Altdeutscher Größenwahn in neudeutschem Gewand An unserem Wesen soll wieder einmal die Welt genesen

Vor 90 Jahren fürchtete sich die ganze Welt vor dem deutschen Größenwahn. Mit Gewalt und Panzern schickte sich Berlin damals an, die Welt zu erobern – und aus seiner Sicht zu „retten“. Denn Wahnwitz wie die Rassenlehre betrachtete man ja damals als unwiderlegbaren Stand der Wissenschaft und das, was nötig war, um aus der Welt einen besseren – und damit deutscheren – Platz zu machen. Dass die Nationalsozialisten, die heute meist als „Nazis“ abgekürzt oder als Faschisten bezeichnet werden, um das Wort Sozialismus und damit ihre linken Anteile zu verschleiern, aus ihrer Sicht damals die Guten waren und ihre Gegner als die Bösen betrachteten – das ist eine der wichtigsten Lehren aus der Geschichte. Die unsere Vergangenheitsbewältigung leider völlig ignorierte. Deren Scheitern wurde spätestens in der Corona-Zeit offensichtlich, als die Deutschen wieder im Gleichschritt Richtung Autoritarismus und totalitäres Denken marschierten.

Der Rückblick in die finstersten Kapitel der deutschen Geschichte ist nötig, um zu verstehen, wie absurd und gefährlich es ist, was wir derzeit erleben. Denn vor unseren Augen und Ohren hat sich der deutsche Größenwahn erneut erhoben. Nur diesmal nicht im braunen, sondern im grünen Gewand. Statt auf Panzer setzt er jetzt auf Moral. Wieder schickt sich eine selbsternannte Elite aus Deutschland an, die Welt zu retten. Wieder soll am deutschen Wesen die Welt bzw. deren Klima genesen. Und wieder ist die träge Masse zu apathisch, zu gleichgültig und/oder zu feige, um ihre Stimme zu erheben und den Irrwitz zu stoppen.

Die gute Nachricht vorweg: Es spricht wenig bis nichts dafür, dass die Wiederauflage des deutschen Größenwahns ein zweites Mal auch nur ansatzweise derartige Katastrophen von unvergleichlichem Ausmaß mit sich bringen wird wie die letzte. Aber die schlechte Nachricht ist: Selbst wenn von uns diesmal wohl keine Gefahr eines Völkermordes oder eines Weltkrieges ausgeht – die zerstörerische Wirkung für das eigene Land wird groß sein. Und wieder wird man sich danach erstaunt die Augen reiben und sich fragen: Wie konnte es so weit kommen?

Womit wir beim konkreten Anlass wären, der mich dazu brachte, diesen Text zu schreiben. Einer Nachricht im „Focus“ mit folgender Überschrift: „Fazit zur Verleihung des ‚Constructive World Award‘: „‚Die Botschaft ist ganz klar – wir müssen diese Welt gemeinsam retten‘“. Bei solchen Botschaften läuft es mir eiskalt den Rücken herunter. Bisher sind noch alle Versuche, „die Welt zu retten“, im Elend geendet.

Nach vorne denken

Besonders absurd im konkreten Fall: Auslöser für die Weltrettung war die Vergabe des „Constructive World Award für konstruktiven und lösungsorientierten Journalismus“ durch Focus Online. Im Text heißt es: „Mit dem Award soll die gesellschaftliche und journalistische Arbeit derjenigen gewürdigt werden, die unsere Welt konstruktiv nach vorne denken und bewegen.“

Also die Habecks und Baerbocks, die Ricarda Langs und die Claudia Roths unter den Journalisten.

Und wenn es um die Weltrettung geht, darf natürlich das Geschäft auch nicht hintanstehen. Focus-Online-Vorstandschef Oliver Eckert sagte: „Dieser Preis passt hervorragend zum Hause Burda, Burda stand immer für den Pursuit of Happiness, das Streben nach Glück, Burda hat den Menschen immer geholfen, ein gelingendes Leben zu führen. In dieser Tradition steht dieser ‚Constructive World Award‘“. Korrekt gegendert wies Eckart dann auch noch darauf hin, dass „das Wichtigste ist, dass wir nicht einseitig auf diese Welt schauen, sondern dass wir verschiedene Perspektiven einnehmen“.

So viel Größenwahn ist bemerkenswert. Selbst ein Illustrierten-Verlag fühlt sich zur Weltrettung berufen. Und bemerkt die eigene Einseitigkeit gar nicht mehr. Verschiedene Perspektiven? Klar! Solange es alle die richtigen sind! Also die rot-grünen!

Aber weg von dem Verlag und seinem merkwürdigen Preis, die hier nur der Auslöser für diesen Text waren, zurück zum großen Ganzen.

Eine der wichtigsten Lehren aus den Schrecken unserer Geschichte hätte es sein müssen, dass niemand mehr für sich in Anspruch nehmen darf, im Besitz der Wahrheit zu sein, und in deren Besitz die Welt retten zu müssen. Denn damit ist die Verfolgung der vermeintlichen Feinde der „Wahrheit“ und der „Weltrettung“ unausweichlich.

Und wir erleben sie derzeit.

Die große Hoffnung kann nur sein, dass die Vergangenheitsbewältigung nach der nächsten Katastrophe, deren Aufziehen bzw. absichtliches Herbeiführen wir gerade als Zeitzeugen mitverfolgen, erfolgreicher sein wird.

Ich hoffe, Sie sind in dieser Hinsicht optimistischer als ich.

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