CDU-Rebellen fordern Gespräche mit der AfD – wackelt die Brandmauer? Sechs Christdemokraten aus Sachsen brechen das Tabu

In einer normalen Demokratie sollte es eine Selbstverständlichkeit sein, dass alle im Parlament vertretenen Parteien miteinander reden. Nicht so in Deutschland: Hier wurde eine Partei zur „Aussätzigen“ erklärt, ihre Mitglieder zu „Unberührbaren“. Wer auch nur fordert, dass mit ihr gesprochen wird, muss dafür schon erheblichen Mut aufbringen – und gefährdet die eigene politische Karriere. Umso erstaunlicher ist es, dass jetzt sechs CDU-Mitglieder aus Sachsen in einem offenen Brief Gespräche mit der AfD fordern; sie schreiben, die Partei brauche „Brückenbauer und keine Brandmauern“.

Eines vorweg: Wer heute gegen die Diskriminierung der AfD kämpft, kann mit Sicherheit damit rechnen, in die Schublade AfD-Unterstützer gesteckt zu werden. Vor allem bei Journalisten ist das unsäglich – denn ein Journalist, der seinen Job ernst nimmt, sollte sich hüten, eine Partei zu unterstützen. Aber er sollte sich eben auch hüten, die Verteufelung und Stigmatisierung einer Partei einfach so hinzunehmen. Leider wird diese Differenzierung heute vor lauter Schwarz-Weiß-Denken von vielen nicht mehr gemacht.

Ich werde auch weiterhin mit meiner ganzen Kraft gegen die Diskriminierung der AfD ankämpfen – obwohl ich wie bei allen anderen Parteien mit vielem bei der AfD nicht einverstanden bin und mir vieles Bauchschmerzen bereitet. Nur, während diese Probleme bei der AfD wie Aussagen einzelner Mitglieder in den Medien ständig aufgeblasen werden – werden nicht weniger problematische Aussagen von Mitgliedern anderer Parteien mit dem Mantel des Schweigens überdeckt.

 

Man denke nur an die taz-Journalistin Ulrike Hermann, die Mitglied der Grünen ist. Sie fordert eine Planwirtschaft, das Verbot des Privatbesitzes an Produktionsmitteln und ein weitgehendes Verbot von privatem Autoverkehr und Flugreisen, sowie die drastische Einschränkung von Konsum und Mobilität. Dafür wird sie von unseren rot-grünen Medien auf dem Silbertablett präsentiert. Mir ist nicht bekannt, dass ein prominentes Mitglied der AfD so offen einen Systemwechsel fordern würde.

Aber Grüne – auch wenn sie ihre Mitgliedschaft ruhen lassen wie Hermann – dürfen das. Und büßen dabei nicht mal Sympathiepunkte beim polit-medialen Komplex ein.

Aber zurück zu dem Brief der CDU-Leute. Es sind nicht nur namenlose Partei-Mitglieder. Unter den Unterzeichnern sind der ehemalige sächsische Justizminister Manfred Kolbe und der frühere Generalsekretär und Landwirtschaftsminister Frank Kupfer. „Die Verfasser des Briefes fordern eine neue Kultur des politischen Dialogs. Sie betonen, dass der politische Gegner nicht als Feind angesehen werden sollte, solange er keine Gewalt anwendet“, wie der „Focus“ aus dem Brief zitiert: „Die CDU kann als Partei der Mitte auf Dauer nicht nur mit links von ihr stehenden Parteien zusammenarbeiten, ohne ihre eigene freiheitliche und marktwirtschaftliche Identität zu verlieren.“

Die Unterzeichner plädieren dafür, dass alle demokratisch gewählten Abgeordneten, einschließlich der AfD, miteinander sprechen sollten. Was, wie gesagt, eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein sollte. Ebenso wie die Argumentation der Abtrünnigen. Sie berufen sich auf den Respekt vor dem Wählerwillen. Der mache es notwendig, auch die AfD in politische Gespräche einzubeziehen, wie es in dem Brief heißt. Mit 30 Prozent allein in Sachsen repräsentiert die AfD fast ein Drittel der Wähler.

Nur inhaltliche Auseinandersetzungen können Vorurteile und Scheinlösungen entlarven, heißt es in dem Brief laut „Focus“: Eine strikte Abgrenzung und Redeverbote würden hingegen nur die gesellschaftlichen Gräben vertiefen und die Radikalisierung verstärken. Zudem lassen sich aus Sicht der Autoren die „zentralen politischen Ziele der CDU“ nicht mit „Rot-Grün-Dunkelrot verwirklichen“. Daher appellieren sie in dem offenen Brief dafür, dass „die CDU auch mit der AfD reden“ müsse.

Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) hat einen deutlichen Links-Drall – so rief er etwa vor dem Urnengang in Brandenburg zur Wahl des SPD-Ministerpräsidenten Dietmar Woidke auf. Ein einzigartiger Vorgang – dass ein Mitglied des CDU-Vorstandes den eigenen Parteifreunden in den Rücken fällt und die Konkurrenz empfiehlt. Alles, um der AfD eins auszuwischen. Auch mit der Dreier-Koalition mit SPD und Grünen im Jahr 2019 setzte Kretschmer ein deutliches Zeichen. Nun will er in diesem Stil weitermachen – und mit der SPD und dem „Bündnis Sahra Wagenknecht“ weiter regieren. Alles ganz brav im Sinne der „Brandmauer“.

Ungebrochener Linksruck

Diese „Brandmauer“ ist ein beispielloser Akt der Selbstkastration der bürgerlichen Kräfte in Deutschland. Von der SPD erfunden und von Angela Merkel kultiviert, ist sie ein Instrument, um abzusichern, dass trotz einer bürgerlichen, nicht rot-grünen Wählermehrheit immer mindestens eine rot-grüne Partei mit an der Regierung ist und wirkliche bürgerliche Politik verhindert werden kann. Dies führt zu einem ungebrochenen Linksruck in der deutschen Politik, der lange vor der Gründung der AfD begann.

Man kann es nicht oft genug wiederholen, weil es allzu oft vergessen wird: Ohne die AfD und insbesondere die Brandmauer hätten wir eine bürgerliche Regierung. Man mag diesen Fakt mögen oder nicht – er ist unbestreitbar. Und die große Krux der deutschen Parteienlandschaft. Solange sich die Union nicht aus ihrer Selbstkastration befreit, wie es jetzt die sechs sächsischen Christdemokraten fordern, solange wird jede Stimme für sie bei den Wahlen faktisch eine Stimme für rot-grüne Politik sein. Und auch jede Stimme für die AfD wird solange den Einfluss von Rot-Grün stärken.

Hätte man demokratische Grundregeln in Deutschland auf den Kopf stellen wollen – man hätte es nicht besser machen können als Angela Merkel mit ihrem Mantra von der Brandmauer. Und ihrer Politik und Taktik, welche die AfD erst groß machte.

Diejenigen in der AfD, die regelmäßig für Skandale sorgen und damit für das Futter der Propaganda-Maschine, sind dabei vielleicht das, was Lenin einst als „nützliche Idioten“ bezeichnet hat. Ohne sie würde das Perpetuum mobile für rot-grüne Politik, das Merkel konstruiert hat, schnell in sich zusammen brechen. Rot-Grün und die Provokateure in der AfD sind aufeinander angewiesen wie zwei Schachspieler, die sich abgrundtief hassen, aber ohne den anderen kein Spiel und damit auch keine große Bühne hätten.

Das Paradoxe bleibt: Die AfD und ihre Gegner verstärken sich gegenseitig in ihrer Existenz. Je mehr der rot-grüne polit-mediale Komplex die AfD verteufelt und jeden Diskurs mit ihr ablehnt, umso mehr stärkt er die Partei – und damit eben auch die eigene Machtbasis gegenüber FDP und Union. Umgekehrt haben die verbalen Randalierer in der AfD die eigene Partei in Geiselhaft genommen.

Nationalistisch und rechtsextrem?

Sahra Wagenknecht konfrontierte gestern in einem TV-Duell bei der „Welt“ Alice Weidel geradezu genüsslich mit einem von ihr mitunterzeichneten Brief zu einem Parteiausschluss-Verfahren gegen Björn Höcke 2017. Darin wurde Thüringer Landeschef als nationalistisch und rechtsextrem bezeichnet. Es hieß in dem Brief unter anderem, Höckes Positionen würden die Partei in ein rechtsextremes Licht rücken und könnten ihr langfristig schaden. Weidel fand keine Antwort auf diesen Vorhalt Wagenknechts. Sie schwieg sich einfach davon. Wagenknecht spürte diese Schwäche und bohrte mit Unterstützung des Moderators immer genüsslicher und immer tiefer nach. Das Lächeln von Weidel wurde immer gequälter, ihr Schweigen immer lauter.

Die Szene war geradezu symbolisch für die verquere Situation. Solange die AfD in solchen Situationen Antworten schuldig bleibt und sich wegduckt, liefert sie dem Propaganda-Apparat Steilvorlagen dafür, sie zu verteufeln. Im vorliegenden Fall musste das gar nicht mehr aktiv geschehen – die Talk-Szenen sprachen für sich.

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