Ein Gastbeitrag von Thomas Rießinger
Der Glaube, so heißt es, versetzt Berge. Obwohl mir zu meinem Bedauern noch kein Gesteinsmassiv begegnet ist, das man durch pure Glaubensleistung zu einer Bewegung hätte verleiten können, scheint doch der Glaube, der feste Glaube für viele eine bedeutende Rolle zu spielen. Um nur ein Beispiel zu nennen: Vor kurzem quittierte Svenja Schulze, die zu Recht nicht übermäßig bekannte Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Forderungen aus der Union, vielleicht die Entwicklungshilfe zu kürzen, um die Landwirte nicht mit einer erhöhten Steuer auf Agrardiesel zu belasten, mit den Worten: „Das sind populistische und erschreckend kurzsichtige Forderungen, die keine Probleme lösen, sondern sie nur verschärfen würden,“ denn „wenn wir aufhören würden, gemeinsam mit Partnerländern weltweit am Klimaschutz zu arbeiten, hätten wir bald jedes Jahr Hochwasser in Deutschland“.
Sie muss schon sehr viel Glauben an den eigenen durchideologisierten Unfug aufbringen, um sich zu diesem Argument zu versteigen. Hört Deutschland auf, Fahrradwege in Peru, „Grüne Kühlschränke“ in Kolumbien oder klimafreundliche urbane Mobilität in Indien zu fördern, wird es unweigerlich alljährlich überflutet. Ein wenig fühlt man sich bei derartiger Dogmatik an Ignatius von Loyola erinnert, den Gründer des Jesuitenordens, der in seinem Exerzitienbuch den Satz verewigte: „Wir müssen, um in allem das Rechte zu treffen, immer festhalten: Ich glaube, dass das Weiße, das ich sehe, schwarz ist, wenn die hierarchische Kirche es so definiert.“ Denn man braucht einen festen, einen starken Glauben, um ohne zu erröten Sätze wie den der Ministerin unters Volk zu bringen.
Überraschend ist das nicht. Schon lange trägt die alles Unheil dieser Welt heraufbeschwörende Klimaapokalyptik hochreligiöse Züge, es ist eine Klimareligion, in der man eben Gott durch das Klima ersetzt hat. Und wie bei jeder Religion tritt die altbekannte Gretchenfrage auf, mit der das bekannte Gretchen – nicht zu verwechseln mit der leider ebenfalls bekannten Klima-Ikone Greta Thunberg – den noch bekannteren Faust konfrontiert:
„Nun sag, wie hast du’s mit der Religion?
Du bist ein herzlich guter Mann,
Allein ich glaub, du hältst nicht viel davon.“
Faust will sich in seiner Antwort um die Frage herumdrücken, doch das lässt Gretchen, wie alle Überzeugungstäter, nicht zu und hält ihm entgegen:
„Das ist nicht recht, man muss dran glauben.“
So ist es, glauben muss man alles, was in der Klimareligion verbreitet wird, mag es auch so absurd sein wie Schulzes Auslassungen, und Fausts Gegenfrage „Muss man?“ ist schlimmste Klimaleugnung und übelster Populismus.
Nun soll es aber Leute geben, die nicht einfach alles glauben, was man ihnen erzählt – die werden allerdings nur selten Minister, was sich allem Anschein nach schon Platon gedacht hat: „Diejenigen, die zu klug sind, um sich in der Politik zu engagieren, werden dadurch bestraft, dass sie von Leuten regiert werden, die dümmer sind als sie.“ Auch bei Journalisten ist ein wenig Vorsicht angebracht; viele von ihnen neigen, vor allem im Falle einer Beschäftigung beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk, zu einer ausgeprägten Glaubensstärke in Bezug auf grünrote Dogmen, speziell auf den Kampf gegen Rechts und den Kampf gegen den Klimawandel. Doch es gibt Gegenbeispiele. So hat beispielsweise der kritische Journalist Henning Rosenbusch kürzlich darauf hingewiesen, dass manche Daten nicht so recht zu den Dogmen der Klimasekte passen wollen, und diese Daten sind einen genaueren Blick wert.
