Comeback mit 82 – Joe Biden kann einfach nicht loslassen Die schlechte Nachricht: Biden will zurück in die Politik. Aber es gibt auch eine gute Nachricht...

Normale Menschen träumen jahrzehntelang vom verdienten Ruhestand, davon, endlich einmal keine Verantwortung mehr tragen zu müssen und nicht jeden Morgen auf Kommando zu funktionieren. Sie stellen sich vor, wie sie ausschlafen, ausgedehnt frühstücken und in Ruhe Zeitung lesen. Viele Arbeitnehmer fiebern geradezu auf die Rente hin – als Belohnung für ein arbeitsreiches Leben. Nicht so Spitzenpolitiker (und manche Journalisten). Für sie scheint der Ruhestand eher ein Albtraum zu sein, eine Horrorvorstellung: Eines Tages aufzuwachen und niemand fragt mehr nach ihrer Meinung. Keine Kameras, kein Publikum, keine Bedeutung. Schlimmer geht es kaum.

An genau dieses politische Rätsel musste ich denken, als jetzt die neueste Nachricht von Joe Biden eintraf: Mit unglaublichen 82 Jahren plant der Ex-Präsident tatsächlich ein politisches Comeback. Die schlechte Nachricht ist: Er will zurück auf die politische Bühne – und zwar will er massiven Wahlkampf machen in Sachen Senat. Die gute Nachricht aber ist, dass er wenigstens nicht selbst in den Senat will – wo er bereits fast vier Jahrzehnte verbracht hat. Und die noch bessere Nachricht: Er will auch nicht mehr zurück ins Weiße Haus, denn dann wäre er am Ende einer erneuten Amtszeit bereits stolze 90 Jahre alt.

Was treibt jemanden wie Joe Biden, der doch eigentlich längst alles erreicht und längst alles erlebt hat, dazu, unbedingt wieder in die Politik zurückkehren zu wollen? Eine naheliegende Erklärung liegt in einer Persönlichkeitsstruktur, die viele Spitzenpolitiker teilen: Narzissmus.

Macht ist nicht nur ein Privileg – sie wirkt auf viele wie eine Droge. Aufmerksamkeit, Anerkennung und öffentlicher Applaus werden für Politiker schnell zur Sucht. Einmal erlebt, erscheint ein Leben ohne sie plötzlich wie eine schreckliche Leere, wie ein existenzieller Verlust. Gerade in ruhigen, friedlichen Zeiten, in denen es nicht mehr primär um Krisenbewältigung geht, zieht die Politik vor allem Narzissten an – Menschen, die sich selbst überschätzen, ihre Wichtigkeit maßlos überbewerten und der festen Überzeugung sind, dass ohne sie die Welt zusammenbräche. Natürlich sind nicht alle Politiker Narzissten, aber die Anziehungskraft der Politik für narzisstische Persönlichkeiten ist geradezu legendär.

Und so erlebt man immer wieder Politiker, die weit über ihren Zenit hinaus verbissen an der Macht festhalten – oder immer wieder aufs Neue zurückkehren. Biden ist nur das jüngste Beispiel für ein Phänomen, das uns weltweit begegnet: Donald Trump, der sich trotz massiven Gegenwinds und fortgeschrittenen Alters immer wieder auf der politischen Bühne präsentiert. Nancy Pelosi, die mit 84 Jahren noch einmal ins Repräsentantenhaus gewählt werden will. Selbst der ehemalige deutsche Kanzler Gerhard Schröder und der frühere Bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber konnten es nicht lassen, über lange Jahre am politischen Spielfeldrand zu stehen und mitzumischen.

Diese Menschen wirken manchmal, als wären sie süchtig nach dem Scheinwerferlicht, nach dem politischen Rausch, nach Bedeutung und Anerkennung. Doch hinter dieser politischen Droge steckt oft auch ein tieferes Problem: die Angst vor dem Absturz in die Bedeutungslosigkeit. Es ist nicht nur Eitelkeit, sondern wohl auch Verzweiflung, die Politiker wie Biden antreibt. Das tiefe Gefühl, noch einmal gebraucht zu werden, noch einmal in die Rolle zurückkehren zu wollen, die ihnen jahrelang Identität und Sinn gegeben hat.

Gerade in den USA gibt es zahlreiche Politiker, die selbst im hohen Alter nicht loslassen können. Strom Thurmond saß noch mit 100 Jahren im US-Senat, Dianne Feinstein kämpfte sich bis kurz vor ihrem Tod mit 90 Jahren durch Sitzungen. Man fragt sich oft: Ist es bewundernswerte Leidenschaft für das Amt – oder tragischer Realitätsverlust?

In Wirklichkeit hat Biden, wie viele seiner Altersgenossen, den richtigen Moment längst verpasst, um würdevoll abzutreten. Sein verzweifelter Versuch eines Comebacks wirkt eher traurig als inspirierend. Andere in seinem Alter würden längst lieber auf Reisen gehen, Bücher lesen oder auch schreiben, sich sozial engagieren oder ein Ehrenamt übernehmen. Spitzenpolitiker aber erleben genau das oft als existenzielle Bedrohung. Sie fürchten nichts mehr als die Erkenntnis, dass sich die Welt auch ohne sie weiterdreht.

Das macht ihr Comeback zwar nicht weniger verständlich, aber dennoch fragwürdig – denn die Politik braucht keine Politiker, die nicht loslassen können, sondern Menschen, die wissen, wann es Zeit ist, zu gehen.

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