Ein Gastbeitrag von Fritz Vahrenholdt
Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Beschluss vom 24.3. 2021 auf die Klage von Luisa Neubauer, Volker Quaschning, Hannes Jaenicke und anderen entschieden, dass das bis dahin gültige Klimaschutzgesetz verfassungswidrig sei. Das Gericht kam zum Ergebnis, dass Deutschland nur noch 6,7 Milliarden Tonnen CO2 bis 2050 ausstoßen dürfe. Da aber nach Berechnungen des Gerichts bis 2030 rd. 6 Milliarden Tonnen CO2 emittiert würden und danach nur noch ein unrealistisches Budget von 1 Milliarde Tonnen übrig bliebe, kassierte das Gericht das Gesetz. Bundesregierung und Deutscher Bundestag verschärften nach diesem Spruch das Gesetz, so dass ausgehend von 762 Millionen Tonnen CO2 in 2021 in 2030 nur noch 438 Millionen Tonnen , 2040 149 Millionen Tonnen und 2045 Null CO2 emittiert werden dürfen.
Wie kam das Verfassungsgericht zu der Zahl von 6,7 Milliarden Tonnen, der Emission eines halben Jahres der Volksrepublik China? Der IPCC hatte in seinem letzten Bericht ein weltweites Restbudget von 800 Milliarden Tonnen CO2 festgelegt, die einzuhalten seien, um dadurch angeblich sicherzustellen, dass eine Erwärmung von 1,75 Grad Celsius seit 1860 eingehalten werden könne.
Das Gericht multiplizierte die 800 Milliarden Tonnen mit dem Bevölkerungsanteil Deutschlands an der Welt von 0,84 %. Man hätte zwar auch den Anteil Deutschlands am Weltbruttosozialprodukt von 4 % nehmen können. Dann hätte das Restbudget 32 Milliarden Tonnen betragen und dieses Budget würde kaum bis zum Ende des Jahrhunderts durch Deutschland aufgebraucht werden. Wieso spreche ich von einem Kardinalfehler? Das Gericht begründet seine Festlegung in Randnummer 32 wie folgt: „Im Gegensatz zu anderen Treibhausgasen verlässt CO2 die Erdatmosphäre in einem für die Menschheit relevantem Zeitraum nicht mehr auf natürliche Weise. Jede weitere in die Erdatmosphäre gelangende … CO2-Menge erhöht also bleibend die CO2-Konzentration und führt entsprechend zu einem weiteren Temperaturanstieg.“ Selbst der IPCC würde dieser hanebüchenen Feststellung widersprechen. Zur Zeit emittiert die Menschheit etwa 37 Milliarden Tonnen CO2. Ozeane und Pflanzen entnehmen aus der Luft etwa 22 Milliarden Tonnen.
Bedingt durch physikalisch-chemische Gesetzmäßigkeiten, hängt die Aufnahme durch Ozeane und Pflanzen von der CO2-Konzentration in der Luft ab: Maßgeblich sind also die 420 ppm CO2 in der Luft, aber keineswegs die Höhe der momentanen anthropogenen CO2-Emission. Weder die Flora noch das Meer können wissen, wieviel der Mensch gerade emittiert, sie spüren nur die Konzentration in der Luft. Schon diese einfache Überlegung führt zu dem Schluss, dass bei einer Halbierung der anthropogenen Emission praktisch die gleiche Menge CO2 von den Ozeanen und Pflanzen aufgenommen wird und der CO2-Gehalt daher gewissermaßen stehenbleibt.
Im letzten IPCC-Bericht findet (etwas versteckt in der Langfassung) man die Bestätigung: „Falls die Emission und die Aufnahme von CO2 gleich sind, stabilisiert sich die CO2-Konzentration. Falls die CO2-Entfernung größer ist als die Emission, würde die Konzentration sinken“ (IPCC, AR6, 2021 Frequently asked Questions 5.3).
Allerdings berücksichtigt der IPCC in seinen Szenarien diese Erkenntnis nicht. Er wendet viel lieber ein mathematisches Modell, das BERN-Modell an. Das BERN Modell teilt die jährliche Emission in vier Fraktionen auf, eine davon (22%) verbleibt ewig in der Atmosphäre, die anderen drei verschwinden mit Zeitkonstanten von 400, 40 und 4 Jahren in Ozean und Pflanzen. Mit Hilfe von sieben (!) Parametern wird das Modell so getunt, dass es die realen CO2 Konzentrationen einigermaßen wiedergibt. Warum sich 22 % des CO2 auf ewig den physikalischen Prozessen hartnäckig entziehen können, bleibt das Geheimnis der Schweizer Forscher.
