinen Augen ist das Ausscheiden der Nationalmannschaft allzu symbolisch. Haltung steht im Vordergrund statt Leistung, Gratismut ersetzt echten Mut. Mit Überheblichkeit will man andere Länder und Kulturen am deutschen Wesen genesen lassen. Im entscheidenden Moment knickt man dann ein, statt Rückgrat zu zeigen. Moralin und Doppelmoral sind an die Stelle von dem getreten, was früher wesentlich zum Erfolg beitrug: Moral. Gesten sind wichtiger geworden als Taten. Man setzt auf Belehren statt darauf, zu lernen. Überheblichkeit ist an die Stelle von Demut getreten. Kritik wie von Sebastian Schweinsteiger wischt Hansi Flick als „absoluten Quatsch“ beleidigt ab. Man versteift sich auf Rechthaberei. Statt Selbstkritik zu üben, beteuert man, dass man gute Arbeit geleistet habe, sucht Schuldige. Wunschdenken und Haltung sind an die Stelle von Realitätssinn getreten, nur bei der Selbstüberschätzung erreichen wir noch Spitzenleistungen. Wir erleben eine absolute Politisierung statt einer Konzentration auf das Wesentliche. Und die Verantwortlichen denken nicht mal an Rücktritt.
Die DFB-Elf steht damit leider spiegelbildlich für das, was mit unserem Land geschieht. Auch wir alle scheiden aus. Aus der Liga der wohlhabenden, stabilen, freiheitlichen Länder. Aufgrund der gleichen Fehlentwicklungen. Das ist bitter, das ist traurig.
Man kann nur hoffen, dass Deutschland, das von einem SPD-Kanzler geführt wird, nicht genauso absinkt wie der DFB, der von einem SPD-Mann (Ex-Parteisprecher und Ex-Staatssekretär) geführt wird. Zumindest beim Sport wäre es vielleicht sinnvoll, Spitzenämter nicht nach Parteibuch zu vergeben.
Galgenhumor als Therapeutikum
Je schlimmer die Lage, umso wichtiger ist der Humor. Insbesondere der Galgenhumor. In dem habe ich mich nach der Niederlage versucht – und mir überlegt, wer die Schmach wie kommentieren könnte. Damit es trotz allem noch ein bisschen was zu lachen gibt:
-
- DFB: „Dafür haben wir Haltung bewiesen!“
- Lauterbach: „Die waren nicht genug geboostert!“
- Gesken: „Wir sind Moral-Weltmeister!“
- Kevin Kühnert: „Wir brauchen eine Fußball-Abgabe!“
- Göring-Eckardt: „Das Achtelfinale wird bunter werden, ich freue mich darauf!“
- Christian Wulf: „Das Vorrundenaus gehört nun zu Deutschland.“
- Lufthansa: „Im Prinzip gilt aber weiter: Diversity wins“
- Lindner: „Mit mir als Trainer wäre das nicht passiert!“
- Flick: „Die Spanier sind schuld, nicht wir!“
- Lambrecht: „Die Binde wird siegen!“
- Baerbock: „Wir haben doch gewonnen, ich verstehe die Aufregung gar nicht!“
- Nancy Faeser: „Rechte sind schuld. Ich ordne eine Razzia an!“
- Habeck: „Deutschland ist nicht ausgeschieden, wir sind nur nicht im Achtelfinale.“
- Merkel: „Das muss sofort rückgängig gemacht werden. Gegen die Schiedsrichter*Innen muss ermittelt werden!“
- Scholz: „Ich kann mich nicht erinnern. Was war da heute?“
- Ricarda Lang: „Wir haben es mit der Binde allen gezeigt!“
- Greta: „Das macht die Klima-Bilanz besser!“
Noch viel besser ist allerdings die Realsatire, die von der ARD in den Tagesthemen gleich nach dem Spiel geliefert wurde. Ich traute meinen Ohren nicht, als man dort eine Umfrage brachte, die man offenbar extra in Auftrag gegeben hatte. Zitat: „Fast jeder zweite Deutsche sagt, hier haben DFB und Nationalmannschaft nicht genügend Haltung gezeigt.“ Gemünzt auf die Geste mit dem Mund-Zuhalten.
Und das direkt nach dem Ausscheiden. Neben anderen Fragen zur „Haltung“. Die Kollegen leben in einer Parallel-Realität des polit-medialen Komplexes. Naiv, wer wie ich dachte, es geht um Fußball.
Absurde Haltungs-Hohepriester
Dass genau diese Politisierung zumindest erheblich mit verantwortlich war, dass die Mannschaft sich nicht in Ruhe auf den sportlichen Erfolg konzentrieren konnte – genauso wie bei der WM 2018 wegen der Debatte um das Özil-Bild mit Diktator Erdogan – allein dieser Gedanke scheint für die Haltungs-Hohepriester Ketzerei zu sein.
Das WM-Aus und die Reaktionen, wie der Vorwurf an die Spanier, die seien schuld, oder Aussagen von Spielern, man habe alles getan und es habe nicht an ihnen selbst gelegen (an wem denn sonst?) sind ein Fanal. Der Duden definiert ein solches als „weithin erkennbares Zeichen, das eine Veränderung, den Aufbruch zu etwas Neuem ankündigt.“ Im deutschen Fall wäre leider das Wort „Zusammenbruch“ statt Aufbruch angebrachter. Und leider spricht nichts dafür, dass ein Umdenken in Sichtweite wäre. Wie „das Wunder von Bern“ 1954 zu einem Symbol für den Wiederaufbau wurde, droht „die Schmach von Katar“ zum Symbol für den Niedergang zu werden.
Sehen Sie hier mein Video zu diesem Text.
Leser kaufen bei Lesern – etwas Besonderes zu Weihnachten: Bild: Twitter DFB Team