Das unaufhaltsame Begräbnis der eingeimpften Herdenimmunität Untersuchung: „Unzureichende Impfstoffwirksamkeit gegen Infektionen trotz hoher Impfquote“

Ein Gastbeitrag von Aaron Clark

Wie es der Arzt für Kinderheilkunde und Jugendmedizin Dr. Steffen Rabe auf seinem Blog „Coronoia“ treffend beschreibt, wird es auf dem Sargdeckel der Herdenimmunität nun langsam eng für neue Nägel. Den Anfang machten Ende Juni Daten aus Israel: Von dort wurde berichtet, dass trotz einer Impfquote von gut 55 Prozent vollständig Geimpfter die Infektionszahlen von SARS-CoV-2 wieder zunehmen – wobei rund 90 Prozent der sequenzierten Infektionen die Delta-Variante aufwiesen und rund die Hälfte der Infizierten geimpft war.

Zur Erklärung: Ich verwende die Begriffe „infiziert“ und „geimpft“ hier der Einfachheit und Lesbarkeit wegen – und weil es für die zentrale Aussage dieses Textes keine Rolle spielt, ob ein durch einen PCR-Test nachgewiesenes Vorhandensein von Virus-RNA auf einen Kontakt vor fünf Tagen oder fünf Monaten hinweist.

Erste und letzte Hinweise aus Israel

Die israelische Regierung führte Ende Juni wieder eine Maskenpflicht in Innenräumen ein, nicht jedoch ohne den Corona-Beauftragten Nachman Asch in einem Interview auch prompt die hierfür verantwortlichen Sündenböcke feststellen zu lassen: Infiziert aus dem Ausland zurückgekehrte Quarantänebrecher wären „das Problem von uns allen – auf diese Weise breitet sich die Krankheit im Moment aus.“ (Anmerkung des Autors: Zu dieser Zeit konnte von einem erhöhten „Krankheitsaufkommen“ in Israel noch keine Rede sein, hier lohnt sich eine differenzierte Wortwahl schon eher.) Eine Studie von Anfang Juli weist dann allerdings eine gesunkene Impfstoffwirksamkeit angesichts der Delta-Variante nach: Laut Angaben des israelischen Gesundheitsministeriums sank die Verhinderung einer Infektion durch den Impfstoff auf 64 Prozent – aktuell spricht man dort sogar nur noch von 39 Prozent Impfstoffwirksamkeit gegen Infektionen. Dr. Kobi Haviv, Leiter des Herzog-Krankenhauses in Jerusalem, sagte dem israelischen Sender 13news in einem Fernsehinterview unlängst, dass man auch im klinischen Bereich eine abnehmende Impfstoffwirksamkeit feststellen kann.

England, Fußball & Corona

Es folgten ähnliche Berichte aus dem Vereinigten Königreich: Der dort vor allem mit massenhaften Zusammenkünften während der Fußball-Europameisterschaft in Zusammenhang gebrachte Anstieg der Infektionszahlen – übrigens begleitet von einem kontinuierlichen Anstieg der durchgeführten Tests bis zum Beginn der zweiten Juliwoche – bezog sich bei einer ähnlich hohen Delta-Verbreitung und Impfquote wie in Israel in erheblichem Maße auf die einfach oder doppelt geimpfte Bevölkerung. Auf der Webseite der ZOE COVID Symptom Study App, mit der über viereinhalb Millionen Benutzer in England ihre Corona-Daten zur Analyse bereitstellen, findet sich in der Pressemitteilung vom 15. Juli 2021 folgende Vorhersage: „Da die Zahl der Fälle in der Gruppe der Geimpften weiter ansteigt, wird die Zahl der neuen Fälle in der geimpften Bevölkerung in den kommenden Tagen die der Ungeimpften überholen.“ Die Erklärung von Tim Spector, Professor für genetische Epidemiologie am King’s College London und leitender Wissenschaftler der ZOE COVID App, „dass uns die ungeimpften empfänglichen Personen ausgehen, die wir anstecken können, da immer mehr Menschen geimpft werden“, ist mathematisch natürlich folgerichtig – und trotzdem nicht die ganze Wahrheit.

