Ein Gastbeitrag von Sönke Paulsen
Fast hatte es den Anschein, als wären die Grünen mit ihrem weiblichen Spitzengesicht fest in einer „female hypoagency“ gefangen, einer psychologischen Voreinstellung, die Frauen großzügiger entschuldigt und weniger Verantwortung für ihre Taten und Worte zumisst als Männern. Aber die Grünen nehmen es ernst mit der Gleichstellung und schieben ihre Frauen, wenn sie politisch zu unbedarft waren, nicht elegant in den Hintergrund, wie es die Kanzlerin wiederholt mit ihren „Ministerinnen“ tat. Kristina Schröder, die in ihrem Ministerium mit der linken Grundstimmung nicht klar kam und Ursula von der Leyen, der es bei der Bundeswehr umgekehrt erging, weil ihr die Truppe zu konservativ war, wurden bekanntlich geschont, bis nichts mehr ging.
Baerbock aber soll kämpfen und das hat gute Gründe. Denn im Unterschied zur weichen Ideologie der Union vertreten die Grünen nicht irgendeine Politik zwischen links und rechts, sondern ein emotionales Weltbild.
Annalena Baerbock wurde nicht nur als Frau gewählt, sondern auch, weil sie als Person mit diesem Weltbild identisch ist.
Aufgewachsen in einer grünen Familie, die ihre Sonntagsausflüge zu Anti-Atomkraft-Demos machte und in Menschenketten stand, statt mit Verwandten Kaffee zu trinken, ist die Spitzenkandidatin mit dem unverwechselbaren, grünen Stallgeruch gesegnet. Eine bestimmte emotionale Verfasstheit gehört dazu und die ist typisch grün.
Man bleibt lässig und tolerant und konkurriert nicht übermäßig miteinander, solange man sich unter Gleichgesinnten bewegt. Wenn Grüne allerdings auf wirklich „Andersdenkende“ treffen, werden sie hysterisch und aggressiv. Die Partei ist mehr als eine Partei. Sie ist familiär und auf unzähligen Parteitagen hörte man schon „liebende Worte“ von Vorsitzenden, die nicht immer das beste Konzept hatten, aber die Seele der Partei verkörperten.
Man denke zurück an den Parteitag nach der Bundestagswahl 2013, als sich die Grünen in einer neuen „weiblichen“ Debattenkultur feierten und Claudia Roth als die „emotionale Wahrheit der Partei“ verabschiedeten, während sich der neu gewählte, weibliche Vorstand, darunter Göring-Eckardt und Rebecca Harms, gegenseitig verbal beschmuste. Ein Ritual bei den Grünen, die intern auf Harmonie und extern auf gnadenlose Feindschaft setzen.
Nebenbei erinnern wir uns, dass Claudia Roth die Grüne mit der Pistole in der Handtasche ist, während Rebecca Harms auf dem „Euromaidan 2013/14“ in Kiew, eingehüllt in eine ukrainische Flagge für Fotografen posierte, in einer aufgeheizten Situation, in der direkt vor ihrem Hotel Menschen erschossen wurden. Der Hang der Grünen zur Emotion ist ebenso offensichtlich, wie ihr Hang zur Gewalt.
Somit ist vollkommen nachvollziehbar, dass „die Annalena“ nur das Opfer böser rechter Trolle sein kann, wie es Jürgen Trittin kürzlich sogar einer Taz-Redakteurin vorwarf, die es wagte, einen Austausch der Spitzenkandidaten im Rahmen der Plagiatsaffäre zu fordern.
Nun wollten Baerbock und Habeck ausgerechnet das öffentliche Bild der Grünen zurechtrücken und „über eine andere Ansprache und Haltung Gräben überwinden“. Genau das ist unglücklicherweise der Augenblick, in dem der „rechte Propagandakrieg“ (Bütikofer), „die rechten Trolle und eine Dreckskampagne von BILD“ (Trittin), eine „frauenfeindliche Rufmordkampagne“ und „Methoden à la Hitler“ seitens der Medien über die grüne Spitzenkandidatin kamen.
