Von Christian Euler
Das Virus hat den Journalismus fest im Griff, viele Medien überbieten sich geradezu dabei, für die Politik Partei zu ergreifen. Die Claqueure der Regierung kennen keine Scham. Das jüngste – und gleichzeitig wohl unrühmlichste – Beispiel ist der Angriff der „Süddeutschen Zeitung“ auf meinen Kollegen Boris Reitschuster. Weil er sich erlaubt, die Corona-Politik kritisch zu hinterfragen und damit auch noch sehr erfolgreich ist, sollte es mediale Prügel setzen. „Störfunk“ lautet bekanntlich die Überschrift jenes prominent platzierten Beitrags, der Boris zum Abschuss freigeben soll. Besonders perfide: Einer der drei SZ-Mitarbeiter missbrauchte als einstiger Freund von Boris dessen Vertrauen.
Wen der Artikel letztlich zur Strecke bringt, wird sich zeigen. Am Ende wird der Fall wohl auch die Gerichte beschäftigen. Mit Blick auf Beiträge wie diese verwundert kaum, dass jeder vierte Deutsche davon ausgeht, dass Politik und Medien bei der journalistischen Berichterstattung „unter einer Decke“ stecken. Dies zeigte eine repräsentative Umfrage unter knapp 1100 Bürgerinnen und Bürgern im August und September 2020 durch das Institut der deutschen Wirtschaft in Kooperation mit der Ruhr-Universität Bochum im Januar. 23 Prozent der Befragten stimmten sogar dieser Aussage zu: „Es gibt geheime Organisationen, die großen Einfluss auf politische Entscheidungen haben.“
Ein kleiner Trost: Nicht immer erfolgt die Parteinahme für die Politik so plump wie beim Trio der Gesinnungsethiker in der „Süddeutschen Zeitung“. Bisweilen macht sich (Selbst)kritik breit. Als „Regierungssprecher“, bezeichnete etwa der Ressortleiter der „Welt“-Gruppe, Andreas Rosenfelder, Anfang Januar Journalisten, die in der Coronakrise „ein Meinungskonglomerat aus Politik und Medien erzeugen, das jeden Kritiker der ,Systemmedien‘ in seinen krudesten Fantasien bestätigt“. Sie sehen, so Rosenfelder, ihre Aufgabe darin, die Strategie der Regierung zu verteidigen, und richten ihre Kritik stattdessen auf die „unvernünftigen“ Bürger. Vorgestern war es die „Welt am Sonntag“, deren Autor Wolfgang Büscher auf fast zwei Seiten „die Top 30″ der schönsten und schaurigsten Lobeshymnen deutscher Medien auf die Regierung zusammengetragen hat. „Sängerkrieg vor dem Kanzleramt“ lautet sein vielsagender Titel. Es erklingen erstaunliche Lobgesänge auf die Mächtigen, so Büscher, mal leise anschmiegsam, mal in dröhnendem, ja drohendem Ton – dann sei die Sehnsucht nach Ausnahmezustand unüberhörbar.
Zu den Extrembeispielen medialer Kumpanei mit den Herrschenden zählt das zitierte „Spiegel“-Interview mit Christian Drosten. Darin hieß es: „Einen größeren Schaden als Corona-Leugner haben im vergangenen Jahr wohl immer wieder Experten angerichtet, die immer wieder gegen wissenschaftlich begründete Maßnahmen argumentiert haben, zum Beispiel Jonas Schmidt-Chanasit und Hendrick Streeck… Wann platzt Ihnen der Kragen?“ Sehr traurig, so etwas in einem Nachrichtenmagazin lesen zu müssen, das einst mit Verve der Regierung auf die Finger geklopft hat.
Trotz des Niedergangs einstiger Leitmedien wie der „Süddeutschen Zeitung“ und dem „Spiegel“ gibt es Grund zur Hoffnung. Neben der „Welt“-Gruppe traut sich auch der „Focus“ immer wieder mit kritischen Beiträgen aus der Deckung.
Bild: Who is Danny/Shutterstock
Text: ce
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