Mit einer umstrittenen Werbeaktion sorgt der Berliner Senat für Diskussionen – und für eine Strafanzeige. Zu sehen ist auf der Anzeige eine voller Hass drein blickende ältere Frau mit ausgestrecktem Stinkefinger. Darüber steht in großen Lettern: „Der erhobene Zeigefinger für alle ohne Maske“. Und darunter klein: „Wir halten die Corona-Regeln ein“. Erschienen ist die Anzeige im Berliner Tagesspiegel, unter dem Motto #BerlinGegenCorona. Bestellt und bezahlt hat sie der Senat der Hauptstadt über das offizielle Reiseportal „visitBerlin“. Dass die Regierenden öffentlich ihre Bürger beschimpfen, ist ungewöhnlich für eine Demokratie. Noch ungewöhnlicher ist es, dass sie dies gegenüber den Schwächsten in der Gesellschaft tun – Kranken und Kinder. Denn ohne Maske sind vor allem Kinder und Menschen unterwegs, die aus gesundheitlichen Gründen keine Maske tragen können.
Der parteilose Abgeordnete Marcel Luthe, selbst gesundheitlich betroffen, war derart schockiert über die Aktion, dass er noch am Dienstag Anzeige erstattete. Sie liegt reitschuster.de vor. „Der Senat schreckt offenbar mittlerweile vor nichts mehr zurück, wenn er nun aus Steuermitteln gegen die Schwächsten unserer Gesellschaft hetzen lässt. Ich erwarte, dass der Senator für Antidiskriminierung hier deutlich Stellung bezieht und Ermittlungen aufgenommen werden. Die durch die erratische Politik der Landesregierung betriebene Spaltung der Gesellschaft muss ein Ende haben“, sagte Luthe reitschuster.de
In seiner Strafanzeige schreibt er: „Der Senat von Berlin oder diesem nachgelagerte Behörden oder Landesbeteiligungen haben mit dem verbreiteten Motiv ‘Der erhobene Mittelfinger für alle ohne Maske‘ in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, gegen Teile der Bevölkerung zum Hass aufgestachelt und die Menschenwürde der Betroffenen dadurch angegriffen, dass diese durch Zeigen des Mittelfingers beschimpft werden…Der einem neutralen Beobachter von Hass geprägt erscheinende Blick gemeinsam mit dem ausschließlich beleidigend verwendeten ausgestreckten Mittelfinger richtet sich bereits dem Wortlaut nach gegen ‘alle ohne Maske‘, also einen Teil der Bevölkerung im vorbezeichneten Sinne.“
Weiter heißt es in der Anzeige des Volksvertreters: „Selbst wenn sich dieser Bevölkerungsteil vermeintlich rechtswidrig verhielte – was schon deshalb nicht der Fall ist, weil es eine ‘allgemeine Maskenpflicht‘ nicht gibt, sondern nur bestimmten Personenkreisen an bestimmten Orten eine solche Pflicht durch Rechtsverordnung auferlegt werden soll – würde dies keine Angriffe auf die Menschenwürde dieser Personen gestatten.
Dies gilt umso mehr, als dass unter anderem für
a)Kinder bis zum vollendeten sechsten Lebensjahr,
b) Personen, die aufgrund einer gesundheitlichen Beeinträchtigung, einer chronischen Erkrankung oder einer Behinderung keine Mund-Nasen-Bedeckung tragen können,
c) Personen, bei denen durch andere Vorrichtungen, die mindestens die in Absatz 3 niedergelegten Anforderungen erfüllen, die Verringerung der Ausbreitung übertragungsfähiger Tröpfchenpartikel und Aerosole bewirkt wird oder
In den Kreis der ‘alle ohne Maske‘ fallen, so auch der Anzeigeerstatter.
Ich sehe daher in der angezeigten Tathandlung sowohl den Anfangsverdacht einer strafbaren Volksverhetzung als auch eines Ehrverletzungsdelikts zu meinen Lasten – und einer Vielzahl weiterer Betroffener im Sinne der obenstehenden Regelung.
Dass die Täter – einmal mehr – auch in der Publikation nicht darauf hinweisen, dass und welche Personengruppen gerade nicht von einer solchen Regelung der Exekutive betroffen sind, erscheint dem Anzeigeerstatter zudem zumindest als Versuch des sogenannten ‘Nudging‘, also dem Versuch der Nötigung der gar nicht von einer ‘Pflicht‘ betroffenen Personen zu einem solchen Verhalten durch öffentlichen bzw. sozialen Druck.
Ich stelle ausdrücklich auch Strafantrag wegen aller in Frage kommender Delikte, auch gegen einen etwaigen Anstifter.“
+++ Aktualisierung am 14.10. 13:13 Uhr: Die Verantwortlichen haben angekündigt, die Plakataktion zu stoppen +++
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Text: red