Denn abgesehen von einer zur gleichen Zeit im Fachmagazin Lancet veröffentlichten Studie über rasch abklingende Antikörper-Spiegel nach der zweiten Dosis von Comirnaty und Vaxzevria bestätigt der mit mittlerweile 100 Milliarden Dollar bewertete Impfstoffhersteller BioNTech/Pfizer in einem Artikel im British Medical Journal Ende Juli höchstselbst die gesunkene Effektivität seines Impfstoffs – clevererweise betont man in einem Atemzug damit die Notwendigkeit einer (dritten) Auffrischimpfung und erhöht einen Tag später die Verkaufspreise für Europa. So geht Impfstoff-Marketing!

Keine Herdenimmunität mit diesen Impfstoffen

Eine Woche nach dem Lancet-Artikel stellt der in Ungnade gefallene Virologe Hendrik Streeck dann die Erreichbarkeit der vielbeschworenen Herdenimmunität in einem Interview für die „Welt“ klar infrage: „Mit diesen Impfstoffen werden wir keine Herdenimmunität erreichen. Bei immer mehr Menschen, die geimpft sind, können wir im Rachen das Virus nachweisen.“ Auch der Virologe und Epidemiologe Klaus Stöhr, der zehn Jahre lang für Novartis-Impfstoffe entwickelte, betont: „Herdenimmunität ist nur von Bedeutung, wenn eine Erkrankung eliminiert werden soll. Das kann bei SARS-CoV-2 jedoch nicht gelingen.“

(Trans)Mission: Barnstable County

Wie recht er damit behalten sollte, wurde am 30. Juli durch eine hier auch bereits besprochene Veröffentlichung der amerikanischen CDC bekräftigt: Knapp drei Viertel der fast 500 COVID-19-Fälle, die nach mehreren großen öffentlichen Veranstaltungen in einem Ort im Barnstable County, Massachusetts, aufgetreten waren, entfielen auf vollständig geimpfte Personen. Auch hier war Delta vorherrschend und die Ct-Werte der PCR-Tests legen nahe, dass die Viruslast von geimpften Personen mit denen von nicht oder nicht vollständig geimpften Personen vergleichbar war. Möglicherweise empfahl die CDC deswegen bereits am 27. Juli, dass alle Personen, einschließlich der vollständig Geimpften, in öffentlichen Gebäuden in Gebieten mit hohen Inzidenzen wieder Masken tragen sollten.

Explizit unzureichende Impfstoffwirksamkeit

Nun haben englische Forscher Anfang dieser Woche sehr klare Worte für diese Entwicklung gefunden: Dort wurden im Rahmen der REACT-Studien (REal-time Assessment of Community Transmission), bei denen zum besseren Verständnis des Infektionsgeschehens Heimtests eingesetzt werden, zwischen dem 24. Juni und dem 12. Juli die Daten von fast 100.000 Personen ausgewertet. Die zentralen Ergebnisse besagen zwar einerseits, dass die Infektionsrate bei vollständig geimpften Personen dreimal niedriger war als bei ungeimpften Personen – andererseits traten jedoch 44 Prozent der Infektionen bei vollständig geimpften Personen auf, was nach Aussage der Forscher (Zitat!) „die unzureichende Impfstoffwirksamkeit gegen Infektionen trotz hoher Impfquoten widerspiegelt“. Anhand des Impfstatus schätzen die Forscher die Wirksamkeit des Impfschutzes gegen Infektionen nun auf 49 Prozent – berücksichtigt man nur Personen mit einer hohen Viruslast, sind es 59 Prozent. Ebenso hoch wird der Impfschutz gegen symptomatische Erkrankung geschätzt.

