Der ganz alltägliche Post-Wahnsinn Leserbrief der Woche

„Post wird zur Schneckenpost – und verkauft das als Verbesserung“ – unter diesem Titel habe ich kürzlich über die neue Postreform berichtet. Die uns unter anderem die „Vier-Tage-Regel“ bringt. Das bedeutet: Wird ein Brief am Montag aufgegeben, kann es sein, dass er erst am Freitag beim Empfänger ankommt. Tatsächlich ist unsere Post ebenso wie die Bahn und vieles andere in unserem Land nur noch ein Schatten ihrer selbst. Früher wurden wir im Ausland beneidet um die Zuverlässigkeit von Post und Bahn in Deutschland – heute werden wir eher belächelt, wie man bei der Europameisterschaft sehen musste. Der Niedergang der Post und der Bahn steht symbolisch für den Niedergang des ganzen Landes. Und er reicht bis ins Detail. Und macht einen teilweise regelrecht sprachlos – etwa, wenn man den folgenden Bericht eines Lesers liest. Sein Brief hat mich so erschüttert, und er ist so symbolisch, dass ich ihn Ihnen nicht vorenthalten will. Voilà:

Sehr geschätzter Boris Reitschuster,

mein bisher irrstes Erlebnis zum desolaten Zustand der Deutschen Post:

Ich wohne 8 km vom Stadtzentrum einer Großstadt entfernt, am Stadtrand. Der nächste Postschalter in einem Kiosk war bisher einen Kilometer entfernt. Der Betreiber des Kiosks hat aber kürzlich aus Altersgründen dichtgemacht. Der nächste erreichbare Kiosk-Postschalter ist etwa 3 km entfernt. Ich bin froh, mit Mitte 70 noch mit dem Rad fahren zu können.

Ich muss zweimal im Monat eine etwas kompliziertere Sendung verschicken. Diese Sendung kann man nur am Postschalter abgeben, nicht selbst online frankieren. Vermutlich hätte ich nie bemerkt, dass ich für diese Sendung ein weit überhöhtes Porto bezahle, wenn mir nicht hier und da niedrigere und ebenfalls unterschiedliche Porti berechnet worden wären – mal 5,30 €, mal 5,80 €,  meistens 7,50 €.  Beide Kioskschalter haben sich als dauerhaft außerstande erwiesen, das richtige Porto zu ermitteln.

Letzteres – 5,30 € – ging aus der Website der Post, die ich mir daraufhin ansah, klar hervor. Trotzdem waren die Leute an beiden Postschaltern nicht in der Lage, die nötigen Eingaben zu machen, um dieses korrekte Porto auch zu ermitteln und zur Frankierung auszudrucken. Sie können das Programm der Post schlicht nicht bedienen. Offensichtlich wurden sie nie oder unzureichend geschult.

Also habe ich im „Service Center“ der Post angerufen, um mir diese Diskrepanz erklären zu lassen und zu fragen, wie ich Abhilfe schaffen könnte. Am Ende sagte mein Gesprächspartner leicht genervt, er wisse auch nicht mehr als das, was auf der von mir benutzten Post-Website stehe. Wir benutzen also die gleiche Website. Offensichtlich ist auch er nicht ausreichend geschult.

Glück mit Mitarbeiter

Nachdem ich notgedrungen wieder das überhöhte Porto bezahlt hatte, habe ich es ein zweites Mal mit der Hotline versucht. Diesmal hatte ich das Glück, mit einem Mitarbeiter zu sprechen, der Ahnung hatte und mir immerhin die Richtigkeit meiner Porto-Ermittlung bestätigen konnte; auf meine Bitte versuchte er auch, mir den Vorgang im Computer am Postschalter zu erklären, was ich dann an die Kiosk- Mitarbeiter weitergeben wollte.

Nunmehr sicher, das richtige Porto zu kennen, ging ich wieder an den Kioskschalter und schilderte die Sachlage: mir sei immer wieder ein falsches Porto berechnet worden. Ich könne ihm auf seinem Bildschirm durch den korrekten Ablauf der Buchung Lotsen. Und der Mitarbeiter wollte aber die Sendung nun überhaupt nicht mehr bearbeiten; er wolle nichts falsch machen. Wohlbemerkt: Die Mitarbeiter in diesem Kiosk sind ausgesprochen freundlich, bemüht, sehr geduldig, jung und offensichtlich nicht dumm.

Um meine Sendung loszuwerden, bin ich zum nunmehr 6 km entfernten echten Postamt geradelt. Es heißt nicht Post, es heißt Postbank und nur Postbank, aber man kann tatsächlich Postsendungen dort abgeben, und beide Mitarbeiter am Schalter beherrschten meinen Vorgang aus dem Effeff. Als ich der Mitarbeiterin am Schalter von meiner Odyssee berichtete, sagte sie, dass ihr ein ganz ähnlicher Fall gerade gestern begegnet sei: Eine Kundin habe berichtet, dass ihr beim Verschicken von Päckchen via Kioskschalter ständig ein 3 Euro zu hohes Porto berechnet worden sei.

Ich verabschiedete mich mit „Na, gut, dass es Sie hier wenigstens gibt.“

„Aber diese Filiale wird doch Anfang August geschlossen“, antwortete sie.

Da die Post relativ leer war, hatten wir noch ein sehr einvernehmliches  Gespräch über den unsäglichen Zustand der Welt und speziell der Deutschen Post.

“Wer die Wahrheit sagt, braucht ein schnelles Pferd“

sagt ein altes chinesisches Sprichwort. Bei uns ist es wohl eher ein guter Anwalt – und der kostet Geld. Augsburgs CSU-Oberbürgermeisterin Eva Weber hat mich gerade angezeigt, weil ich es gewagt habe, ihre Amtsführung zu kritisieren. Es geht um mehr als nur diesen Fall. Es geht um das Recht, Kritik an den Mächtigen zu üben, ohne kriminalisiert zu werden. Helfen Sie mir, dieses wichtige Recht zu verteidigen! Jeder Beitrag – ob groß oder klein – macht einen Unterschied. Zusammen können wir dafür sorgen, dass unabhängiger Journalismus stark bleibt und nicht verstummt. Unterstützen Sie meine Arbeit:

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