Deutscher Sozialstaat ist wichtigster „Pull-Faktor“ – sagen Ukraine-Flüchtlinge Umfragestudie aus Polen

Von Kai Rebmann

Erst vor wenigen Tagen hat SPD-Chefin Saskia Esken ihr windmühlenartig vorgetragenes Mantra ein weiteres Mal wiederholt und den deutschen Sozialstaat als nur „vermeintlichen Pull-Faktor“ bezeichnet. Die meisten Flüchtlinge, die sie kenne, „würden sehr gerne arbeiten und auf eigenen Beinen stehen“, behauptete sie im Interview mit „t-online“.

Nun ist zwar nicht bekannt, wie viele Migranten in der unmittelbaren Nachbarschaft der Spitzenpolitikerin leben, eine neue Umfragestudie aus Polen bringt das von Esken gepflegte Narrativ aber gehörig ins Wanken, wenn nicht vollends zum Einsturz. Zumindest soweit es die Flüchtlinge aus der Ukraine betrifft.

Seit August 2022 haben 350.000 Ukrainer, die zunächst in Polen registriert worden waren, das Land wieder verlassen. Im selben Zeitraum verzeichnete das benachbarte Deutschland einen diesbezüglichen Zuwachs von 410.000 Flüchtlingen. Erst mit weitem Abstand folgen Rumänien (plus 70.000) und Italien (plus 40.000) auf den weiteren Plätzen.

‚Empfehlung von Bekannten‘ und ‚attraktivere Sozialleistungen‘

Hier nur von einem „Trend“ oder einem „Phänomen“ zu sprechen, wäre schlichte Realitätsverweigerung. Deutschland und Polen mögen geografisch zwar direkt aneinandergrenzen, bei den Sozialleistungen liegen zwischen den beiden Ländern freilich Welten. Und so dürfte es wohl nicht nur bloßer Zufall sein, dass dies- und jenseits der Oder innerhalb nur eines Jahres Zu- bzw. Abwanderungen ukrainischer Flüchtlinge im mittleren sechsstelligen Bereich zu beobachten waren.

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Unter Federführung der Migrationsplattform EWL, des Zentrums für Osteuropastudien der Universität Warschau und der EWL-Stiftung haben sich Andrzej Korkus und Dr. Jan Malicki im Auftrag des Ministerrats der Republik Polen deshalb auf Spurensuche begeben. Über die 350.000 aus seinem Land abgewanderten Migranten schreibt Korkus: „Die meisten von ihnen wollten eine Reise weiter nach Westen antreten, vor allem nach Deutschland, wo die Zahl der ukrainischen Flüchtlinge auf 1,1 Millionen stieg.“

Zum Vergleich: In Frankreich (minus 5.000) und selbst im ebenfalls an Polen grenzenden Tschechien (minus 50.000) ist die Zahl der Ukraine-Flüchtlinge seit August 2022 mehr oder weniger stark rückläufig.

Weshalb also ausgerechnet Deutschland? Hierzu gaben 43 Prozent der Befragten an, aufgrund von „Erfahrungen und Empfehlungen ihrer Angehörigen“ in die Bundesrepublik weitergereist zu sein. Was diese Angabe bereits erahnen lässt, wird durch den zweitstärksten „Pull-Faktor“ direkt beim Namen genannt. 42 Prozent nennen die „attraktiveren Sozialleistungen“ als Grund für ihren Umzug von Polen nach Deutschland, erst danach folgen „bessere Sparmöglichkeiten“ (38 Prozent) und „höhere Löhne“ (27 Prozent).

Den Angaben zufolge bleiben den Befragten nach Abzug aller Kosten am Monatsende durchschnittlich noch 494 Euro übrig. 13 Prozent geben sogar an, dass dieser „Restbetrag“ bei ihnen bei „über 1.000 Euro“ liege.

Mehrheit der Ukraine-Flüchtlinge hat in Polen nicht gearbeitet

Um von den höheren Löhnen hierzulande profitieren zu können, muss aber natürlich auch einer Arbeit nachgegangen werden. Und genau das scheint meistens nicht der Fall gewesen zu sein: „59 Prozent der ukrainischen Flüchtlinge, die aus Polen nach Deutschland ausreisen, hatten in unserem Land nicht gearbeitet“, wie die Autoren festhalten.

Weiter heißt es in aller Klarheit: „Trotz ihrer Bereitschaft zu arbeiten, nimmt ein Teil der Flüchtlinge in Deutschland keine Arbeit auf, da sie keine deutschen Sprachkenntnisse haben, ausreichenden Lebensunterhalt aus Sozialleistungen beziehen oder durch ihre Familien finanziell unterstützt werden.“

Zum Vergleich: In Deutschland liegt die Grundsicherung („Bürgergeld“) derzeit bei mindestens 502 Euro. Zum 1. Januar 2024 soll dieser Betrag auf 563 Euro steigen. In Polen liegt die Grundsicherung für Alleinstehende bei gerade einmal 161 Euro.

An dieser Stelle ist anzumerken, dass es den Autoren der Studie bzw. ihrem Auftraggeber, dem polnischen Ministerrat, darum ging, die Gründe für den massenhaften Exodus „ihrer“ Ukraine-Flüchtlinge gen Westen zu untersuchen – und diesen zu beenden. So schreibt Andrzej Korkus: „Ich glaube fest daran, dass die in diesem Bericht erörterten Schlussfolgerungen dazu beitragen, dass die polnischen Behörden und Arbeitgeber erfolgreiche Lösungen entwickeln, Flüchtlinge zum Bleiben in Polen bzw. zur Rückkehr in unser Land zu bewegen.“

Soweit zumindest die Theorie, die gelebte Praxis scheint aber auch in Warschau bisweilen eine andere zu sein, wie dieses Beispiel zeigt.

Für die vorliegende Umfragestudie wurden 400 erwachsene Ukraine-Flüchtlinge befragt, die zunächst in Polen gelebt hatten und später (ab August 2022) nach Deutschland weitergezogen sind.

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Kai Rebmann ist Publizist und Verleger. Er leitet einen Verlag und betreibt einen eigenen Blog.

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