Fazit

In der Summe legen diese Untersuchungen nahe, dass die Wirksamkeit der am Markt befindlichen Impfstoffe insbesondere angesichts der Delta-Variante des Coronavirus zwar ausreicht, um eine Verbreitung in der Bevölkerung zu verlangsamen, aber keinesfalls im Sinne einer Herdenimmunität zum Stillstand zu bringen. Diese Erkenntnis schwächt gleichzeitig das Argument der höheren Sicherheit einer vollständigen Impfung gegenüber einem Schnelltest: Das unbeschwerte Bewegen aufgrund eines vermeintlichen Infektionsschutzes kann mitunter zu kleinen Superspreader-Events ausarten, wie unlängst in Hamburg geschehen.

Gleichzeitig scheinen neue Virusvarianten den aktuellen Impfstoffen immer besser „entkommen“ zu können, was diese Woche auch über die aus Südamerika stammende neue Lambda-Variante berichtet wurde. Der Biochemiker und Wissenschaftsjournalist Volkart Wildermuth sieht sogar einen Zusammenhang zwischen hohen Impfquoten und sogenannten „Escape-Varianten“. Demgegenüber steht das minimale Risiko einer natürlichen Infektion für weite Teile der Bevölkerung und die darauffolgende breitere und länger andauernde Immunantwort, als nach einer Impfung – welche überdies in unverantwortlichem Ausmaß schwerwiegende Nebenwirkungen hervorruft, die auch Pathologen hellhörig werden lassen.

Und obwohl mittlerweile sogar das RKI – möglicherweise auf eine lautstarke Kritik des Vorstandsvorsitzenden der KBV Andreas Gassen hin – verstanden zu haben scheint, dass „die Vorstellung des Erreichens einer ,Herdenimmunität‘ im Sinne einer Elimination oder sogar Eradikation des Virus nicht realistisch ist“, wird in unserer Politik auf allerhöchster Ebene weiterhin die systematische Benachteiligung von Ungeimpften durchgespielt – zum Beispiel über eine „3G- zu 2G-Regel“ bei hohen Inzidenzen, kostenpflichtige Tests oder höhere Krankenkassenbeiträge. Offensichtlich führt die besonders in Wahlkampfzeiten erforderliche Demonstration von Handlungsfähigkeit hier zu einem vollends übersteigerten Impfwahn ohne jede Rücksicht auf Verluste und ohne sachlich-nüchterne Abwägung von Nutzen und Risiko.

Würden wir, wie neulich von Sven Lemkemeyer im Tagesspiegel skizziert, dem gelassenen Beispiel unserer dänischen Nachbarn im Umgang mit der Pandemie wirklich Folge leisten wollen – wir könnten bei der derzeitigen Impfquote sofort alle Restriktionen fallen lassen. Da diese Regierung aber offensichtlich mehr Interesse daran hat, alles zu impfen, was nicht bei drei auf dem Baum ist, steht uns wahrscheinlich noch ein langer Weg zurück ins alte Leben bevor – es sei denn, wir nehmen uns endlich, was uns zusteht. An der triefenden Nase herumgeführt wurden wir nun wahrlich lange genug.

Diejenigen, die selbst wenig haben, bitte ich ausdrücklich darum, das Wenige zu behalten. Umso mehr freut mich Unterstützung von allen, denen sie nicht weh tut!

Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine. Ich schätze meine Leser als erwachsene Menschen und will ihnen unterschiedliche Blickwinkel bieten, damit sie sich selbst eine Meinung bilden können.

Aaron Clark lebt in Berlin, schreibt unter Pseudonym und ist seit 2020 begeisterter Leser von reitschuster.de. (Das ist kein Eigenlob, genau diese Worte hat er mir als Autorenzeile übermittelt).
Bild: umarazak/Shutterstock
Text: Gast

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