Aber darauf fußt die Argumentation des Bundesverfassungsgerichtes mit weitreichenden Folgen für den Wohlstand, die Arbeitsplätze und die sozialen Sicherungssysteme in Deutschland.
Warum schreibe ich darüber? Weil es seit letzter Woche eine wissenschafliche Publikation von Rolf Dübal und mir in Annals of Marine Science gibt, die auf Grund gemessener Daten die Halbwertszeit des CO2 mit 36 Jahren bestimmt. Damit wird dem verheerenden Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes die Grundlage entzogen.
Die Halbwertszeit des CO2 beträgt 36 Jahre
Wie haben wir die Halbwertszeit des CO2 ermittelt? Durch die ansteigende CO2-Konzentration in der Luft bildet sich mehr Kohlensäure im Wasser und der pH-Wert der Ozeane an der Meresoberfläche sinkt von 8,2 vorindustriell auf etwa 8,05 heute – der Säuregrad steigt. Das Meerwasser ist jedoch nie sauer (pH-Wert kleiner 7), sondern stets alkalisch.
Die Abbildung zeigt als Punkte die gemittelten Messwerte des pH und des CO2-Gehaltes von 1985 – 2018, gemeinsam mit der Gleichgewichtsberechnung auf Basis der Zusammensetzung des Meerwassers, der Temperatur, des CO2-Gehalts in der Luft, der Massenbilanz und der Volumenverhältnisse. Man erkennt deutlich die Abweichung. Verursacht wird die Abweichung von der anthropogenen CO2-Emission, die schneller anstieg, als die natürlichen Senken sie verarbeiten konnten. Abweichungen von einem Gleichgewicht führen dazu, dass Ozeane und Atmosphäre in eine neue Gleichgewichtslage zu gelangen versuchen. Dies benötigt ein gewisse Zeit. Um die Zeitabhängigkeit eines solchen Anpassungsprozesses abzubilden, werden in der Regel exponentielle Funktionen wie beim Zerfallsgesetz angewendet.
Der Verlauf von CO2-Konzentration und pH-Wert konnte mittels eines (!) einzigen Parameters, nämlich der Halbwertszeit, an die Messdaten angepasst werden. Die Halbwertszeit beträgt 36 Jahre mit einer Fehlerbreite von +/-7 Jahren.
Mit dem so aus den Jahren 1850 bis 2020 bestimmten Wert der Halbwertszeit von CO2 können nun für ein beliebiges Emissionsszenario die zukünftigen Werte für den pH-Wert und die CO2-Konzentration berechnet werden.
Von besondere Bedeutung erscheinen zwei Szenarien: in Violett das wahrscheinlichste Emissionsszenario (RCP4.5), das in den nächsten 10 Jahren noch einen leichten Anstieg der CO2-Emission annimmt und dann bis 2080 auf die Hälfte zurückgeht sowie in Grün ein Rückgang der Emissionen bis 2040 auf die Hälfte, um auf diesem Niveau konstant zu bleiben.
Die daraus resultierenden Konzentrationen sind frappierend. Die violette Kurve wird 500 ppm nicht übersteigen und danach leicht fallen. Die grüne Kurve wird gegenüber heute nicht viel weiter ansteigen. Eine Katastrophe ist in beiden Fällen abgesagt. Denn gegenüber dem Ausgangspunkt von 1860 wird keine Verdopplung des CO2 erreicht, selbst wenn die Welt lediglich ein 50%iges Reduktionsziel erreicht.
Und wer sagt es nun dem Bundesverfassungsgericht?
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Fritz Vahrenholt ist Honorarprofessor an der Universität Hamburg im Fachbereich Chemie und war bis 1997 Umweltsenator der Freien und Hansestadt Hamburg. Von 1998 bis 2013 war er in Vorstandsfunktionen im Bereich der Erneuerbaren Energien bei der Deutschen Shell AG, der Repower Systems AG und der RWE Innogy. Er war bis Ende 2019 Alleinvorstand der Deutschen Wildtier-Stiftung.