Schon früher habe ich Daten der Plattform „Our World in Data“ benutzt, und von dort stammen auch die Informationen über die „Number of recorded natural desaster events“, also die Anzahl der registrierten Naturkatastrophen, und das weltweit. Sie werden nicht nur summarisch aufgeführt, sondern fein säuberlich aufgeteilt in Katastrophen verschiedenster Art, von denen man manche einer eventuellen Klimakrise zuordnen könnte, manch andere wie Erdbeben oder Vulkanausbrüche eher nicht. Interessant sind hier offenbar nur die Katastrophen mit einem möglichen Klimabezug, dazu rechnet man „drought“, also Dürre, „extreme weather“, womit Stürme gemeint sind, „extreme temperature“, sei es zu heiß oder zu kalt, „flood“ und „wildfire“, worunter man unkontrollierte Brände wie Waldbrände oder Buschfeuer versteht. Ihre Häufigkeit über die Jahre ist in der folgenden Grafik aufgetragen.
Werden wir hier Zeugen einer Katastrophe? Seit dem Jahr 1900 bewegt sich für alle fünf ausgewählten Kategorien die Anzahl der Naturkatastrophen mehr oder weniger deutlich nach oben – wer sonst sollte dafür verantwortlich sein als der menschengemachte Klimawandel? Doch das ist ein Trugschluss, wie so oft. Schon bei „Our World in Data” selbst findet man noch vor der Grafik einen ersten Hinweis: „Note that this largely reflects increases in data reporting, and should not be used to assess the total number of events.” In deutscher Sprache: „Es ist zu beachten, dass dies weitgehend die Zunahme der Datenmeldungen widerspiegelt und nicht zur Beurteilung der Gesamtzahl von Ereignissen herangezogen werden sollte.“
Im Jahr 1900 hat man sich noch nicht so sehr für alarmistische Buchhaltung interessiert, auch Al Gore und Anton Hofreiter waren noch nicht geboren, und so könnte es sein, dass vieles einfach deshalb nicht aufgezeichnet wurde, weil die Zeit eine andere war.
Genaueres wird am Herkunftsort der Daten vermeldet, die „Our World in Data“ nur aufbereitet, aber nicht selbst erhoben hat. Sie entstammen der International Disaster Database EM-DAT, und dort wird in aller Deutlichkeit vermerkt, dass zeitlich bedingte Verzerrungen der Datenqualität vorliegen. In deutscher Übersetzung heißt es, es sei „schwierig, Rückschlüsse auf die tatsächlichen Ursachen von Katastrophen wie Klimawandel, Bevölkerungswachstum oder Katastrophenrisikomanagement zu ziehen. Daher wird dringend empfohlen, Daten aus der Zeit vor 2000 von Trendanalysen auf der Grundlage von EM-DAT auszuschließen.“
Deutlicher kann man es nicht sagen. Der ansteigende Trend der früheren Jahre hat nichts mit den tatsächlichen Ereignissen, sondern nur mit deren Registrierung zu tun, weshalb man sich tunlichst auf die Daten des 21. Jahrhunderts beschränken sollte. Das lässt sich leicht machen, wenn man wieder „Our World in Data“ konsultiert und die Jahreszahlen entsprechend einstellt.
Nun nimmt sich die Sache schon etwas anders aus. Die Linien schwanken zwar ein wenig, scheinen aber keine steigende Tendenz aufzuweisen, und das über einen Zeitraum von 24 Jahren. Man muss sich jedoch nicht auf den Augenschein verlassen, sondern kann nachrechnen, ob hier ein Trend vorliegt oder nicht, indem man wieder einmal die beliebten Trendgeraden und Korrelationskoeffizienten der sogenannten linearen Regression bestimmt. Wie üblich in solchen Fällen, werde ich niemanden mit den zugehörigen Formeln belasten, sondern gleich die grafische Aufbereitung und das relevante Zahlenergebnis zum Besten geben. Die konkreten Daten kann man sich auf der angebenen Seite von „Our World in Data“ bei Bedarf herunterladen.
Ich beginne mit der Anzahl der katastrophalen Fluten.
Eingezeichnet sind die jedem Jahr zugeordneten Datenpunkte, wie sie auch in der obigen Grafik zu bewundern sind, nur ohne Verbindungslinien. Zusätzlich kann man die Trendgerade sehen, die zwar eine sehr leichte fallende Tendenz aufweist, aber das ist ohne Bedeutung: Der Korrelationskoeffizient liegt gerade einmal bei 0,083, und ich darf an das erinnern, was ich schon oft angeführt habe: Hat er einen Wert in der Nähe von -1 oder 1, liegt eine klare fallende oder steigende Tendenz vor, liegt er dagegen nah bei 0, ist keine Tendenz erkennbar. Und genau so ist es. Die Anzahl der Fluten schwankt munter vor sich hin, tendenziell werden es weder mehr noch weniger; im Verlauf der letzten 24 Jahre ist keine katastrophale Entwicklung zu erkennen, sondern nur normale Schwankungen.
