Von Daniel Weinmann
Deutschland ist zwar nicht Fußball-Europameister geworden. Doch dafür darf sich die Republik mit dem Titel der meisten außer Kontrolle geratenen staatlichen Großprojekten schmücken. Unkenntnis, Inkompetenz und Planungswirrwarr sind die gemeinsamen Nenner von Vorhaben wie dem Berliner Flughafen BER, der Hamburger Elbphilharmonie und Stuttgart 21, das zwischenzeitlich zu Stuttgart 26 geworden ist. Das Motto lautete stets „Wir brauchen das“. Ein Schelm, wer sich dabei an Angela Merkel erinnert fühlt. Doch dazu später mehr.
Eine weitere Parallele dieser anfangs mit einem Glorienschein verklärten Kolossal-Projekte: Die Zeche zahlen müssen am Ende die Steuerzahler. Mit gleich zwei völlig fehlgeplanten Mammutprojekten setzt Berlin der milliardenschweren Pannenserie die Krone auf: Neben dem BER ist die Sanierung des Pergamonmuseums längst zum Symbol für das Systemversagen der Hauptstadt geworden.
Der „Spiegel“ rekonstruiert minutiös ein „deutsches Debakel, das den Flughafen BER oder Stuttgart 21 noch in den Schatten stellt“. Redakteur Hannes Schrader hat ein Jahr lang recherchiert. Einen Weltkrieg habe das Museum überlebt, zwei Diktaturen kommen und gehen sehen, schreibt er, doch seine härteste Prüfung sei inzwischen die eigene Sanierung.
Der „Masterplan Museumsinsel“ mutierte zum Papiertiger
Schrader weiß, wovon er schreibt, denn er bekam Einblick in nicht für die Öffentlichkeit bestimmt Sitzungsprotokolle der beteiligten Institutionen. Sein Fazit: Die Bauzeit wird sich von fünf auf mindestens 24 Jahre vervielfachen. Ebenso die Baukosten, die von ursprünglich 500 Millionen Mark auf inzwischen 1,5 Milliarden Euro angestiegen sind – was allerdings noch lange nicht die Obergrenze sein muss. „Ein paar Hundert Millionen Euro werden wohl noch dazukommen.“
Die Geschichte der buchstäblichen Bruchlandung beginnt mit Ex-Kanzler Schröder, der sich 1999 als spendabler Vater der Nation gerierte und die fünf Museen auf der Spreeinsel in nur zehn Jahren neu erstrahlen lassen wollte. „Wir werden das schaffen“, nahm Schröder die geschichtsträchtige Phrase seiner Nachfolgerin Angela Merkel um 16 Jahre vorweg. Das Projekt sollte, wie könnte es bei Schröder anders sein, ein Geschenk an die Nation sein. Daher versah man es mit dem gänzlich unprätentiösen Namen „Masterplan Museumsinsel“.
Darin war die vollständige Sanierung bis 2010 vorgesehen. Begonnen hatten die Arbeiten aber erst im Jahr 2013. Die Wiedereröffnung des Pergamonmuseums, das als kulturelles Herz der Hauptstadt gilt, hat sich zwischenzeitlich auf 2043 verschoben.
Bis zur Wiedereröffnung werden Jahrzehnte vergehen
Die Bauunterlagen für die Sanierung umfassen laut „Spiegel“ mittlerweile hunderte Aktenordner. Manche Protagonisten leben längst nicht mehr. Andere sind in Pension oder beschäftigen sich mit anderen Projekten. Einige von ihnen werden die Fertigstellung des Museums nicht mehr erleben.
Die Hauptakteure sind das Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR) und die Stiftung Preußischer Kulturbesitz. Nach dem Studieren der Akten und Dutzenden Interviews bleibt für Autor Schrader nur dieser Schluss: „Das BBR hat die Kontrolle über dieses Projekt schon vor Jahren verloren. Die Behörde bestreitet das, doch die Realität zeigt es.“
Wie lange die Sanierung des Museums noch dauern wird, weiß niemand. Klar scheint nur: Bis zur Wiedereröffnung werden Jahrzehnte vergehen. Man wird sich bemühen, werkeln und herumlaborieren. Irgendwann wird auch dieses Projekt beendet sein. Sollte dies in den späten 2040er Jahren geschehen, kann Altkanzler Schröder – dann im stolzen Alter von 105 Jahren – das Pergamonmuseum pünktlich zum 50. Jahrestag seiner wohlfeilen Versprechungen wiedereröffnen.
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Daniel Weinmann arbeitete viele Jahre als Redakteur bei einem der bekanntesten deutschen Medien. Er schreibt hier unter Pseudonym.
Bild:tichr/Shutterstock