Von Christian Euler
Während der Coronakrise wurden so viele Kohlenstoffdioxid-Emissionen eingespart wie nie zuvor. Langfristig dürfte dies das Klima aber kaum beeinflussen.
Der jährliche Bericht „Global Carbon Budget“ des Forschungsnetzwerks Global Carbon Project beziffert die Reduzierung der weltweiten Kohlenstoffdioxid-Emissionen im Zuge der Corona-Beschränkungen im vergangenen Jahr im Vergleich zu 2019 auf 2,6 Milliarden Tonnen. Einen so starken Rückgang gab es bisher nie.
Das sollte Wasser auf die Mühlen von Greta & Co. sein. Die Krise hätte so auch ihr Gutes: Kann zumindest die Welt an den Lockdown-Maßnahmen gesunden, wenn schon deren Bevölkerung unkalkulierbare Kollateralschäden in Kauf nehmen muss?
Ein am Freitag im Magazin Science veröffentlichtes Research-Papier der Wissenschaftler um John Fyfe vom Canadian Centre for Climate Modelling and Analysis in Victoria gibt wenig Hoffnung. „Unsere Simulationen deuten darauf hin, dass die Auswirkung der Kohlendioxid- und Aerosol-Emissionsreduktionen tatsächlich eine vorübergehende Verstärkung der Erwärmungsrate ist“, schreiben zwar Fyfe und seine fünf Kollegen. Doch die Betonung liegt auf „vorübergehend“, denn: „Unsere Ergebnisse zeigen jedoch, dass selbst große Emissionsreduktionen, die für eine kurze Dauer angewendet werden, nur einen kleinen und wahrscheinlich nicht nachweisbaren Einfluss haben.“
Mit dieser Einschätzung steht das Centre for Climate Modelling and Analysis nicht allein. Auch das Global Carbon Project kommt zum Fazit: „Auf die globale Erwärmung hat diese Reduktion aktuell keine Auswirkung.“ Der Kohlendioxidanteil in der Atmosphäre stieg im Jahresmittel auf einen neuen Rekordwert und beträgt jetzt 412 parts per million. Dieser Wert liegt um 48 Prozent über dem atmosphärischen CO₂-Gehalt in der vorindustriellen Zeit.
Langfristig hilft nur Disziplin und Beharrlichkeit
Immerhin hat sich die Zunahme der fossilen CO2-Emissionen zwischen 2010 und 2019 in 24 Ländern mit wachsenden Volkswirtschaften verlangsamt, was in enger Verbindung mit der Klimapolitik stehen dürfte. Doch die Ergebnisse verdeutlichen, dass selbst große Emissionsreduzierungen, die für eine kurze Dauer angewendet werden, nur einen kleinen und wahrscheinlich nicht nachweisbaren Einfluss auf das Klima haben. Langfristig hilft nach Ansicht der Forscher nur Disziplin und Beharrlichkeit: „Eine Reduzierung der Erwärmung und damit eine Stabilisierung der globalen Mitteltemperaturen setzen voraus, dass die Emissionen von Jahr zu Jahr kontinuierlich bis auf Netto-Null gesenkt werden.“
Laut einer vor wenigen Tagen im Fachjournal Nature Climate Change veröffentlichten Studie müssten bis zum Ende des Jahrzehnts und darüber hinaus mindestens ein bis zwei Gigatonnen pro Jahr eingespart werden, um das Pariser Klimaabkommen zu erfüllen. Darin einigten sich knapp 190 Länder der Welt, den Anstieg der weltweiten Durchschnittstemperatur langfristig auf deutlich unter 2°C gegenüber vorindustriellen Werten zu begrenzen.
Trotz der gigantischen Einsparung von 34 Tonnen Kohlendioxid scheint Euphorie wohl verfrüht – zumal es zu einem Nachholeffekt kommen könnte wie etwa nach der globalen Finanzkrise 2008. Zwei Jahre später stiegen die Emissionen sprunghaft um fünf Prozent an. Dies könnte auch 2022 bevorstehen – falls der Großteil der wirtschaftlich führenden Staaten dieser Welt überhaupt wieder aus dem Lockdown kommt.
Bild: Sepp photography/Shutterstock
Text: ce
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