Berlin: Bürgermeister-Wahl können sie also auch nicht… SPD lässt Kai Wegner zunächst durchfallen

Von Kai Rebmann

Eigentlich galt sie nur als Formsache, die Wahl des Regierenden Bürgermeisters im Berliner Abgeordnetenhaus. Aber: So etwas wie „Formsachen“ gibt es in der Hauptstadt nicht, am allerwenigsten, wenn es um Wahlen geht. Nach dem Desaster mit zwei von Pleiten, Pech und Pannen begleiteten Urnengängen ist es eigentlich nur folgerichtig, dass auch die Wahl Kai Wegners zum neuen Regierenden Bürgermeister nicht ganz reibungslos über die Bühne geht.

Und es stimmt schon: Dass ein Kandidat, noch dazu einer, der aus einer Zwangsehe zweier Koalitionäre hervorgeht, die sich gegenseitig nicht das Schwarze unter den Fingernägeln gönnen, im ersten Wahlgang mal durchfällt bzw. durchgefallen lassen wird, gehört eher zum politischen Alltag. Kai Wegner erreichte nur 71 (von 159) Stimmen, nötig gewesen wären aber 80. CDU (52) und SPD (34) bringen es zusammen auf 86 Abgeordnete, mutmaßlich 15 Sozialdemokraten haben Wegner also die Gefolgschaft verweigert.

Im zweiten Wahlgang – und das ist wohl kein Zufall – fehlte dem CDU-Mann dann genau eine Stimme zur absoluten Mehrheit. Damit stand die Frage im Raum: Wie weit wird es die SPD noch treiben und welche Spielchen sind von der Opposition noch zu erwarten? Denn schon jetzt ist klar: Egal, was die kommenden Stunden noch bringen werden, Kai Wegner wird vom Koalitionsfeind als Regierender Bürgermeister im Roten Rathaus zu Berlin allenfalls geduldet werden.

CDU beantragt Unterbrechung

Nachdem auch der zweite Durchgang nicht das erhoffte bzw. gewünschte Ergebnis gebracht hatte, beantragte die CDU um 14 Uhr eine Unterbrechung der Sitzung bis 15:30 Uhr. Wenigstens dabei waren sich alle einig, so dass sich die Fraktionen zur Stunde über das weitere Vorgehen beratschlagen können. Tritt Kai Wegner nochmal an? Einigen sich die Koalitionäre auf einen von beiden Seiten tragbaren Kandidaten? Oder passiert etwas gänzlich Unerwartetes?

Ausschließen darf man wohl nichts. Denn Thüringen hat gezeigt, dass Wahlen zum Ministerpräsidenten – der in diesem Fall Regierender Bürgermeister heißt – durchaus kuriose Wendungen nehmen können. Immerhin: Im dritten Wahlgang reicht die relative Mehrheit, es wird irgendwann um kurz nach 16 Uhr also einen neuen Regierenden Bürgermeister geben. Wie dieser aber heißen wird und welches Parteibuch er hat, erscheint offener denn je.

Angela Merkel sitzt schon neben dem Telefon

Es gibt aber einen wichtigen Unterschied zwischen der Thüringen-Posse und jener in Berlin: Angela Merkel (CDU) ist nicht mehr im Amt. Wo sich die Alt-Kanzlerin zur Stunde aufhält, ist unklar, sie soll sich – so berichten uns zuverlässige Quellen – aber nicht in Südafrika aufhalten.

Böse Zungen unken dagegen, dass sich der einstige FDJ-Kader schon einen gemütlichen Platz neben ihrem Telefon gesucht haben soll. Denn man weiß ja nie: Vielleicht muss auch das Votum im Abgeordnetenhaus von Berlin wieder rückgängig gemacht werden.

Update 17:15 Uhr: Aller guten Dinge sind drei! Im dritten Wahlgang wurde Kai Wegner dann doch noch zum neuen Regierenden Bürgermeister von Berlin und damit zum Nachfolger von Franziska Giffey (SPD) gewählt. Der CDU-Politiker erhielt 86 Stimmen (also genauso viele wie CDU und SPD Sitze im Abgeordnetenhaus haben) bei 70 Nein-Stimmen und 3 Enthaltungen. Bleibt für die Bewohner der Hauptstadt wohl bloß zu hoffen, dass diese Wahl nicht zum bösen Omen für die Regierungsarbeit der „Großen Koalition“ für die nächsten rund dreieinhalb Jahre wird!

Welche Rolle spielte die AfD?

Update 18:45 Uhr: Die AfD teilte kurz vor Verkündung des Ergebnisses des dritten Wahlgangs mit, dass sie für Kai Wegner gestimmt habe: „Dieser Schritt ist uns nicht leichtgefallen, denn wir halten den zwischen CDU und SPD geschlossenen Koalitionsvertrag für die weitgehende Fortsetzung rotgrünroter Politik mit teilweise anderem Personal.“ Fraktionschefin Kristin Brinker ergänzte: „Dennoch überwiegt für uns die gesamtstädtische Verantwortung, der wir uns stellen.“

Gegen diese Darstellung des eigenen Abstimmverhaltens – laut AfD soll etwa die Hälfte der 17 Abgeordneten für Wegner gestimmt haben – spricht allerdings die Tatsache, dass der CDU-Mann genau die 86 Stimmen erhalten hat, die CDU und SPD auch an Sitzen im Abgeordnetenhaus haben. Es könnte sich also ebenso gut auch um ein (durchsichtiges) Manöver der AfD handeln.

Ganz ausgeschlossen ist es aber auch nicht. Nach 71 Stimmen im ersten und 79 Stimmen im zweiten Wahlgang entfielen bei dritten Versuch eben die besagten 86 Stimmen auf Wegner. Wenn es nur um eine „Ohrfeige“ gegangen wäre, so hätten die Koalitionäre spätestens im zweiten Wahlgang für ihren Kandidaten stimmen können.

Wie dem auch sei, ein fader Beigeschmack bleibt. Und das die AfD das nach Herzenslust ausschlachtet, kann man ihr wohl kaum verübeln. Thüringen lässt grüßen, als sich die selbsternannten „Parteien des demokratischen Spektrums“ schon einmal am Nasenring durch die politische Arena haben führen lassen.

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Kai Rebmann ist Publizist und Verleger. Er leitet einen Verlag und betreibt einen eigenen Blog.

Bild: Screenshot Youtube/TV.Berlin

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