Karlsruhe: Rechtsprechung oder Farce? Demokratie auf dem Papier Oberstes Gericht legitimiert politische Machtspielchen und Ausgrenzung

Von reitschuster.de

Karlsruhe. Der Inbegriff der Rechtsprechung. Ein Ort, wo Demokratie und Überparteilichkeit hochgehalten werden – so zumindest die Theorie. Doch was passiert, wenn das Recht plötzlich selbst zur Farce wird? Willkommen in der neuen Realität. Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden: Ja, alle Parteien haben einen Anspruch auf die Verteilung der Ausschusssitze im Bundestag. Klingt schön, oder? Der Haken daran: Sie haben dieses Recht nur auf dem Papier. Praktisch bedeutet das: Du darfst zwar teilnehmen, aber sitzen? Fehlanzeige. Es fühlt sich an wie eine Einladung zu einer Hochzeit, bei der man gratulieren darf, aber die Feier auslassen muss. Es mögen sich Juristen finden, die sagen, das sei alles wasserdicht. Aber fair? Nein. Eher ist es ein juristischer Taschenspielertrick im Stile Potemkinscher Dörfer (mehr dazu unten im PS). Dass Karlsruhe sich auf so eine Ebene begibt, ist eine Bankrotterklärung des höchsten deutschen Gerichts.

Ausschluss der AfD: Geschickt inszenierte Demokratie?

Wer sich den jüngsten Beschluss zu Gemüte führt, kommt nicht umhin, die Stirn zu runzeln. Und zwar massiv. Die anderen Parteien verwehren der AfD systematisch die Ausschussvorsitze im Bundestag (und auch ein Vizepräsidentenamt) – und das, obwohl ihr der Fraktionsgröße nach solche Chefsessel zustehen würden. Doch Karlsruhe drückt beide Augen zu und sagt: „Geschäftsordnung! Wahl!“ Die Mehrheit entscheidet. Klingt nach Demokratie? Den Worten nach ja. Aber faktisch ist es eine fein inszenierte Ausschlusspolitik, die unsere Moral-Weltmeister im Bundestag in anderen Ländern lauthals anprangern würden.

Der Fall des ehemaligen AfD-Vorsitzenden Stephan Brandner, der aus dem Rechtsausschuss abgewählt wurde, hat hier den Stein ins Rollen gebracht. Brandner hatte sich auf Twitter mit einer unpassenden Eskapade zum Anschlag von Halle ins Abseits geschossen und die politische Klasse handelte schnell: keine Ausschussvorsitze mehr für die AfD. Die offizielle Begründung? Die Überparteilichkeit sei nicht mehr gewährleistet. Lustig, wenn es nicht so bitter wäre. Denn wie „überparteilich“ ist es, eine Partei grundsätzlich auszuschließen, weil sie der Mehrheit nicht passt? In jedem anderen Kontext würde man das als Diskriminierung bezeichnen.

Geschäftsordnungsautonomie: ein juristischer Trick?

Doch Karlsruhe lässt es durchgehen, gestützt auf die sogenannte „Geschäftsordnungsautonomie“. Ein hübscher Begriff, der im Klartext bedeutet: Die Mehrheit im Bundestag kann entscheiden, das Recht nicht anzuwenden, wenn es ihr gerade passt. Man könnte das die „Eleganz der Verweigerung“ nennen. Da wird ein Prinzip gefeiert, das in der Praxis das Recht auf den Kopf stellt. Als würde eine Fluggesellschaft Ihnen ein Ticket schenken, aber dann später auf einen Hinweis im Kleingedruckten verweisen und sagen: „Der Flieger startet nicht.“ Klar, das Ticket hat man – aber was bringt’s?

Die Ausschussvorsitze sind nun fest in der Hand der Altparteien. Das Gericht hat den bequemen Weg gewählt und die Verantwortung an den Bundestag abgeschoben. „Wir können ja nichts dafür, wenn die AfD keine Stimmen bekommt“, lautet die implizite Botschaft. Auf den ersten Blick wirkt das clever, doch bei genauerem Hinsehen zeigt sich: Die höchste Instanz des Landes hat sich von ihrer neutralen Rolle meilenweit entfernt.

Besonders traurig ist, dass es nicht einmal ein Minderheitenvotum gibt. Kein einziger Richter hat sich gegen den Mehrheitsbeschluss gestellt – ein Zeichen dafür, wie groß der Einheitsdruck in Karlsruhe ist. Diese einstimmige Entscheidung wirft zwangsläufig die Frage auf, inwieweit in Karlsruhe noch Meinungs- und politische Vielfalt herrscht. Ist das Gericht noch ein Ort des Diskurses oder nur noch ein Spiegelbild der vorherrschenden politischen Linie?

