Heute erreichte mich folgender Leserbrief zu einem Artikel über das Leak der RKI-Files aus der Augsburger Allgemeinen: „Dieser Artikel aus meiner (und Ihrer) Heimatzeitung zu dem Thema lässt mich fassungslos zurück (Link hier). Was ist das für Journalismus, wenn selbst Beweise nach eigenem Gutdünken ignoriert und uminterpretiert werden und nur noch daran gearbeitet wird, die Gegenseite mit fast jedem Satz zu diffamieren. Der hunderttausendfache (vielleicht sogar millionenfache) Verstoß gegen Artikel 1 des GG – das wichtigste Gesetz dieses Landes – ist also kein Skandal? Was erwartet uns wohl noch? Ich lese mittlerweile die „Qualitätsmedien“ nur noch, um mir nicht vorwerfen lassen zu müssen, mich nur aus „anderen“ Quellen zu informieren.“
Ich habe mir den Artikel sofort angeschaut – und war schockiert. Der Autor und mit ihm die Zeitung verraten die grundlegendsten journalistischen Prinzipien: für die Bürger den Mächtigen auf die Finger schauen. Hier wird im Gegenteil versucht, dafür zu sorgen, dass die Mächtigen auch mit groben Verstößen gegen demokratische und rechtsstaatliche Grundsätze durchkommen. Zum Motiv gehört offenbar auch, eigenes journalistisches Versagen in der Corona-Zeit zu verschleiern.
Der Artikel liest sich, als sei er nach dem Lehrbuch der Propaganda geschrieben. Er beginnt mit der Feststellung, dass die geleakten Dokumente des Corona-Krisenstabs zwar eine Welle der Empörung ausgelöst haben, aber in Wahrheit doch gar nichts Skandalöses enthielten. Allein schon diese Einleitung setzt einen Ton, der in den alten und längst widerlegten Corona-Narrativen verharrt.
Gleich mehrfach betont der Autor, Christof Paulus, dass nichts Skandalöses in den RKI-Files zu finden sei – offenbar nach dem Motto, dass man eine Lüge nur oft genug wiederholen muss, damit sie geglaubt wird. Dass selbst Leitmedien wie die „Berliner Zeitung“ und die „Welt“ zahlreiche Beweise für Fehlverhalten von Politik und Behörde in den Unterlagen festgestellt haben (siehe hier und hier), unterschlägt der Autor einfach. Und redet seinen Lesern ein, die Kritik werde hauptsächlich von „Verschwörungstheoretikern“ geübt.
Das ist schlicht und einfach eine Lüge.
Autor Paulus zitiert hauptsächlich Stimmen, die die Bedeutung der Leaks herunterspielen. Wie Karl Lauterbach, der sagt, es gebe „nichts zu verbergen“.
Paulus nutzt die Hütchenspieler-Tricks, die wir von den sogenannten „Faktenfindern“ kennen. So gibt er zwar zu, dass die Formulierung „Pandemie der Ungeimpften“ problematisch und falsch war. Aber das wird sofort heruntergespielt und als nebensächlich abgetan. Paulus geht kaum darauf ein, wie diese Rhetorik zur Stigmatisierung von Ungeimpften beitrug. Und etwa zu den massiven Einschränkungen der Rechte von Ungeimpften. Man nennt diesen Trick „fehlende Kontextualisierung“.
In diesem Sinne ließe sich der ganze Artikel auseinandernehmen. Doch das will ich Ihnen und mir ersparen.
Nicht nur mein Leserbriefschreiber ist wütend. In einem Kommentar unter dem Text steht: „Ein wunderschöner Artikel, der mal wieder zeigt, wie Framing funktioniert und wie wenig es um den eigentlichen Inhalt geht. ‚Aus welcher Ecke diese Dokumente nun offenbar vollständig publiziert wurden …‘, ‚Verschwörungsideologe‘, ‚verschwörungsideologischen Milieu‘, ‚Schwurblermilieu‘“. Ein weiterer Leser schreibt: „Schon in der Überschrift wird mit dem ‚angeblichen‘ die mediale Vernebelung fortgesetzt. Die ministeriale Lüge von der ‚Pandemie der Ungeimpften‘ bleibt, egal wie man es dreht, eine Lüge! Nicht verwunderlich ist, dass die üblichen Reflexe ausgelöst werden, skandalisiert wird nicht der Skandal an sich, sondern die, die ihn an die Oberfläche zerren. Die stellt man dann als Schwurbler gleich wieder in die Ecke der Querdenker, Aluhüte und Rechte. Politik nach dem Motto ‚Schublade auf – alle Unbequemen rein – Schublade zu – Problem gelöst‘.“ Ein dritter Leser bemängelt, die „Augsburger Allgemeine und wichtigere deutsche Leitmedien“ hätten „erst gezögert, über die Veröffentlichung der längst überfällig ungeschwärzten RKI-Dokumente zu berichten, um sich danach affirmativ mit einer dicken Schleimspur vor Spahn, Söder und Co. zu werfen!“
Man muss unwillkürlich an den legendären Ausspruch von Kurt Tucholsky denken: „In Deutschland gilt derjenige, der auf den Schmutz hinweist, für viel gefährlicher als derjenige, der den Schmutz macht.“
Der Text von Paulus in der Augsburger Allgemeinen, bei der ich einst mein journalistisches Handwerk gelernt habe, ist klassische Desinformation. Durch die Verharmlosung der Inhalte und die einseitige Darstellung wird der Eindruck erweckt, dass die Leaks keine ernsthafte Untersuchung wert sind. Dass selbst andere Leitmedien die Informationen aus den Leaks als potenziellen Skandal betrachten und die Verantwortlichen zur Rechenschaft ziehen wollen, ignoriert der Autor geflissentlich.
Sein ganzer Beitrag liest sich wie eine Bewerbung für das Amt eines Regierungssprechers, insbesondere beim Gesundheitsministerium von Karl Lauterbach.
Wir haben es hier mit einer Pervertierung des Journalismus zu tun, die leider sehr verbreitet ist und sich wie ein roter Faden durch die ganze Corona-Zeit zieht: Dass die Medien agieren wie ein Sprachrohr der Regierung und diese vor Kritik schützen und Kritiker diffamieren.
Schlimm genug, dass dies in der Corona-Zeit geschah. Dass jetzt, wo die Fakten auf dem Tisch sind, dieses Propaganda-Spiel weiter betrieben wird, ist beschämend. Offenbar spielt auch die Unfähigkeit zur Selbstkritik und Reflexion eine große Rolle – man will sich einfach nicht eingestehen, auf der falschen Seite gestanden zu haben.
Auch dieser Artikel zeigt, wie wichtig, ja unverzichtbar nicht nur eine politische und journalistische, sondern auch eine juristische Aufarbeitung der Corona-Zeit ist.
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