Ein Gastbeitrag von Patrick Reitler
Dass das ZDF kein gutes Haar an „Querdenkern“, „Corona-Leugnern“ oder „Covidioten“ lässt, ist weder neu noch überraschend. Erinnern Sie sich beispielsweise noch an den Auftritt von Sarah Bossetti, in dem die Kabarettistin Ungeimpfte im Herbst 2021 als Blinddarm bezeichnete, auf den die Gesellschaft getrost verzichten könne? Weitere Perlen dieser Art gibt’s zuhauf auf Dokumentationsseiten wie „ich-habe-mitgemacht.de“. Oder einfach mal „ZDF Kommentar Impfgegner“ googeln.
Neuerdings verpackt der Sender vom Mainzer Lerchenberg seine politisch korrekte Häme auch in der hauseigenen Krimiserie „Sarah Korr“: In „Irrlichter“, dem achten und neuesten Teil der Reihe, bekommt es die Titelheldin, verkörpert von Lisa Maria Potthoff, im post-pandemischen Hamburg mit einer brutalen Viererbande zu tun, die für die Corona-Wahrheit über Leichen geht.
Der durchaus komplexe Plot des Action-Krimis, bei dem es um die Tücken verdeckter Polizei-Ermittlungen geht, sei an dieser Stelle nicht näher ausgewalzt. Denn den weit größeren Unterhaltungswert erzielt „Irrlichter“ durch seine holzschnittartige Darstellung der Bösewichter und ihrer Gewalttaten.
Als „Mastermind“ des Querdenker-Quartetts fungiert ein verbitterter Ingenieur (Matthias Matschke), der wegen seiner unerträglichen „Verschwörungstheorien“ Beruf und Familie verloren hat – und nun als geschiedener Arbeitsloser im verwaisten Haus auf Rache sinnt: Am „Tag X“ soll dank seiner Unermüdlichkeit die ganze Wahrheit über die „Corona-Lüge“ ans Tageslicht kommen. An den Pranger gehört für ihn zuallererst das Unternehmer-Ehepaar Kippmann, das mit seinen Impfstoffen und Medikamenten gegen das Corona-Virus einst zu „Hamburgs Helden der Pandemiebekämpfung“ aufgestiegen war. Bis zur endgültigen Entlarvung der Kippmanns vertreibt sich der Bandenchef seine Zeit mit dem Verfassen von Artikeln für seinen Internet-Blog, mit Bombenbauen und Pläneschmieden.
Zwei Gorillas fürs Grobe gehören ebenfalls zum Verschwörungstheoretiker-Quartett. Sie erscheinen in Gestalt eines gewaltbereiten Brüderpaars (Lasse Myhr und Kjell Brutscheidt), das seine betagten Eltern und damit die Existenz als Gastronomenfamilie während der Corona-Krise verloren hatte. Als vierte und letzte Kraft der Bande gibt es noch eine etwas einfältige Ex-Kellnerin (Lilli Fichtner), die im Familienbetrieb der Brüder einst ihr Auskommen gefunden – und wieder verloren hatte. Ein unsympathisches Panoptikum gescheiterter Figuren also. Ja, so sind die bösen Querdenker halt, wenn man der Fantasie von Drehbuchautor Timo Berndt Glauben schenken mag.
Gehüllt in schwarze Klamotten, das Gesicht hinter Gruselmasken verschanzt und mit Baseballschlägern bewaffnet, kloppen die beiden Ex-Restaurantbetreiber den Luxuswagen der verhassten Kippmanns gleich zu Filmbeginn werkstattreif. Auch kurz darauf im Omnibus wird nicht lange gefackelt und prompt aufs Maul gehauen, wenn ein Fahrgast nicht das Narrativ von der großen Weltverschwörung teilt. Ja, so machen’s die bösen Querdenker halt.
Die wichtige Aufgabe, dem Fernsehpublikum deutlich zu vermitteln, was man von gefährlichen Regierungskritikern zu halten hat, fällt der Staatsschutz-Beamtin Mona Lessing (Wanda Perdelwitz) zu: „Die Leugnung der Pandemie ist durchaus auch extremistisch und gefährlich“, stellt die Verfassungsschützerin schon in den ersten Minuten klar. Eine Verharmlosung als „Schwurbler“ sei keinesfalls angebracht, muss Staatsanwalt Anton Mehringer (Herbert Knaup) sich von ihr belehren lassen. Und Pandemie-Held Kippmann weiß, dass es sich um „unaufgeklärte, von Angstpsychosen beeinflusste Individuen“ handeln muss. Klingt irgendwie, als redete da ein Experte im ZDF heute journal. Aber so muss man sie halt sehen, die bösen Querdenker.
Die aufbrausenden Worte der Gorilla-Brüder bestätigen das mainstream-taugliche Klischee: „Deine ewig langen Pamphlete – die bringen’s nicht!“, schnauzt der ältere der beiden Brüder seinen bloggenden Bandenchef an, „wir müssen Knüppel schwingen, ’n paar Leuten auf die Fresse geben! Das bringt was!“ Ja, so sprechen sie halt, die bösen Querdenker.
Erstaunlich auch die Infrastruktur, auf die die Viererbande bei ihrem Kampf für die einzig wahre Wahrheit zurückgreifen kann: Im Keller des gutbürgerlichen Mastermind-Wohnhauses wird an Zeitzünder-Bomben gebastelt, im Wald dient eine Blockhütte als Zufluchtsort und Waffenlager, und irgendwo an den Hamburger Bahngleisen haben die fanatischen Vier noch eine leerstehende Baracke in petto, wenn sonst kein Versteck mehr sicher ist. Der geräumige, aber ziemlich ungepflegte Flucht-Van steht selbstverständlich auch jederzeit bereit. Ja, ja, so gewieft sind sie halt, die bösen Querdenker.
Falls Sie nun noch Lust verspüren sollten, sich das Ganze selbst anzusehen: „Irrlichter“ gibt’s noch bis zum 19. Dezember 2023 in der ZDF-Mediathek.
Gastbeiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine. Ich schätze meine Leser als erwachsene Menschen und will ihnen unterschiedliche Blickwinkel bieten, damit sie sich selbst eine Meinung bilden können.
Patrick „Rick“ Reitler, geboren am Rande der Republik in den späten Sechziger Jahren, gelernter Bankkaufmann, Studium der Literaturwissenschaft, Sozialpsychologie und Informationswissenschaft. Auto-Fan, Fußball-Fan, Film-Fan und Hobbykoch. Über 20 Jahre im Dienst des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, seit Dezember 2022 freier Journalist.
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