Bei den anderen registrierten Naturkatastrophen ist das nicht anders. Die Punktwolken, Trendgeraden und Korrelationskoeffizienten sprechen für sich, ich kann mich daher darauf beschränken, die entsprechenden Grafiken aufzuführen.
Wir sehen das Gleiche wie eben. Die Punktwolken verteilen sich in schöner Beliebigkeit, manchmal sind es mehr Ereignisse, manchmal weniger, und die Korrelationskoeffizienten zwischen 0,072 und 0,3 zeigen an, dass kein wirklicher Trend zu erkennen ist. Legt man aber dennoch Wert darauf, ein bestimmtes Trendverhalten festzustellen, weil beispielsweise r=0,3 doch ein wenig den Rand des Akzeptablen streifen mag, dann ist der Trend negativ: Die Gerade fällt, sie steigt nicht. Kurz gesagt: Entweder muss man die Anzahl der vielleicht klimabedingten Naturkatastrophen der letzten 24 Jahre als ungeregelt und trendfrei betrachten oder man nimmt zur Kenntnis, dass es – wenn überhaupt – einen abfallenden Trend gibt. Es werden weniger statt mehr. Die vielbeschworene Klimakatastrophe ist aus diesen Daten nicht im Entferntesten zu erkennen.
Klaus Schwabs Weltwirtschaftsforum ist mittlerweile ein bekannter Akteur auf der internationalen Bühne. Vor der diesjährigen Tagung hat man unter „1500 Führungskräften und Risikoexperten“ nach ihren Vorstellungen für die nächsten beiden Jahren gefragt und festgestellt, dass sie vor allem zwei Gefahren sehen: erstens Desinformation und Lügen, unterstützt durch neue Technologien wie Künstliche Intelligenz, und zweitens extreme Wetterereignisse. Das ist bemerkenswert. Desinformationen und Lügen, auch gefährlicher Natur, haben wir tatsächlich schon oft erlebt, dazu muss man nicht auf die nächsten zwei Jahre warten. Die Covid-Impfstoffe sind sicher und wirksam, die Energiewende macht Energie günstiger und sorgt für Energiesicherheit, Migranten haben mit ansteigender Kriminalität nichts zu tun, Robert Habeck wurde auf einer Fähre angegriffen, die Welt bewundert die deutsche Regierung – Lügen und Desinformation, wohin man schaut. Und man brauchte nicht einmal Künstliche Intelligenz dafür, sondern in manchen Fällen reichte natürliche Dummheit, in anderen dürfte es sich eher um natürliche Intelligenz handeln, gepaart mit krimineller Energie. Dass aber der erste Punkt, die Desinformation, sich zwanglos mit dem zweiten, den extremen Wetterereignissen, verbinden lässt, ist den Führungskräften und Risikoexperten nicht in den Sinn gekommen. Man erschreckt die Menschen mit düsteren Prognosen über die anstehende Klimakatastrophe, die zwangsläufig in Naturkatastrophen münden muss, und hat doch nichts in der Hand außer Modellrechnungen, die man nur äußerst ungern mit der Realität vergleicht: Desinformation auf höchstem Niveau.
Hegel, den manche noch immer für einen großen Philosophen halten, schrieb einst über das Schießpulver: „Die Menschheit bedurfte seiner, und alsobald war es da.“ Schön, wenn es so einfach wäre. In Deutschland, aber nicht nur in Deutschland, bedürfen wir einer vernünftigen und nicht ideologiegetriebenen Politik, und es ist nicht zu sehen, dass sie „alsobald“ vorliegen könnte, obwohl wir sie brauchen. Es ist nötig, den eigenen Verstand zu gebrauchen, es ist nötig, immer wieder den Finger auf die offen erkennbaren politischen Wunden zu legen, es ist nötig, nicht mit der Herde mitzulaufen. „Um ein tadelloses Mitglied einer Schafherde sein zu können,“ sagte Albert Einstein, „muss man vor allem ein Schaf sein.“ So hätten sie uns gern, in Berlin, in Davos und anderswo. Zeigen wir ihnen, dass sie sich irren.
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Thomas Rießinger ist promovierter Mathematiker und war Professor für Mathematik und Informatik an der Fachhochschule Frankfurt am Main. Neben einigen Fachbüchern über Mathematik hat er auch Aufsätze zur Philosophie und Geschichte sowie ein Buch zur Unterhaltungsmathematik publiziert.