Von Christian Euler
Die Rückrufe fehlerhafter Masken häufen sich. Allein in den vergangenen Wochen mussten Millionen Masken, die der Bund für Millionen an Steuergeldern beschafft und an Behörden und Einrichtungen verteilt hatte, zurückgerufen werden.
Reitschuster.de hatte Anfang März über die Prüfung der Dekra berichtet. 13 von 27 Herstellern fielen durch. Dies ist offensichtlich nur ein Teil einer ebenso unwürdigen wie gesundheitsgefährdenden Geschichte, die sich vorzugsweise mit „Geldgier statt Gesundheit“ umschreiben ließe. Mitte März etwa startete der Discounter Netto einen Rückruf von KN95/FFP2-Masken der Firma Brüder Mannesmann aus Remscheid. Vereinzelt sei es zu Auffälligkeiten bei der Durchlässigkeit der Filter gekommen, hieß es.
Wieso hat das Bundesgesundheitsministerium fehlerhafte Masken ausgerechnet an Altenheime und Schulen verteilt, fragte kürzlich das ARD-Wirtschaftsmagazin „Plusminus“. Stein des Anstoßes: Tausende Atemschutzmasken dürfen an Schulen, in Pflegeheimen und anderen Einrichtungen nicht mehr verwendet werden, da sie als nicht verkehrsfähig klassifiziert wurden.
Beispiel Helene-Fernau-Horn-Grundschule in Stuttgart. Dort liegen 3.500 unbenutzbare, „seltsam nach Chemie“ riechende Mund-Nasen-Bedeckungen in einem Maskenlager. Vor wenigen Wochen rief das Sozialministerium zurück. Schulleiter Michael Hirn hat dafür wenig Verständnis: „Man denkt, so kompliziert kann es ja eigentlich nicht sein, Masken einzukaufen, die den Vorschriften entsprechen.“
Weder Produktzertifikat noch Prüfnummer
Auch in Pflegeheimen wie im rheinland-pfälzischen Langenlonsheim tauchen zunehmend untaugliche Masken auf. In einer umfangreichen Lieferung des Bundesgesundheitsministeriums findet sich gar ein persönlicher Brief von Jens Spahn. Die Freude von Pflegeheimleiter Christoph Loré währte jedoch nur kurz: Hinweise der Berufsverbände, dass einige dieser Masken deutliche Qualitätsdefizite aufzeigen, trüben seine Laune. Die Masken des Ministeriums hatten weder Produktzertifikat noch Prüfnummer und liegen nun auf dem Speicher des Pflegeheims in einem Lagerraum. Zudem weist ein weiteres Schreiben darauf hin, dass seitens des Lieferanten – also der Bundesrepublik – keine Haftung für das Produkt übernommen wird. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.
Schauplatzwechsel nach Bremen, wo im April vergangenen Jahres die HB Medi GmbH den Zuschlag bekam, im Auftrag der Regierung Masken zu produzieren. Geschäftsführer ist laut Recherchen der ARD ein früherer Kfz-Händler und Taxi-Unternehmer, der seine Masken-Firma erst kurz vor dem Zuschlag gründete. Auf ihrer Homepage gelobt die HB Medi GmbH: Vertrauen ist gut – Kontrolle ist besser.
Die schriftliche Anfrage von „Plusminus“ bleibt trotz dieser wohlweislichen Worte unbeantwortet. Das Team zeigt sich davon wenig beeindruckt und fährt nach Bremen. Auf dem Firmengelände untersagt ein Security-Mitarbeiter die Dreharbeiten und verweist auf den Chef. Dieser teilt mit, seine Firma sei aus dem Firmenpark ausgezogen. Skurril, denn im Nachbargebäude befindet sich ein Büro der HB Medi. Doch niemand öffnet. Wohin die steuerfinanzierten Mittel des Bundesgesundheitsministerium geflossen sind, bleibt im Dunkeln.
Fast alle Masken nicht verkehrsfähig
Ein weiteres Unternehmen auf der Liste des Bundesgesundheitsministeriums ist SKG Productions, das sich ursprünglich Dienstleistungen in den Bereichen Arbeitszugführer, Lokführer und Gleisanlagenbau widmete. Eine Website, Telefonnummer oder E-Mail-Adresse lässt sich nicht finden. Allein eine Adresse im Handelsregister deutet auf die Existenz dieser Firma in Wentorf bei Hamburg hin. Dort stößt das „Plusminus“-Team tatsächlich auf eine Masken-Produktion, doch keiner spricht deutsch. Es heißt, wir sollen mit dem Chef telefonieren. Doch der ist nicht zu erreichen.
Roland Ballier hat einige vom Bundesgesundheitsministerium beschaffte Masken auf ihre Wirksamkeit untersucht. Der vereidigte Sachverständige für Medizin-Produkte geht laut „Plusminus“ davon aus, dass der Bund im vergangenen Jahr massenhaft Mund-Nasen-Bedeckungen eingekauft habe, die gar nicht verkehrsfähig seien. Und daran, so Ballier, sei Berlin selbst schuld, denn in dieser Ausschreibung habe das Ministerium die Anforderungen an die Masken nicht richtig definiert: „Ein Großteil oder fast alle sind nicht verkehrsfähig. Wir haben ein Riesen-Durcheinander an Masken verschiedener Qualität.“ Das Problem besteht nach Einschätzung des Experten letztendlich darin, „dass der Bund zugelassen hat, dass Masken über Kanäle nach Deutschland gekommen sind, die den Vorschriften nicht entsprochen haben.“
Bild: PhotoKatja/Shutterstock
Text: ce
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