„2G-Regelung hat viele vermeidbare Todesfälle verursacht“ Alexander Kekulés Abrechnung mit Wissenschaft und Politik

Von Kai Rebmann

Während sich Deutschlands oberster Corona-Flüsterer Christian Drosten in bester Wendehals-Manier noch immer nicht entscheiden kann, ob die „Pandemie“ nun vorbei ist oder nicht, redet dessen Kollege Alexander Kekulé Klartext. Tatsächlich ist die „pandemische Notlage“, mit der teilweise bis heute noch Corona-Maßnahmen wie FFP2-Masken in Bussen und Bahnen gerechtfertigt werden, schon seit mindestens einem Jahr überwunden. Das sagt der Münchner Epidemiologe mit Verweis auf das Robert-Koch-Institut (RKI). In einem Anfang Dezember veröffentlichten Wochenbericht steht im Kleingedruckten, dass es im stationären Bereich bereits seit Januar 2022 „keine erhöhte Krankheitslast durch schwere Atemwegsinfektionen“ gebe. Selbst Karl Lauterbach musste zu eben jener Zeit zähneknirschend einräumen, dass es eine vermeintliche Überlastung des gesamten Gesundheitssystems in Deutschland nie gegeben hat, jedenfalls nicht wegen Corona.

Ganz im Gegensatz zu der heutigen Situation, wo vor allem die Kinderärzte und -kliniken am Limit arbeiten. Und auch diese Entwicklung hängt sehr stark mit Corona zusammen. Allerdings nicht mit dem Virus selbst, sondern mit den in den letzten drei Jahren verhängten Maßnahmen. Auch Alexander Kekulé bestätigt im Interview mit der „Welt“ die Einschätzung vieler seiner Kollegen. Maskenpflicht, Tests und Abstandsregeln hätten dazu geführt, dass „wir jetzt Nachholeffekte bei Influenza und Erkältungskrankheiten“ sehen. Von der Richtigkeit dieser Maßnahmen zeigt sich der Epidemiologe aber nach wie vor überzeugt, wohingegen die Lockdowns und Schulschließungen vermeidbar gewesen wären, wenn man von Anfang an schneller reagiert hätte. Stattdessen sei es der Regierung aber darum gegangen, „der Bevölkerung weiszumachen, wir wären auf die Situation gut vorbereitet.“

Deutliche Kritik an Christian Drosten

Doch wer waren die Regierenden in den letzten drei Jahren überhaupt? Ominöse E-Mail-Protokolle einer noch ominöseren Telefonkonferenz von namhaften Wissenschaftlern aus aller Welt, unter anderem auch Christian Drosten, legen nahe, dass sich die offiziell gewählten Politiker zu reinen Befehlsempfängern haben degradieren lassen. Zumindest wenn es um die Verhängung von Maßnahmen gegen Corona ging, die rund um den Globus seltsam orchestriert wirkten. Am Beispiel Deutschland wurde dies besonders deutlich, da jedem Experten, der der Drosten-Doktrin widersprach oder auch nur leise Zweifel daran anmeldete, eben dieser Status umgehend entzogen wurde. Reihenweise wurden hoch dekorierte Forscher und Ärzte auf diese Weise über Nacht zu Schwurblern und Verschwörungstheoretikern gemacht.

Wie spektakulär aber vor allem Christian Drosten – wieder einmal – danebengelegen hat, verdeutlichte Kekulé anhand einer einfachen Rechenaufgabe. Um auf die vom Charité-Virologen prophezeiten eine Million Toten allein in Deutschland zu kommen, hätte sich erstens jeder der 83 Millionen Bundesbürger infizieren und das Virus zweitens eine Fallsterblichkeit von 1,2 Prozent aufweisen müssen. Diese habe aber selbst in der Zeit vor Omikron nur bei rund 0,5 Prozent gelegen, so Kekulé. Der Münchner ist zudem davon überzeugt, dass sich auch ohne Maßnahmen bis zum Auftreten der Omikron-Variante „nicht mehr als 80 Prozent der Bevölkerung angesteckt“ hätten. Damit widerspricht Kekulé auch Drostens Behauptung, das Ausbleiben seiner anfangs skizzierten Horror-Szenarien sei einzig und allein auf dessen „Weisungen“ an die Bundesregierung zurückzuführen. 163.000 Corona-Tote (Kekulé unterscheidet an dieser Stelle nicht zwischen „an“ und „mit“) seien jedenfalls kein Anlass für Selbstlob seitens Drosten, da Deutschland damit im internationalen Vergleich – insbesondere auch mit ärmeren Ländern – nur einen Platz im Mittelfeld belege.

