Dass große Teile von Politik und Medien eine nicht ganz klammheimliche Sympathie für die beschönigend „Klima-Kleber“ genannten „Klima-Nötiger“ von der „letzten Generation“ & Co. haben, war schon bisher offensichtlich. Wenn man laut den Verdacht äußerte, dass über reine Sympathie hinaus durchaus auch gemeinsame Sache gemacht werde, wurde das als „Verschwörungstheorie“ diffamiert. Jetzt stellt sich heraus: Auch diese vermeintliche „Verschwörungstheorie“ ist wie so viele andere Realität.
Interne Protokolle, die der Zeitung „Welt“ vorliegen, zeigen ein geradezu atemberaubendes Bild. Die „Letzte Generation“ stehe in regem Kontakt mit Bundestagsabgeordneten, Landesregierungen, Polizisten und Journalisten, schreibt das Blatt in einem hoch interessanten Artikel, der leider hinter einer Bezahlschranke steht: Demnach legen die Papiere nahe, „dass mehrere Entscheider Sympathien mit der ‘Letzten Generation‘ äußerten und teilweise sogar Unterstützung anboten – und das, obwohl aktuell zwei Staatsanwaltschaften wegen der Bildung einer kriminellen Vereinigung gegen die Aktivisten ermitteln.“
„Insgesamt zeigen die Dokumente, dass Mandatsträger bereitwillig mit den radikalen Aktivisten in den Dialog treten“, schreibt das Blatt: „Und das, obwohl die ‘Letzte Generation‘ wohl weit radikalere Pläne schmiedet, als sie es öffentlich kundtut.“
Darauf deutet den Kollegen zufolge etwa ein Treffen mit dem Journalisten Tilo Jung hin. Im November 2022 traf sich der Mann, der mich in und außerhalb der Bundespressekonferenz ständig anfeindete und mich zweimal wegen nicht korrekten Maskentragens denunzierte, in einem Berliner Café mit einem Aktivisten der „Letzten Generation“. In dem Gespräch entwickelten Jung und der Aktivist, wie aus einem Protokoll über das Treffen hervorgeht, gemeinsam Ideen für neue Protestslogans. Darunter: „Euer Wachstum tötet uns“ und „Schluss mit eurem Wachstumsterror“. Beide Seiten schienen sich einig, so die Zeitung: Der „Wachstumszwang“, „die Reichen“ und der „Kapitalismus“ seien schuld am Übel des Klimawandels. Jung konstatierte demnach: „Für Reform ist es zu spät.“ Jung erklärte auf Anfrage der „Welt“, er wolle zu den Details des Gesprächs keine Auskunft geben.
Interne Protokolle der Klimaaktivisten belegen einen intensiven Austausch mit Abgeordneten und Ministern aus Bund und Ländern. Sogar Polizisten sollen sich der Bewegung angeschlossen haben. In den akribisch geplanten Gesprächen bauen die Klimaaktivisten ein Netzwerk von Unterstützern auf.
Medialer Komplize
Doch die Causa Jung ist nur die Spitze des Eisbergs. Nur zwei Tage vor der bundesweiten Razzia bei den Klima-Nötigern am 24. Mai saßen der „Welt“ zufolge „Letzte Generation“-Mitgründer Henning Jeschke und zwei weitere Aktivisten in Berlin mit den Grünen-Bundestagsabgeordneten Johannes Wagner, Stephanie Aeffner und Swantje Michaelsen zusammen: „Jeschke hat einen Plan. Er ist festgehalten auf Strategiepapieren der ‘Letzten Generation‘. Die Bewegung nutzt Treffen mit Abgeordneten demnach, um in der zweiten Reihe des Parlaments Unterstützung für die eigenen Anliegen zu mobilisieren.“
Über Hinterbänkler soll demnach Druck auf die Fraktionsspitzen von Grünen und SPD erzeugt werden. „Die wiederum sollen Kanzler Olaf Scholz (SPD) und Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) zu den nötigen Maßnahmen zwingen: die Etablierung eines Tempolimits, ein Neun-Euro-Ticket für den Nahverkehr und die Einführung eines Gesellschaftsrates, der am Parlament vorbei Klimaschutzmaßnahmen beschließen kann“, schreibt die Welt: „Das Gespräch mit den Grünen-Abgeordneten läuft gemäß dem Protokoll gut. Demnach sagen die Bundestagsabgeordneten zu, die Aktivisten mit weiteren Politikern zu vernetzen.“
Insgesamt trafen sich Vertreter der „Letzten Generation“ dem Bericht zufolge seit dem vergangenen Jahr mit mindestens 22 Bundestagsabgeordneten von SPD, Grünen, FDP und Linken. „Dazu kamen mehrere Treffen mit Vertretern von Landesregierungen, darunter mit der saarländischen Ministerpräsidentin Anke Rehlinger (SPD) und dem bayerischen Innenminister Joachim Herrmann (CSU) sowie diese Woche mit dem baden-württembergischen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann (Grüne)“, schreibt die „Welt“: „Auf kommunaler Ebene fanden Gespräche mit mindestens 35 Oberbürgermeistern statt, einige Stadtchefs solidarisierten sich in offenen Briefen.
