Es gibt Momente, da kommt man als Journalist an seine Grenzen. Und was läge da näher, als sich mit seinen Lesern auszutauschen. Ein solcher grenzwertiger Fall ist für mich das Interview von Nikolaus Doll in der „Welt“ mit dem Eigentümer der Potsdamer Villa, in der über „Remigration“ geredet wurde: Wilhelm Wilderink. Gegen ihn läuft ein CDU-Ausschlussverfahren.
Das Interview, das leider hinter einer Bezahlschranke steht, ging für mich an die Schmerzgrenze. Mein erster Eindruck beim ersten Durchlesen: Der Interviewer agiert hier im Geiste der Stasi. Oder der Inquisition. Genauer gesagt – aus deren „Haltung“ heraus. Weil er Gesinnungspolizei spielt. Und wie bei einem Verhör auftritt.
Hier ein paar Beispiele für solche Fragen:
- Ihnen war nicht klar, wer da zu Besuch kommt?
- Die Vita von Gernot Mörig, einem Düsseldorfer Zahnarzt im Ruhestand, der zu dem Treffen eingeladen hatte und sich in ultrarechten Kreisen bewegt, war Ihnen auch nicht bekannt?
- Aber warum haben Sie, als Sie dann gesehen haben, wer sich da in Ihrer Villa trifft, nicht von Ihrem Hausrecht Gebrauch gemacht und diese Gäste zum Gehen aufgefordert?
- Über die Veranstaltung selbst hatten Sie erklärt, es sei dort „nichts Böses gesagt worden“. Das widerspricht dem Bericht von „Correctiv“, wonach es um millionenfache Abschiebungen auch von Deutschen mit Migrationshintergrund gegangen sei, fundamental. Dabei hat Martin Sellner selbst bestätigt, dass in seinem Vortrag „Remigration“ ein Thema gewesen sei.
- Wie stehen Sie eigentlich zu Massenabschiebungen?
- Der Verfassungsschutz prüft jetzt, Ihr Haus als rechtsextremes Szeneobjekt auszuweisen. Stimmt es, dass in der Vergangenheit bereits diverse Größen von rechtsextremen und national-konservativen Bewegungen zu Gast waren?
- Ihre Geschäftspartnerin hier in der Villa und frühere Lebensgefährtin, Mathilda Huss, soll angeblich enge Verbindungen zu Rechtsextremisten pflegen und sie auch als Gäste empfangen haben. Finden Sie nicht, dass das ziemlich viele Berührungspunkte sind, die Sie mit ultrarechten Kreisen haben?
- War es ein Fehler, die Veranstaltung am 25. November zugelassen zu haben?
Im ersten Kommentar zu diesem Artikel schreibt Johannes Wiedemann, Leitender Redakteur Politik Deutschland der „Welt“: „Da sich viele hier an der angeblich zu harten Gesprächsführung des Interviewers stören: Wilhelm Wilderink bekommt ausführlich Gelegenheit, seine Sicht des Potsdamer Treffens darzustellen. Dass Nikolaus Doll angesichts der Umstände dieser Veranstaltung nachhakt, ist einfach sein Job als Journalist. Ihn deshalb mit absurden Vorwürfen etwa mit „Stasi“-Bezug anzufeinden, ist befremdlich – das sollte hier nicht das Diskussionsniveau sein. Und: Natürlich ist es Ihnen unbelassen, hier Sympathie u. Ä. für Wilderink zu äußern.“
Dieser Kommentar hat mich noch mehr empört als das Interview selbst. Hier wird versucht, Kritik als „absurd“ und „niveaulos“ zu diffamieren und damit die Diskussion zu manipulieren.
Wer so austeilt wie die „Welt“, muss auch Kritik einstecken.
Weswegen ich hier an meine Grenzen komme und um Ihren Rat frage? Weil einerseits natürlich eine kritische Gesprächsführung immer gut ist. Ich wünsche sie mir bei jedem Interview, hätte sie sehr gerne, wenn Journalisten, auch von der „Welt“, Politiker befragen, die nicht von der AfD sind. Da ziehen sie aber leider regelmäßig Samthandschuhe an.
Bin ich allzu zu streng in meinem Urteil über den „Welt“-Interviewer Nikolaus Doll und seinem leitenden Redakteur Johannes Wiedemann? Tun die beiden nicht nur das, was jeder Journalist tun muss – bissig und kritisch nachfragen? Salz in die Wunde streuen?
Ich schließe das nicht aus. Aber der Knackpunkt meiner Kritik ist: Doll legt Maßstäbe an, die in einer Demokratie nichts zu suchen haben. Er agiert wie ein Gesinnungspolizist und nicht mehr wie ein Journalist. Ich bin überzeugt: So eine als Interview getarnte „Vernehmung“ in Sachen Kontaktschuld ist kein kritischer Journalismus, sondern eine Art rot-grüne Inquisition.
Ich bin sehr gespannt auf Ihre Meinung – sehen Sie das Interview mitsamt dessen Schwerpunkt auf Kontaktschuld so kritisch wie ich? Oder finden Sie, dass ich hier einer Betriebsblindheit erliege und unterschiedliche Maßstäbe anlege?
Ich bin sehr gespannt auf Ihre Einschätzung und danke herzlich im Voraus!
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