Bizarrer Garten-Streit in Dachau Gemeinderat will den Bürgern die Einfriedung ihrer Grundstücke vorschreiben

Von Kai Rebmann

Dachau liegt mit seinen knapp 50.000 Einwohnern wenige Kilometer nordwestlich vor den Toren von München. Wer durch die Straßen der Kleinstadt geht, hört hier die Vögel zwitschern und von dort weht der angenehme Geruch von Grillgut aus den Gärten. Doch die Idylle trügt in Dachau. Hinter den Kulissen, sprich im Gemeinderat, wird aktuell mit harten Bandagen um den exakten Wortlaut einer sogenannten Freiflächengestaltungssatzung gerungen. In dem Wortungetüm steckt genauso viel Bürokratie drin, wie es auf den ersten Blick den Anschein hat. Mit diesen Freiflächen sind die privaten Gärten der Bürger von Dachau gemeint, für deren Einfriedung der Gemeinderat künftig strenge Gebote und Verbote vorsieht.

David
Diejenigen, die selbst wenig haben, bitte ich ausdrücklich darum, das Wenige zu behalten. Umso mehr freut mich Unterstützung von allen, denen sie nicht weh tut!

Die SPD, die mit zwölf Abgeordneten die größte Fraktion im Gemeinderat stellt, hatte im Bauausschuss den Antrag eingebracht, dass die Gärten in Dachau nur noch mit „lebenden Hecken“ eingefriedet werden dürfen. Blickdichte und die Privatsphäre vor allzu neugierigen Nachbarn oder Passanten schützende Steinmauern sollen im Gegenzug verboten werden. Der gemeinsamen Fraktion der Freien Wähler Dachau und der Bürger für Dachau ging das noch nicht weit genug, weshalb sie in einem separaten Antrag das Verbot von sogenannten Schottergärten forderte. Diese Art der Gartengestaltung gilt als besonders pflegeleicht und ist beispielsweise für Rentner oder alleinstehende Frauen das bevorzugte Mittel der Wahl. Ziel beider Anträge sei es, die Stadt noch grüner zu machen, wie Vertreter der beteiligten Fraktionen erklärten. Ausnahmen sollen nur noch in gut begründeten Einzelfällen genehmigt werden. Beide Anträge fanden schließlich eine Mehrheit, auch wenn das Votum gegen die Schottergärten mit 8:7 denkbar knapp ausfiel.

Für die Kontrolle ist der Nachbar zuständig

Kritik an der Freiflächengestaltungssatzung kam vor allem aus den Reihen der CSU und AfD. Gertrud Schmidt-Podolsky, Sprecherin der CSU-Fraktion, hält die neuen Regelungen für überflüssig, da in der Bevölkerung diesbezüglich ohnehin schon ein Umdenken stattgefunden habe. Kai Kühnel (Bündnis für Dachau) befürchtet, dass „wir da mit Kanonen auf Spatzen schießen“. Markus Kellerer von der AfD sieht schon die „Gartenpolizei“ ausrücken, die Verstöße gegen die neue Verordnung aufspüren und zur Anzeige bringen muss. Auch Dachaus Oberbürgermeister Florian Hartmann (SPD) ist sich darüber im Klaren, dass eine Verordnung nur Sinn macht, wenn deren Einhaltung auch kontrolliert wird. Neues Personal braucht es dazu nach Ansicht des Rathauschefs aber nicht, da seine Erfahrung aus anderen Bereichen gezeigt habe, dass die Kontrolle durch den Nachbar erfolge, wie Hartmann dem Merkur gegenüber allen Ernstes zu Protokoll gab.

