Von Kai Rebmann
„Dieses Buch ist ein Theaterstück und hat ein Anliegen. Der Plan ist 20 Jahre alt, das Anliegen älter und das Thema, leider, nicht veraltet. Es gibt komische Aktualitäten.“
Das sagte Erich Kästner im Jahr 1956 über sein Buch „Die Schule der Diktatoren“ und mit diesem Zitat beginnt die Einladung zu einer Lesung aus eben diesem ganz offensichtlich zeitlosen Werk. Zu der Veranstaltung – „Ein Abend zu Ehren von Erich Kästner“ – hatte die Fraktion Freie Wähler/Freie Bürger des Stadtrats von Dresden eingeladen.
Der Kabarettist Peter Flache hätte am heutigen Donnerstag aus dieser „Komödie in neun Bildern“ vorlesen sollen. Im Anschluss war eine Podiumsdiskussion unter anderem mit dem Schauspieler Uwe Steimle und der Grünen-Aussteigerin Antje Hermenau geplant. Zur Debatte sollte unter anderem die Frage stehen, „wie Diktaturen entstehen und, auch wenn sie durch eine Revolution vermeintlich überwunden wurden, dennoch innerhalb kürzester Zeit wiedererstarken können“. Ganz so, wie Kästner es in seinem Buch beschrieben hatte.
Doch daraus wird jetzt nichts. Wie Thomas Blümel von der Fraktion Freie Wähler/Freie Bürger Dresden in einer Mail (siehe unten) an einen Interessenten der Veranstaltung mitteilten musste, wurde die Lesung im Vorfeld als „Instrumentalisierung der Neuen Rechten“ und „politische Veranstaltung“ diffamiert. Sowohl der Atrium-Verlag als Rechteinhaber des Kästner-Werks als auch das „Haus der Presse“, das Redaktionsgebäude der „Sächsischen Zeitung“, knickten daraufhin ein und machten einen Rückzieher.
Laut dem vorliegenden Schreiben habe der Verlag mitgeteilt, dass man „Leserechte zu den Werken Erich Kästners grundsätzlich nicht an politische Parteien und Wählervereinigungen“ vergebe. Diese Aussage steht freilich im Widerspruch dazu, dass „seit Jahrzehnten überall in Deutschland und Österreich“ auf Veranstaltungen der SPD [respektive SPÖ] oder der Grünen aus Kästners Büchern vorgelesen wurde, wie die Fraktion eigenen Angaben zufolge recherchiert hat. Mit dieser Tatsache konfrontiert, verwies der Verlag lapidar darauf, dass dies „unter Verletzung des Urheberrechts erfolgt“ sei.
Man habe die einseitige Kündigung durch den Verlag prüfen lassen und sei zu der Auffassung gelangt, dass man dennoch einen gültigen Vertrag habe. Gleichwohl sehe man sich nicht in der Lage einen Rechtsstreit mit einer vom Verlag beauftragten „spezialisierten Anwaltskanzlei“ zu führen, so die unabhängigen Volksvertreter aus Dresden.
Um wenigstens die Veranstaltung als solche zu retten, wollten die Freien Wähler zähneknirschend auf die Lesung verzichten und an der Podiums-Diskussion mit den prominenten Gästen festhalten. Diesem Plan B schob nun aber das „Haus der Presse“ einen Riegel vor, was umso mehr erstaunt, da es insbesondere Journalisten sein sollten, die Werte wie Presse- und damit auch Meinungsfreiheit hochhalten. Doch auch diese Zeiten gehören im „besten Deutschland aller Zeiten“ längst der Vergangenheit an.
Der Vermieter stellte sich stattdessen auf den Standpunkt, dass durch die Untersagung der Lesung auch die Grundlage für den bestehenden Mietvertrag entfallen sei. Für die Freien Wähler und Freien Bürger Dresden ist dies nur wenige Wochen vor der am 9. Juni stattfindenden Kommunalwahl ein schwerer Schlag ins Kontor, zumal es sich den Angaben zufolge nicht um einen Einzelfall handelt:
„Dies ist inzwischen der dritte Veranstaltungsraum, der uns entzogen wurde. Im Januar hatte uns die Kulturbürgermeisterin, Frau Klepsch (Die Linke) [Annekatrin Klepsch, Anm. d. Autors], die Nutzung des Festsaales im Landhaus untersagt. Anfang April wurde der beidseitig geschlossene Mietvertrag vom Programmkino Ost gekündigt, nachdem dort ebenfalls Denunziationen stattgefunden hatten.“
Thomas Blümel zieht angesichts dieser neuen Entwicklung dieses Fazit: „Wir bedauern außerordentlich, dass unsere geplante Lesung zu Ehren von Erich Kästner vorerst nicht stattfinden wird. Die Umstände, die zu der Absage geführt haben, zeigen, in welchem Zustand sich unser Land und auch unsere Heimatstadt befinden. Es reicht heutzutage nicht aus, sich rechtlich korrekt zu verhalten, sondern man muss offenkundig vor allem politisch korrekt agieren, um respektiert zu werden.“
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Kai Rebmann ist Publizist und Verleger. Er leitet einen Verlag und betreibt einen eigenen Blog.
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