Die Rolle von Stephan Harbarth und die Nähe zur Regierung

Nicht zu vergessen die Causa Stephan Harbarth. Der Präsident des Bundesverfassungsgerichts war einst enger Vertrauter von Angela Merkel und Vize-Chef der Unionsfraktion. Heute ist Harbarth, der auch schon in Skandale verwickelt war und damit nach Ansicht von Kritikern erpressbar sein könnte, die treibende Kraft in Karlsruhe. Seine Vergangenheit mag man als Fußnote sehen, aber sie wirft doch Fragen auf. Angela Merkel selbst hat maßgeblich dazu beigetragen, dass Harbarth als Präsident nach Karlsruhe kam. Kritiker bemängeln hier eine Nähe zur Ex-Kanzlerin und sehen eine politische Dimension in seiner Rolle. In anderen Ländern wie Polen würde man bei so einer Konstellation hierzulande lautstark klagen. So aber schweigt man.

Gar nicht zu reden von der neuen Nähe des Verfassungsgerichts zur Regierung: Die Mitglieder des „Ampel“-Kabinetts haben sich in den nur zweieinhalb Jahren, die sie im Amt sind, insgesamt sage und schreibe mehr als 40 Mal mit Richtern des Bundesverfassungsgerichts und der obersten Gerichte getroffen. Inwieweit da noch die Gewaltenteilung, und insbesondere die saubere Trennung von Justiz und Regierung, gewährleistet ist, darf mit Recht gefragt werden.

Demokratie in Gefahr: der gefährliche Präzedenzfall

All das ist zwar nicht der Hauptaspekt des Problems, aber es verleiht der heutigen Entscheidung in Sachen Ausschussvorsitze eine zusätzliche Brisanz. Denn es zeigt: Das eigentliche Drama ist, dass Karlsruhe wie schon bei den Corona-Maßnahmen, die das Gericht wie eine Stempelmaschine durchwinkte und absegnete, dass das Recht theoretisch gilt, die Praxis aber von politischen Machtspielen dominiert wird.

Was bleibt, ist das bittere Fazit: Wer zum Aussätzigen erklärt wird wie die AfD, darf nicht mitspielen – auch wenn ihn Millionen wählen. Ein gefährlicher Präzedenzfall, der das Potenzial hat, das ohnehin bei vielen Menschen – insbesondere nach Corona – schon gegen Null gehende Vertrauen in die Demokratie und den Rechtsstaat noch weiter zu beschädigen. Denn heute ist es die AfD – morgen vielleicht eine andere Partei, die der Mehrheit gerade nicht ins Konzept passt.

All diese Verhöhnungen der Demokratie geschehen im Namen der Demokratie. Fragt sich nur, wie lange diese „Demokratie“ noch auf solch wackligen Beinen stehen kann. Die besondere Dramatik der Situation ist, dass ihre Feinde heute an ihren Schalthebeln sitzen – und zum Teil selbst nicht begreifen, dass ihre angeblichen „Schutzmaßnahmen“ für die Demokratie genau diese pervertieren.

PS: Der Begriff „Potemkinsche Dörfer“ bezieht sich auf eine Legende aus dem Russland des 18. Jahrhunderts. Man sagt, der russische General Grigori Potemkin habe Attrappen von Dörfern errichten lassen, um Kaiserin Katharina die Große während ihrer Reise durch die Krim zu beeindrucken. Diese Dörfer dienten dazu, Wohlstand und Fortschritt vorzutäuschen. Historisch ist es allerdings umstritten, ob diese Geschichte wirklich wahr ist oder ob sie nicht eher ein Produkt politischer Rivalitäten war. Heute steht der Ausdruck allgemein für Täuschungen und Scheinlösungen.​

„Wer die Wahrheit sagt, braucht ein schnelles Pferd“

sagt ein altes chinesisches Sprichwort. Bei uns ist es wohl eher ein guter Anwalt – und der kostet Geld. Augsburgs CSU-Oberbürgermeisterin Eva Weber hat mich gerade angezeigt, weil ich es gewagt habe, ihre Amtsführung zu kritisieren. Es geht um mehr als nur diesen Fall. Es geht um das Recht, Kritik an den Mächtigen zu üben, ohne kriminalisiert zu werden. Helfen Sie mir, dieses wichtige Recht zu verteidigen! Jeder Beitrag – ob groß oder klein – macht einen Unterschied. Zusammen können wir dafür sorgen, dass unabhängiger Journalismus stark bleibt und nicht verstummt. Unterstützen Sie meine Arbeit:

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