Birmingham: Prüfungen zu „weiß“? Britische Eliteuniversität verabschiedet sich von Leistung

Ein Gastbeitrag von Thomas Rießinger

Die „University of Birmingham“ wurde im Jahre des Herrn 1900 von Königin Victoria gegründet, und seither lehrt und forscht man dort munter vor sich hin. Da aber zum Lehren auch gelegentliches Prüfen gehört, muss man sich von Zeit zu Zeit darüber klar werden, in welcher Form Prüfungen stattfinden sollen – akademische Prüfungen, wohlgemerkt, von denen man zumindest theoretisch ein gewisses Niveau erwarten sollte. In Birmingham hat man mit diesem Prinzip allerdings leichte Schwierigkeiten, wie die britische Zeitung „Daily Mail“ berichtet. Im Folgenden werde ich nichts anderes tun, als die deutsche Übersetzung des „Daily Mail“-Artikels notieren, die ich nur manchmal unterbrechen muss, um einen Begriff zu erläutern.

Unter der Überschrift „Große britische Universität fordert Abschaffung von Prüfungen als Teil ihrer Pläne zur „Dekolonialisierung“ ihrer Wirtschaftsfakultät – weil „sie weiße Studierende begünstigen“ und dem nachfolgenden einleitenden Absatz „Prüfungen und das Verfassen von Aufsätzen sollten abgeschafft werden, da sie weiße Studenten unfair begünstigen, so ein Bericht einer Eliteuniversität“ berichtet die Zeitung weitere Einzelheiten.

„Die Universität Birmingham sagt, dass die traditionellen Bewertungsmethoden „Intelligenz auf der Grundlage weißer Privilegien“ messen und fügt hinzu, dass es für Studierende aus ethnischen Minderheiten schwieriger ist, gute Leistungen zu erzielen.

Die Universität – Teil der renommierten Russell Group of Universities – stellte diese erstaunliche Behauptung in einem neuen Papier darüber auf, wie ihre Wirtschaftsfakultät „dekolonialisiert“ werden kann.

Sie verfügte, dass Wirtschaftsstudiengänge ihre Systeme und Strukturen ändern müssen, um Verbindungen zum „Kolonialismus und seinen Hinterlassenschaften“ zu kappen.

In einem zusammen mit dem Bericht veröffentlichten Kommentar schwärmte Prof. Sally Everett von einer anderen renommierten Universität – dem King’s College London – von den „unverdienten Vorteilen, weiß zu sein“ und den „Privilegien der Weißheit“ und plädierte für eine „Dekolonisierung der Bewertung“.

Sie behauptete, dass traditionelle Bewertungsmethoden „systemische Ungleichheiten aufrechterhalten” und schlug vor, diese durch „Bewertungen mit geringem Einsatz” wie „das Verfassen von reflektierenden Tagebüchern” zu ersetzen.“

Hier muss ich kurz unterbrechen. Im Original steht der Begriff „reflective journal“, den man mit Reflexionsjournal oder eben mit Reflexionstagebuch übersetzen kann. Es handelt sich dabei um Aufzeichnungen, die der Selbstreflexion dienen und dokumentieren sollen, wie der Autor sich bei welchen Tätigkeiten auch immer fühlt und was in ihm vorgeht – was in früheren Zeiten eher selten Gegenstand einer Prüfung war. Doch weiter im „Daily Mail“-Artikel.

„Der Bericht kam zu dem Schluss, dass Bewertungsmethoden wie persönliche, zeitlich begrenzte Prüfungen oder benotete Aufsätze abgeschafft werden sollten, da sie potenziell „Instrumente der Ausgrenzung“ seien.

Sie würden „Wissen marginalisieren“ und Fähigkeiten aus „nicht-westlichen Traditionen“ abwerten.

All dies ist Teil einer Initiative für Gleichberechtigung, Vielfalt und Inklusion, die von der Wirtschaftsfakultät der Universität als Reaktion auf die Black-Lives-Matter-Proteste ins Leben gerufen wurde.

Chris McGovern von der Campaign for Real Education zeigte sich jedoch „traurig darüber, dass die akademische Integrität auf diese Weise in Verruf gebracht wird“.

„Traditionelle Formen der schriftlichen Leistungsbewertung diskriminieren aufgrund der Intelligenz, nicht aufgrund der Rasse“, betonte er.

„Studierende aus dem globalen Süden werden bevormundet, infantilisiert und herabgewürdigt, indem man sie als intellektuell minderwertig und unfähig behandelt. Wir brauchen eine Dekolonisierung des Woke-Imperiums, nicht den Abbau der Grundpfeiler der westlichen Welt“, sagte er.

Der Bericht mit dem Titel „Decolonising a business school in context: from theory to practice“ (Dekolonisierung einer Wirtschaftshochschule im Kontext: von der Theorie zur Praxis) ist Teil eines dreijährigen Projekts.

Zu den weiteren Aktivitäten gehörte der Besuch einer Kunstgalerie mit Wirtschaftsstudenten, um Interpretationen von Gemälden und Skulpturen aus der Perspektive der Rassentheorie zu hören. In dem Bericht heißt es: „Diese Arbeit mag unangenehm sein, aber sie gibt Anlass zur Hoffnung.“

Die Maßnahme in Birmingham ist Teil einer größeren Initiative zur Abschaffung von Prüfungen im Hochschulbereich, da diese als voreingenommen gegenüber bestimmten Gruppen angesehen werden.

Die Universitäten stehen auch unter Druck, die Kluft zwischen dem Anteil der erstklassigen und 2:1-Absolventen unter weißen Studenten und dem ihrer Kommilitonen mit ethnischem Minderheitenhintergrund zu schließen.“

Auch hier eine kurze Unterbrechung, da der Begriff eines 2:1-Absolventen hierzulande ungebräuchlich ist: Damit ist ein Absolvent mit guten bis sehr guten Ergebnissen gemeint. Man kann also den „Anteil der erstklassigen und 2:1-Absolventen“ als den Anteil der wirklich guten bis erstklassigen Absolventen betrachten. Noch einmal zurück zum Artikel.

„Es ist unklar, wie viele Wissenschaftler die Empfehlungen des Berichts bisher umgesetzt haben.

Ein Sprecher der Universität Birmingham verteidigte das Projekt als „Ergebnis akademisch fundierter Forschung und Diskussionen mit Wissenschaftlern innerhalb und außerhalb der Birmingham Business School“.

„Dieser Bericht von Kollegen der Business School schlägt eine Reihe von Maßnahmen vor, die den Studierenden helfen können, diese unterschiedlichen Perspektiven zu verstehen und zu erkunden.“

„Die Birmingham Business School ist eine globale Business School, die Studierende aus aller Welt ausbildet. Die Welt aus verschiedenen Perspektiven zu verstehen, ist eine wichtige Fähigkeit, die wir unseren zukünftigen Führungskräften vermitteln.“ “

So weit der Bericht der „Daily Mail“. Er spricht für sich, weshalb ich mir jeden persönlichen Kommentar erspart habe.

Für manche mag es tröstlich sein, für andere eher niederdrückend, aber man kann es nicht leugnen: Nicht nur die Deutschen sind verrückt geworden, die Briten sind es auch.

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Thomas Rießinger ist promovierter Mathematiker und war Professor für Mathematik und Informatik an der Fachhochschule Frankfurt am Main. Neben einigen Fachbüchern über Mathematik hat er auch Aufsätze zur Philosophie und Geschichte sowie ein Buch zur Unterhaltungsmathematik publiziert.

Bild: Screenshot Youtube

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