Sehen Sie hier mein Video zum Thema – Merz dechiffriert.
„Merz und Opposition, das passt so gut zusammen wie Ricarda Lang und Kunstturnen“, schrieb kürzlich ein Leser in einem Kommentar unter einem Artikel hier. So böse diese Aussage ist – so schwer kann man ihr widersprechen. Und an dieses Zitat musste ich heute denken, als mir ein ausländischer Freund, der bestens in Berlin vernetzt ist, heute einen Link auf die Rede von Friedrich Merz im Bundestag schickte mit folgendem Kommentar: „Er versteht nicht, dass er fundamentale Opposition machen muss. Und die SPD lacht ihn deshalb aus und erniedrigt ihn. Die wollen seine ‘konstruktiven‘ Vorschläge nicht mal hören. Und er versteht das nicht.“
Eigentlich ist dieser Diagnose wenig hinzuzufügen. Statt wie einst Franz Josef Strauß auf den Tisch zu hauen und die Dinge klar beim Namen zu nennen, gibt der CDU-Chef eine schwache, ja erbärmliche Figur ab. Statt die „Ampel“ inhaltlich klar zu stellen, wofür sie jede Menge Angriffsfläche gibt, beklagt er sich, dass sie die „Minderheitenrechte“ der CDU verletzte, und die Ampel-Abgeordneten sich schlecht benehmen und die arme CDU beleidigen, etwa mit Zwischenrufen. Das ist geradezu tragikomisch, auf mehreren Ebenen. Und man könnte herzlich darüber lachen, wenn das Totalversagen der größten Oppositionspartei nicht so eine Katastrophe für unser Land wäre.
Merz Auftritt ist eher eine Klageschrift darüber, dass er schlecht behandelt wird, als eine Angriffsrede eines Oppositionsführers. Er beendet den peinlichen Auftritt dann auch folgerichtig statt mit einer Kampfansage mit einem Appell an die Regierung: „Meine Damen und Herren, ich möchte Ihnen anbieten, dass wir über die Sommerferien einmal in aller Ruhe darüber nachdenken, wie wir gemeinsam, Sie, die Mehrheit der Koalitionsfraktion und wir, die größte Oppositionsfraktion hier im Deutschen Bundestag dazu beitragen können, dass das Vertrauen der Bevölkerung unseres Landes in diese Institution Deutscher Bundestag wieder gestärkt wird.“
Offenbar, weil er inhaltlich nichts zu bieten hat, wiederholt Merz dann den gleichen Gedanken wenige Augenblicke später noch einmal, nur mit etwas anderen Worten: „Meine Damen und Herren. Ich mache Ihnen den Vorschlag. Ich mache Ihnen hier den Vorschlag, dass wir die vor uns liegende sitzungsfreie Zeit nutzen, einmal innezuhalten und darüber nachzudenken, wie wir die Arbeit hier in diesem Parlament zwischen der Opposition und der Regierung, aber auch zwischen ihrer Mehrheit und der Minderheit hier im Parlament so gestalten können, dass wieder eine Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger unseres Landes Vertrauen fasst in die Funktionsfähigkeit unserer Demokratie und auch in die Funktionsfähigkeit des Deutschen Bundestages als dem Hort der Demokratie unseres Landes.“
Mit anderen Worten: Bilden wir einen Ringelkreis und reden wir darüber.
Stellen Sie sich einmal für einen Moment einen Franz Josef Strauß vor, der so geredet hätte.
Allein bei dem Gedanken musste ich sofort lachen und den Kopf schütteln.
Merz ist damit die parlamentarische Entsprechung von Richtern, die glauben, Strenge könne nur schaden, und man müsste auch mit den übelsten Burschen einfach eine gemeinsame Sprache finden.
Nicht nur, dass Merz nicht beißt, wie es ein Oppositionsführer tun muss. Er macht deutlich, dass er sich nicht mal richtig zu bellen traut. Selbst bei der Wortwahl kommt das durch – wenn er brav von „Bürgerinnen und Bürgern“ spricht statt das generische Maskulinum zu verwenden.
Darf man sich angesichts eines solchen Auftritts wundern, dass böse Stimmen von „Blockparteien“ reden? Umso mehr, wenn zeitgleich ein CDU-Vorstandsmitglied für eine Zusammenarbeit mit den SED-Erben von der SED wirbt? Und ist es nicht folgerichtig bei so einem Ausfall der Union als Opposition, dass die AfD massiv zulegt?
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