Die Beamten im Rathaus werden in den kommenden Wochen also damit beschäftigt sein, die Paragrafen der Freiflächengestaltungssatzung auf Punkt und Komma auszuarbeiten, und das zu einer Zeit, in der viele Dachauer Bürger wochenlang auf die Ausstellung eines neuen Reisepasses warten müssen, wie die SZ dieser Tage berichtete. Zu regeln sind unter anderem die maximal zulässige Höhe der Hecken, welche Pflanzen zur Einfriedung der Gärten und Grundstücke verwendet werden dürfen und in welchen Fällen Ausnahmen möglich sind. Die Antragsteller räumten ein, dass die Mehrheit der Dachauer auch ohne politische Vorgaben großen Wert auf viel Grün in ihren Gärten legt, aber es kann ja nicht schaden, den Bürgern in bester Oberlehrermanier „den Zeigefinger zu zeigen“, wie Volker C. Koch (SPD) den Zwang zur „lebenden Hecke“ umschrieb.

Freiflächengestaltungssatzung folgt auf Baumschutzverordnung

Beim Blick auf den Politikbetrieb im Dachauer Rathaus stellt man sich als Außenstehender die Frage, ob es dort keine dringenderen Probleme gibt als den Bürgern die Gestaltung ihrer eigenen Gärten vorzuschreiben. Die Freiflächengestaltungssatzung ist nämlich nicht das erste Bürokratiemonster, das sich der Gemeinderat ins Haus geholt hat. Vor ziemlich genau einem Jahr hat in Dachau eine Baumschutzverordnung das Licht der Welt erblickt, in der es im Wesentlichen darum ging, welche Bäume die Dachauer auf ihren privaten Grundstücken noch fällen dürfen und welche nicht. Ähnlich wie bei der aktuellen Diskussion stellte sich aber auch damals heraus, dass es sich unter dem Strich um eine Scheindebatte handelte, in der es weniger um praktische Problemstellungen ging, sondern vielmehr um politisch korrekten Aktivismus.

Die Befürworter der Baumschutzverordnung, allen voran die Fraktionen Bündnis für Dachau, SPD und Grüne, ließen bei der Argumentation kaum eine der üblichen Phrasen aus. Der Klimawandel schreite in Dachau rasant voran, sagte Michael Eisenmann (Bündnis für Dachau) und tat dabei so, als sei seine Stadt eine Insel mit eigenem Mikroklima. Mit der Verordnung wolle man nur die „Baulöwen“ treffen, behauptete Volker C. Koch (SPD) und vergaß dabei, dass die meisten Bäume in Dachau auf Anordnung der Stadt für deren Bauprojekte gefällt werden. Mit Blick darauf, dass in Dachau eine 75-Prozent-Stelle im gehobenen Dienst neu geschaffen werden musste, um die Ausarbeitung und Einhaltung der Baumschutzverordnung zu kontrollieren, verwies Peter Gampenrieder (ÜB) damals darauf, dass dies der falsche Zeitpunkt sei, da die Stadt den örtlichen Vereinen aufgrund leerer Kassen erst kurz zuvor Zuschüsse gekürzt habe.

Die Folge der Baumschutzverordnung, deren praktischer Nutzen selbst von ihren Befürwortern nicht dargelegt werden konnte, war, dass zahlreiche Privatleute noch schnell Bäume in ihren Gärten gefällt haben, ehe die Verordnung in Kraft trat. Der Gemeinderat hat also genau das Gegenteil von dem erreicht, was ihm angeblich so wichtig gewesen sein will. Viele Bäume, die ohne Baumschutzverordnung womöglich noch Jahre oder Jahrzehnte das Stadtbild begrünt hätten, wurden aufgrund einer aus rein politischen Motiven heraus geführten Debatte vorzeitig durch das Zeitliche gesegnet. Ähnliches droht nun auch bei der Freiflächengestaltungssatzung, da es sehr gut möglich ist, dass auch dieses Mal viele Dachauer kurzerhand noch eine Betonmauer hochziehen, ehe die neue Satzung in Kraft tritt und dies verbietet.

Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine. Ich schätze meine Leser als erwachsene Menschen und will ihnen unterschiedliche Blickwinkel bieten, damit sie sich selbst eine Meinung bilden können.

Kai Rebmann ist Publizist und Verleger. Er leitet einen Verlag und betreibt einen eigenen Blog.

Bild: Shutterstock
Text: kr

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