Viele Zusagen
Manche Treffen gibt die „letzte Generation“ später offiziell bekannt, andere dagegen behandelt sie vertraulich. „Was im Detail hinter verschlossenen Türen besprochen wird, bleibt zwar auch in den Protokollen im Ungefähren“, schreibt die „Welt“: „Klar wird durch die Lektüre allerdings: Die Politik signalisiert Dialogbereitschaft. Viele Gesprächspartner sagen zu, weitere Kontakte herzustellen.“
Den Protokollen ist zu entnehmen, dass Politiker bei den Gesprächen verschiedenste Zusagen machten. „So vermerkten die Aktivisten nach dem Treffen mit der Grünen-Bundestagsabgeordneten Katharina Beck im Oktober vergangenen Jahres, dass die Politikerin der Gruppe fortan regelmäßig über ‘interessante Vorgänge‘ in der Gesetzgebung berichten wolle“, wie die „Welt“ schreibt: „Mehrere Abgeordnete, darunter die Grünen-Abgeordneten Michaelsen, Wagner und Aeffner, boten an, den Kontakt zu weiteren Politikern herzustellen. Außerdem könne man die Aktivisten zu verschiedenen Grünen-Veranstaltungen einladen.“
Die Grünen-Abgeordnete Jamila Schäfer soll demnach im November bekundet haben, ihre Partei stünde hinter den Forderungen der „Letzten Generation“. Die Grünen seien jedoch „gefangen in der Koalition“. Nach einem Gespräch mit dem SPD-Bundestagsabgeordneten Helge Lindh im Dezember notierten die Aktivisten der Zeitung zufolge: „Will uns unterstützen und in (sic!) die SPD infiltrieren“.
‘Gag‘ für die Medien
Auch Bayerns Innenminister Herrmann (CSU) äußerte laut Protokoll im Dezember 2022 Verständnis für die Klima-Extremisten. Er sagte demnach im Gespräch, dass der Klimaschutz zu langsam vorankomme. „Letzte Generation“-Mitgründer Henning Jeschke soll der Söder-Intimus angeboten haben, per E-Mail in Kontakt zu bleiben. Die saarländische Ministerpräsidentin Rehlinger (SPD) soll der „Letzten Generation“ im April dieses Jahres gar einen PR-Coup vorgeschlagen haben, so die „Welt“: Gemäß der Protokolle habe sie erklärt, dass die Aktivisten sich an einen alten Tisch von ihr kleben könnten – „als Gag“ für die Medien.
Die „Welt“ zitiert auch aus einem Dokument der für die Politikvernetzung zuständigen Arbeitsgruppe der „letzten Generation“. Darin ist ein Plan für eine Wirtschaftspolitik skizziert, „die mit freier Marktwirtschaft nur wenig zu tun hat“, so das Blatt: „Dort heißt es – in Anlehnung an Ideen der linken Wirtschaftsjournalistin Ulrike Herrmann – stichwortartig: ‘Sind im Kriegszustand (…) Weniger ist Mehr, staatliche Steuerung, Energie rationieren, Millionen umschulden, Bürger:innenrat als Start, bessere Welt‘. Ziel sei ein Modell, bei dem der Staat die Firmen lenke.
Das bedeutet: Sozialismus, wenn auch in neuem, grünen Gewand.
Dafür gibt es in den Medien nicht nur von Tilo Jung Sympathie. „In Dokumenten zur Vernetzung mit Journalisten notierten die Aktivisten unter anderem ein Gespräch mit einem Mitarbeiter aus der Redaktion von ZDF-Satiriker Jan Böhmermann“, wie die „Welt“ schreibt: „Keine direkte Zusammenarbeit aber die feiern uns“. Auch bei der Nachrichtenagentur Reuters habe man laut den Informationen der Zeitung eine Kontaktperson, „die uns liebt“. Und mit der ARD-Moderatorin Anja Reschke wolle man sich „bald auf einen Kaffee treffen“.
Auch Sympathien bei der Polizei
Neben Kontakten zu Politikern kümmern sich Arbeitsgruppen der „Letzten Generation“ auch um den Dialog mit Journalisten, Kirchenvertretern und der Polizei, so die „Welt“: Den internen Unterlagen zufolge sind mittlerweile acht Polizisten Mitglieder der Gruppierung, die sich auf illegale Methoden konzentriert. Darüber hinaus gibt es dem Beitrag zufolge viele „positiv gesinnte“ Kontakte innerhalb der Polizei. In einem Strategiepapier schreibt die „letzte Generation“ demnach: Ein Blick auf die Geschichte zeige, dass eine „Widerstandsbewegung 46-mal wahrscheinlicher ihre Ziele erreicht, wenn die Polizei auf ihrer Seite steht“.
„Wenn Polizisten sich bei der ‚Letzten Generation‘ engagieren und im Hintergrund an Veranstaltungen teilnehmen, Treffen organisieren oder bei Blockaden mitmachen, wäre das hochproblematisch“, sagte der Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, Jochen Kopelke, im Gespräch mit der „Welt“. Seiner Ansicht nach könnten solche Treffen auch dienstrechtliche Konsequenzen haben: „Nicht alles, was man privat macht, ist mit dem Beruf des Polizeibeamten vereinbar.“
Beck, Herrmann und Rehlinger bestätigten auf Anfrage des Blattes zwar Treffen mit den Klimaaktivisten, wollten konkrete Gesprächsinhalte aber nicht kommentieren. Warum? Schäfer sagte der „Welt“, das Protokoll gebe nicht den tatsächlichen Inhalt des Gesprächs wieder. So habe sie vielmehr klargemacht, dass sie die Aktionen der Gruppe für wenig zielführend halte. Lindh nannte das Protokoll des Gesprächs auf Anfrage der Zeitung „absurd“: Er habe weder Unterstützung noch Hilfe bei der Vernetzung angeboten. Michaelsen, Wagner und Aeffner bestätigten ein Treffen, gingen auf konkrete Nachfragen der „Welt“ aber nicht ein.
Das Fazit der Zeitung: „Insgesamt zeigen die Dokumente, dass Mandatsträger bereitwillig mit den radikalen Aktivisten in den Dialog treten. Und das, obwohl die ‘Letzte Generation‘ wohl weit radikalere Pläne schmiedet, als sie es öffentlich kundtut.“
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