25,6 Milliarden Euro Wiederaufbauhilfe aus Brüssel: „ökonomisch absurd“ Nachlässiger Umgang mit Steuergeldern

Von Christian Euler

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen reiste persönlich nach Berlin, um Bundeskanzlerin Angela Merkel die frohe Botschaft zu überbringen. Brüssel bedenkt die Bundesregierung mit Zuschüssen in Höhe von 25,6 Milliarden Euro zur Bewältigung der Corona-Krise. Die Bundesregierung habe die Vorgaben mehr als erfüllt, lobte von der Leyen.

„Das ist alles in wahnsinnigem Tempo gegangen“, spielte die Kanzlerin den Ball zurück. Einen besonderen Schwerpunkt beim deutschen Aufbauplan will Merkel auf die Digitalisierung legen, „weil wir hier nacharbeiten müssen an bestimmten Stellen“.

Die geradezu ostentativ bekundete Harmonie zwischen Merkel und von der Leyen vermochte die deutlichen Differenzen zwischen Brüssel und Berlin jedoch nicht zu überdecken. So bemängelte die EU-Kommission schon während der Beratungen mit der Bundesregierung über den Wiederaufbauplan, dass die meisten Investitionen, die die Bundesrepublik mit dem EU-Geld finanzieren will, nicht neu sind, sondern ohnehin geplant waren. Einen zusätzlichen Impuls für die Lockdown-geschädigte Konjunktur liefern sie somit nicht.

Halbherziger Reformeifer

Zudem werden die Steuerzahler zur Kasse gebeten. „Da Deutschland an den Kapitalmärkten etwas geringere Zinsen zahlt als die EU, kostet die Umschuldung der Finanzierung des deutschen Konjunkturprogramms auf die EU den deutschen Steuerzahler sogar Geld“, bringt es der Grünen-Europaabgeordnete Sven Giegold auf den Punkt. „Die Umetikettierung des deutschen Konjunkturprogramms ist daher ökonomisch absurd. Es ist enttäuschend, dass die EU-Kommission die Bundesregierung damit durchkommen lässt.“

Kritisch zu bewerten ist auch der zweite Teil des Wiederaufbauplans, die Auflistung von Reformabsichten. Die EU forderte für ihre Milliarden die Zusage, dass die Mitgliedsstaaten mit „wachstumsfreundlichen Reformen“ ihrer Wirtschaft mehr Schwung verleihen. Doch Deutschland hielt sich höflich zurück, der Reformeifer verdient bestenfalls das Prädikat „halbherzig“.

Eine interne Aufstellung der Kommission, die dem „Handelsblatt“ vorliegt, offenbart, dass Berlin lediglich 14 Reformen angehen will – deutlich weniger als manche Staaten, die hierzulande allzu gern als reformmüde dargestellt werden. „Der GroKo ist die Luft ausgegangen, neue Ideen sind mittlerweile Mangelware“, bemängelt der FDP-Europaparlamentarier Moritz Körner.

Transparenz bei der Vergabe der Gelder birgt »echte Gefahr«

Derweil warnte die EU-Chefermittlerin Laura Kövesi im Interview mit dem Handelsblatt vor Betrug beim Wiederaufbaufonds. „Ich sehe große Risiken“, so die neue europäische Generalstaatsanwältin. „Die Regierungen haben jetzt die Möglichkeit, einen Auftrag direkt an ein Unternehmen zu vergeben. Das bedeutet, dass wir ein ernsthaftes Risiko haben, dass mehr Verbrechen begangen werden.“ Aus dem Mangel an Transparenz bei der Vergabe resultiere „echte Gefahr“.

Kriminelle können aus dem Vollen schöpfen: Das Hilfsprogramm „Next Generation EU“ umfasst 750 Milliarden Euro für die Jahre 2021 bis 2027. Die gewaltige Dimension wird deutlich, wenn man das Programm mit dem Marshallplan vergleicht. Die Vereinigten Staaten unterstützten den Wiederaufbau Europas nach dem Zweiten Weltkrieg mit 13,3 Milliarden US-Dollar.

In Preisen von 2017 entspricht dies laut dem Researchdienst des US-Kongresses umgerechnet 120 Milliarden Euro – und damit weniger als einem Sechstel der Mittel, die die EU-Mitglieder heute ausgeben dürfen.

Diejenigen, die selbst wenig haben, bitte ich ausdrücklich darum, das Wenige zu behalten. Umso mehr freut mich Unterstützung von allen, denen sie nicht weh tut!
Dipl.-Volkswirt Christian Euler widmet sich seit 1998 intensiv dem Finanz- und Wirtschaftsjournalismus. Nach Stationen bei Börse Online in München und als Korrespondent beim „Focus“ in Frankfurt schreibt er seit 2006 als Investment Writer und freier Autor u.a. für die „Welt“-Gruppe, Cash und den Wiener Börsen-Kurier.
Bild: Marc Zimmermann/Shutterstock
Text: ce
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