Es ist surreal: Fußball-Weltmeister Thomas Berthold gab mir am Rande der Querdenken-Demonstration am Samstag in Stuttgart ein Interview. Titel: „‘Die Panikmache in den Medien ist verpufft‘: Fußball-Weltmeister Berthold über seinen Corona-Protest“. Knapp 12 Minuten, in denen der Fußballer seine Einstellung zur Corona-Politik darlegt. Über die mag man streiten – aber sie auszudrücken sollte in einer Demokratie die selbstverständlichste Sache der Welt sein. Nachdem mein Hauptkanal am Samstag wegen eines Livestreams von der Demo zensiert und gesperrt wurde, strahlte ich das Video auf meinem Ersatzkanal aus. Noch während der Premiere, also bevor das Video zu Ende ausgestrahlt wurde, löschte es Youtube, kurz vor Mitternacht in der Nacht auf Sonntag. Das ist nur noch gespenstisch. Und es ist eine offene Verachtung der Pressefreiheit: In Interviews macht sich der Interviewende die Meinung des Interviewten nicht zu eigen. Insbesondere wenn er kritisch nachfragt, wie ich bei Berthold.
Unten finden Sie das Interview (oder in höherer Auflösung hier)– und können sich so selbst ein Bild machen, wie es um die Meinungsfreiheit hierzulande noch bestellt ist. Hier muss noch dazu gesagt werden, dass Youtube kein „Hausrecht“ hat, wie viele meinen, sondern als Monopolist laut deutscher Rechtssprechung an die Grundrechte gebunden ist – also auch an das Grundrecht auf Meinungsfreiheit.
PS: Bitte abonnieren Sie nichtsdestotrotz auch meinen Ersatzkanal auf Youtube, damit meine neuen Videos Sie erreichen.
[videopress xWo2QHYR]Hier noch ein Auszug aus meinem aktuellen Wochenbriefing – Sie können es hier kostenlos und jederzeit widerrufbar abonnieren.
Gott sei Dank machte ich diese schlimmen Erfahrungen in Russland, einem Land, wo die Menschen unglaubliche Ironie und Galgenhumor besitzen, mit dem sie das Schlimmste überstehen. Ich glaube, sie haben mir das dort beigebracht und es hilft mir auch heute, selbst in schwierigsten Situationen – und gerade in diesen – nicht den Humor zu verlieren und lachen zu können. Aber anders als Menschen, die so etwas nicht erlebt haben, blicke ich doch etwas anders auf das aktuelle Geschehen. Wer einmal den totalen Zusammenbruch eines Staates miterlebt hat, einen völligen Vertrauensverlust in ein politisches System, der verliert damit auch das Urvertrauen, dass diese immer und unter allen Umständen funktionieren werden. Und genau dieses Urvertrauen haben in Deutschland noch sehr viele Menschen.
Nein, ich bin keine Kassandra, und ich kann, Gott sei Dank, nicht voraussehen, ob es auch in Deutschland so kommen wird. Was ich Ihnen aber sagen kann, ist, dass es keine Gewissheit gibt, dass wir vor solchen Katastrophen gefeit sind. Anders als die meisten glauben, sind sie möglich. Und gerade die naive Überzeugung, sie könnten gar nicht geschehen, macht sie wahrscheinlicher. Ich halte es für überaus wahrscheinlich, dass wir in den nächsten Jahren Entwicklungen erleben werden, die wir bisher für völlig unmöglich gehalten hätten. Massive finanzielle Verwerfungen scheinen, wenn man sich die aktuelle Euro-Politik anschaut, eigentlich kaum verhinderbar. Der massive Vertrauensverlust in die Politik und die extreme Spaltung der Gesellschaft können nicht folgenlos bleiben. Doch Politik und Medien glauben sich immer noch auf einem unsinkbaren Schiff. Das sehr schnell zur Titanic werden kann.
Dabei müssen wir uns bewusst werden, wie zerbrechlich, wie leicht zerstörbar die Errungenschaften sind, die uns in den letzten Jahrzehnten das Leben so bequem gemacht haben: Wohlstand, Freiheit, Demokratie. Sie sind im eben kein Naturgesetz in der Geschichte der Menschheit: sie sind die absolute Ausnahme. Nur wer sie zu schätzen weiß, wird sie bewahren können. Muss man sie wirklich verlieren oder einmal unter ihrem Fehlen gelitten haben, um sie schätzen zu lernen? Ich glaube, das ist die eigentliche, die große existenzielle Frage unserer Zeit. Die sich daran anschließende ist: Wie weitgehend muss der Verlust sein, bevor man zur Besinnung kommt?
Bild: ShutterstockText: br