Von Daniel Weinmann
Beim WDR ist buchstäblich Schluss mit lustig. Nach Warnhinweisen für die Kalauer der rund ein halbes Jahrhundert alten „Otto-Show“ und für die 1990er-Jahre Kult-Sendung „Schmidteinander“ (Reitschuster.de berichtete) wird nun auch beim Münsteraner „Tatort“ der woke Rotstift angesetzt.
Die Humorpolizisten reiben sich am Spitznamen der seit 20 Jahren von Christine Urspruch verkörperten Rechtsmedizinerin Silke Haller. Ihr von Jan Josef Liefers gespielte Chef, Professor Karl-Friedrich Boerne, nennt sie „Alberich“. So heißt in der germanischen Mythologie der Zwergenkönig, der in der Nibelungensage einen Schatz hütet. Richard Wagner hat „Alberich“ in seinem Monumentalwerk „Der Ring des Nibelungen“ ein Denkmal gesetzt – zumindest so lange, bis die eifrigen Protagonisten der woken Cancel Culture in dem Opernzyklus jemanden finden, der sich diskriminiert finden könnte.
Der Stein des Anstoßes bei den Volkserziehern des WDR: „Alberich“ spielt auf die Kleinwüchsigkeit der 1,32 Meter großen Schauspielerin an. Den Drehbuchautoren kommt dies nicht mehr zeitgemäß vor, schließlich könnten sich Kleinwüchsige ausgegrenzt und verletzt fühlen, wenn Professor Boerne im mit Abstand erfolgreichsten „Tatort“ Sprüche wie diese klopft: „Wie es bei Familie Hempel unterhalb der Sitzmöbel bestellt ist, entzieht sich leider meiner Kenntnis, wo hingegen Sie sich ja noch nicht mal bücken müssten um das festzustellen!“ Oder: „Alberich, wie oft habe ich Ihnen gesagt: Unter 1,50 keine Witze!“
Alberich-Darstellerin liebt diese Art von Humor
Die Konsequenz: Im Drehbuch ist „Alberich“ fortan tabu. Schon vor 20 Jahren sei das schwierig gewesen, sagte Urspruch kürzlich gegenüber „Der Westen“: „Da gab es bereits die sogenannten Bedenkenträger. Wir haben es aber durchgeboxt und es ist zu einem Mega-Erfolg geworden.“
Heute sei es so, dass ihre Rolle von verschiedenen Seiten – etwa im Drehbuch – nicht mehr „Alberich“ genannt werde: „Wenn ich beispielsweise einen Dialog mit Jan Josef Liefers habe, dann steht im Buch Professor Friedrich Boerne und Silke Haller. Da steht nicht mehr Alberich.“ Auch die Witze, die Professor Boerne auf ihre Kosten mache, hätten sich gewandelt: „Sie sind abgemilderter. Das war ein großes Bestreben der Redaktion.“
Besonders grotesk ist, wenn um der politischen Korrektheit Willen diejenigen, die vor einer vermeintlichen Diskriminierung geschützt werden sollen, selbst nicht einmal im Traum auf die Idee gekommen wären, sich deswegen aufzuregen. Die kleinwüchsige Schauspielerin stört sich nicht im Geringsten an den „Alberich“-Gags, im Gegenteil: Sie liebt diese Art von Humor.
»Boerne wird mich in meiner Rolle der Silke Haller im Tatort auch künftig Alberich nennen – und das ist gut so«
„Ich bin eine Befürworterin unseres Humors miteinander“, unterstreicht Urspruch, „und ich glaube, Jan Josef Liefers auch. Wir finden das nach wie vor sehr lustig. Es gab natürlich auch Dialoge, die nicht so lustig waren. Die haben wir am Set aber einfach umgeändert. Und das war vollkommen okay.“ Dass insgesamt sensibel und differenziert mit dem Namen und der Rolle umgegangen wird, findet sie gut.
Fans der Boerneschen „Alberich“-Sottisen kommen trotz der künftig dem woken Mainstream angepassten Drehbücher dennoch weiterhin auf ihre Kosten. „Jan Josef Liefers und ich können weiter in den verbalen Schlagabtausch gehen – für die Zuschauerinnen und Zuschauer wird sich nichts ändern“, entwarnt die 52-Jährige Schauspielerin. „Professor Boerne wird mich in meiner Rolle der Silke Haller im „Tatort“ auch künftig „Alberich“ nennen – und das ist gut so.“
Bislang scheint den Humorpolizisten des WDR offensichtlich bereits Genüge getan, wenn der Tabu-Name nicht mehr im Drehbuch steht. Fragt sich angesichts der immer bizarrer werdenden linksgrünen Cancel Culture nur, wie lange Liefers und Urspruch unbehelligt ihren Frotzeleien frönen dürfen.
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Daniel Weinmann arbeitete viele Jahre als Redakteur bei einem der bekanntesten deutschen Medien. Er schreibt hier unter Pseudonym.
Bild: Screenshot Video Tatortmehr von Daniel Weinmann auf reitschuster.de