Das alles wegen einiger Plagiatsvorwürfe in ihrem nicht ganz selbst geschriebenen Buch „Jetzt“.
Die Reaktion ist, nach typisch grüner Art, radikal-emotional und tatsächlich mit einem „Grabenkrieg“ gegen den Rest der Gesellschaft zu erklären, der bei den Anhängern der Partei schon seit Langem Konsens ist.
In eben diese Gräben ist Baerbock nach eigenen Angaben „kurz zurückgerutscht“.
Die grüne Seele versteht sie. Sie hatte einfach keine Lust mehr auf Kritik von außen. Diese Lust hatten die Grünen ja noch nie.
Der Politikentwurf dieser Partei ist vor allem eines: Er ist in erster Linie empfunden und gefühlt. Genau so muss das Wahlprogramm sein, so müssen ihre Vorsitzenden und Spitzenkandidaten sein. Ein rationaler Cem Özdemir hatte da schlechte Karten. Die grünen Frauen können das besser. Die Partei scheint ohnehin vor allem die Gefühlsmenschen in der Bevölkerung anzusprechen und will das auch.
Denn jenseits der gefühlten Wahrheiten lauert das Unbehagen der rational zu erfassenden Realität, eines Zwanges, rational zu argumentieren und nicht emotional zu manipulieren.
Genau dort liegt auch die Schwäche von Annalena Baerbock, welche die Schwäche der Grünen ganz generell ist. Sie muss ein Sachbuch von einem Ghostwriter zusammenkupfern lassen, weil sie selbst die geistige Anstrengung eines komplexen rationalen Diskurses nicht erträgt und auch nicht bewältigen kann.
Damit ist sie eine typische Grüne, die ihre Politik fühlt, aber nicht wirklich versteht und erklären kann. Sie verhaspelt sich, verdreht Tatsachen und bringt Fakten durcheinander. Sie ist tatsächlich die Verkörperung der grünen Seele, die mit einer leichten kognitiven Beeinträchtigung einhergeht. Deshalb wird sie so hartnäckig verteidigt.
Die Grünen sind eine Partei, die auf die komplexen Problemstellungen unserer Gesellschaft in Wirklichkeit immer nur eine Antwort hat: Die „Klima-Katastrophe“! Es gibt im grünen Wahlprogramm kein gesellschaftliches Problem, das nicht an das Klima gekoppelt wird. Das Klima kann man fühlen und es gibt jede Menge Menschen, die unter dem Klima das Wetter verstehen und damit unzufrieden sind. „Wetter-Protestwähler“, die von den Grünen eingefangen werden, obwohl die Erderwärmung ein rein statistischer Wert ist.
Diese Partei ist nicht in der Lage eine verantwortliche und rationale Politik für unser Land abzuliefern, weil sie einen großen Teil der Gesellschaft als feindlich ablehnt und deren Probleme negiert und weil sie ein Konzept für denkfaule Gefühlsmenschen verfolgt, die sich von unserer Leistungsgesellschaft abgestoßen fühlen.
Dagegen setzten sie ein einfaches, gefühltes Konzept, das man mit einem Satz aus dem Wahlprogramm der Grünen in „leichter Sprache“ zusammenfassen kann. Dort steht „das Klima muss besser werden“.
Genau! Das sage ich auch immer! Aber möglichst ohne die Grünen.
Gastbeiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine. Ich schätze meine Leser als erwachsene Menschen und will ihnen unterschiedliche Blickwinkel bieten, damit sie sich selbst eine Meinung bilden können.
Sönke Paulsen ist freier Blogger und Publizist. Er schreibt auch in seiner eigenen Zeitschrift „Heralt“. Hier finden Sie seine Fortsetzungsgeschichte „Angriff auf die Welt“ – der „wahre“ Bond.
Bild: Cineberg/ShutterstockText: Gast
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