Corona-Maßnahmen: Wer testet die Tests? Manische Testeritis

Von Christian Euler

„Testen, testen, testen“, lautet das Credo der Regierung im Kampf gegen die Corona-Pandemie. Die Teilnahme am öffentlichen Leben wird ohne Test zunehmend schwieriger. Entgegen der ursprünglichen Ankündigung von CDU-Wirtschaftsminister Peter Altmaier wird ab der kommenden Woche auch die Testpflicht für Betriebe als Zwang von der Bundesregierung durchgesetzt – ohne finanzielle Entschädigung der Unternehmen. Berlin rechnet mit 130 Euro pro Mitarbeiter bis Ende Juni – viel Geld für Betriebe, die seit Monaten zwangsweise schließen mussten.

Angesichts dieser manischen Testeritis, wie man dieses Syndrom im Fachjargon der Mediziner bezeichnen könnte, drängt sich die Frage auf: Wie aussagekräftig sind diese Tests – und: Wer testet überhaupt die Tests? Der Abgeordnete Marcel Luthe (früher FDP, heute Freie Wähler) wollte von der Berliner Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung im Rahmen einer schriftlichen Anfrage wissen: „Wie viele verschiedene der aktuell 951 unterschiedlichen grundsätzlich am deutschen Markt verfügbaren ‚Tests zum neuartigen Coronavirus‘ werden bei den ‚Corona‘-Tests, auf deren Ergebnisse der Senat seine Verordnungen im Wesentlichen stützt (‚Inzidenz‘, ‚Ampel‘ etc.), verwendet?“

„Mathematisches Niveau eines Taschenspielers“

Laut Antwort werden „ausschließlich positive PCR-Testergebnisse der meldenden Labore verwendet.“ Aufhorchen lässt dieser Teil der Antwort: „Welche qualitätsgesicherten PCR-Testsysteme die Labore jeweils einsetzen, wird nicht gesondert erfasst.“ Auf die Frage, um welche Tests welches Herstellers es sich jeweils handelt, seit wann sie verwendet werden und welche Sensitivität bzw. Spezifität sie aufweisen, schreibt die Berliner Senatsverwaltung vielsagend: „PCR-Tests verschiedener Hersteller stellen seit Beginn der Pandemie den international anerkannten Goldstandard dar.“

Für den Freie-Wähler-Politiker Luthe bedeutet dies: „Der Senat arbeitet auf dem mathematisch-statistischen Niveau eines Taschenspielers, wenn er einerseits von ‚Goldstandard‘ – angesichts der seit Jahrzehnten fehlenden Golddeckung von Bargeld eine besondere Posse – spricht und andererseits nicht weiß, welche der aktuell 951 unterschiedlichen Corona-Tests am deutschen Markt in welchem Labor verwendet werden.“

Grundsätzlich könne jeder seinen ganz individuellen Corona-Test zusammenbasteln, da Labortests in Deutschland keiner Zulassung bedürften, sondern nur die ‚Inverkehrbringung‘ mitgeteilt werden müsse. „Allein das zeigt die Absurdität des Testwahns vieler Kollegen“, so Luthe, „hinzukommt, dass die Labore natürlich für jeden Test gleich bezahlt werden. Als Wirtschaftsunternehmen sind diese gewinnorientiert, werden also sicher nicht den teuersten Test kaufen.“ Der billigste wäre ein Münzwurf – und auch dieser „Corona-Test“ müsste nur angezeigt werden. „Das ist absurd, entspricht aber der aktuellen Rechtslage.“

Antigen-Schnelltests in Schulen: Keine sinnvolle Vorgehensweise

Und wer testet nun die Tests? „Niemand, das zeigt ja den Irrsinn“, meint Luthe, „die Klagen gegen Testpflichten in Schulen kann man sich damit auch schenken und einfach seinen eigenen Test machen, zum Beispiel Kaffeesatzlesen.“

Dazu passt eine aktuelle Stellungnahme des Elektrotechnik-Professors Werner Bergholz. Danach führt die geringere Spezifität und Sensitivität von Antigen-Schnelltests beim Testen von asymptomatischen Personen zu überwiegend falsch positiven Ergebnissen und zu mindestens 20 % „übersehenen“ Infektionen.

„Selbst für die zwei besten Tests“, so Bergholz, „hat die Cochrane-Arbeitsgemeinschaft in einem Review-Artikel festgestellt, dass Antigen-Schnelltests für Settings mit symptomlosen Personen, wie in einer Schule, unzuverlässige Ergebnisse ergeben.“ Sein Fazit: Der geplante Einsatz von Antigen-Schnelltests in Schulen ist aus messtechnischen Gründen keine sinnvolle Vorgehensweise, da die Ergebnisse nicht aussagekräftig sind.

Dies verwundert kaum, wenn man sich vor Augen führt, dass spezielle Dienstleister die Hersteller dabei unterstützen, die Sonderzulassung des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte zur Eigenanwendung für Schnelltests zu erhalten. Die Darmstädter Custom Medical etwa präsentiert sich als „Ihr Partner für die Sonderzulassung von Covid-19-Schnelltests.“ Zugesichert wird neben einer „einfachen Gebrauchstauglichkeitsstudie nach IEC 62366“ auch ein schnelles Konformitätsbewertungsverfahren.

Diejenigen, die selbst wenig haben, bitte ich ausdrücklich darum, das Wenige zu behalten. Umso mehr freut mich Unterstützung von allen, denen sie nicht weh tut!
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Dipl.-Volkswirt Christian Euler widmet sich seit 1998 intensiv dem Finanz- und Wirtschaftsjournalismus. Nach Stationen bei Börse Online in München und als Korrespondent beim „Focus“ in Frankfurt schreibt er seit 2006 als Investment Writer und freier Autor u.a. für die „Welt“-Gruppe, Cash und den Wiener Börsen-Kurier.
Bild: Shutterstock
Text: ce

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