Zumindest indirekt macht Kekulé seinen Kollegen damit auch für die Verletzung zahlreicher Grund- und Freiheitsrechte durch den Staat verantwortlich, für den Drosten allem Anschein nach mehr war als nur ein Stichwortgeber. Der Epidemiologe erinnerte in diesem Zusammenhang insbesondere an Maßnahmen wie die „15-Kilometer-Leine“, Maskentragen im Park oder die allgemeine Ausgangssperre. „Das waren Dinge, die keine wissenschaftliche Basis hatten. Bemerkenswerterweise haben viele Länder der Erde ähnliche Fehler gemacht, sie sind wie die Lemminge falschen Vorstellungen hinterhergelaufen. Aus meiner Sicht handelt es sich hier um das bisher größte kollektive Staatsversagen der Geschichte“, redet Kekulé Klartext.

Wissenschaftlicher Diskurs wird unterbunden

Aber auch die Wissenschaft hat versagt. Bei Corona – und längst nicht mehr nur da – hat sich in den vergangenen Jahren leider die Unsitte eingeschlichen, dass es nur noch „die eine Wissenschaft“ geben soll, die gänzlich ohne jede dynamische Entwicklung des jeweiligen Kenntnisstandes auskommt, dafür aber mit umso mehr Dogmen. So wie zum Beispiel die gebetsmühlenartig vorgetragene Behauptung, Geimpfte seien nicht ansteckend. Ganz so, als würden Falschinformationen allein dadurch wahrer, wenn sie nur oft genug wiederholt werden. Kekulé liefert aber auch dafür eine Erklärung: „Letztlich wollte man Werbung für die Impfung machen. Aus demselben Grund wurden die Nebenwirkungen des Impfstoffes von AstraZeneca anfangs kleingeredet. Diese Unehrlichkeiten haben sich gerächt, weil viel Vertrauen in Wissenschaft und Politik verloren gegangen ist.“

Der Epidemiologe hat seinen Ausführungen zufolge auch nie verstanden, warum Drosten „Kollegen wie Hendrik Streeck oder Jonas Schmidt-Chanasit persönlich angegriffen hat.“ Von einem Fachmann wäre es zu erwarten gewesen, „dass er seine besondere Qualifikation durch fachliche Argumente unter Beweis stellt.“ Damit weist Kekulé darauf hin, dass eine freie Wissenschaft – und im Übrigen auch eine funktionierende Demokratie – stets von unterschiedlichen Meinungen und dem offenen Diskurs darüber lebt. Daher könne er auch Drostens aktuelle Forderung nach Sanktionen für Wissenschaftler, die nicht die „richtige“ Meinung äußern, nicht nachvollziehen. Wie gesagt, wer keine fachlichen Argumente hat, muss zwangsläufig auf andere Ebenen ausweichen.

Dass es sich bei der Frage nach Sinn oder Unsinn der verschiedenen Corona-Maßnahmen aber um weit mehr als die sprichwörtliche Diskussion um des Kaisers Bart handelt, verdeutlicht Kekulé am Beispiel der 2G-Regel. Er sei immer dagegen gewesen und habe seine diesbezügliche Beurteilung auch nicht geändert. Der Epidemiologe ist sich sicher: „Die Idee, dass die Geimpften bevorzugt werden sollten, war eines der gefährlichsten Manöver in dieser Pandemie. Der Unsinn, Geimpfte trügen kaum zum Pandemiegeschehen bei, stand ja sogar auf der Website des RKI und wurde so zur Grundlage falscher Gerichtsentscheidungen. Die 2G-Regelung hat die Herbstwelle 2021 mitbefeuert und viele vermeidbare Todesfälle verursacht.“

Die Erfahrungen aus der Corona-Krise sollten nach Ansicht von Alexander Kekulé daher zu einem grundsätzlichen Umdenken genutzt werden, nicht nur, aber insbesondere in der Wissenschaft. Gerade zu Beginn sei die Pandemie für alle „etwas Neues“ gewesen, weshalb es auch „keine etablierte und methodisch sauber geprüfte Position der Wissenschaft“ gegeben haben konnte. Die angeblich „richtige“ Wissenschaft sei daher vielmehr durch Konformitätsdruck entstanden und sei dementsprechend eine Frage der Gesinnung gewesen. „Statt zu diskutieren, üben sich Forscher im Moralisieren und in persönlichen Angriffen“, so Kekulé in seinem Schlusswort.

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Kai Rebmann ist Publizist und Verleger. Er leitet einen Verlag und betreibt einen eigenen Blog.

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